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Basiskompetenzen statt Bildung?

Wie PISA die deutschen Schulen verändert hat, Campus Forschung 955

Erschienen am 21.06.2012, 1. Auflage 2012
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593396446
Sprache: Deutsch
Umfang: 411 S.
Format (T/L/B): 2.5 x 21.3 x 14 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Die PISA-Studie ist nur ein Teil des Paradigmenwechsels an deutschen Schulen. Sigrid Hartong untersucht, welche zentralen Ereignisse internationaler und nationaler Bildungspolitik außerdem unsere Schulen prägen. Sie zeigt den Wandel von einem kulturgebundenen Lehren von Wissensinhalten hin zu einer Vermittlung von Basiskompetenzen. Hartong untersucht an einem Fallbeispiel, wie sich dieser Wandel auf die Schul- und Unterrichtspraxis auswirken kann.

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Autorenportrait

Sigrid Hartong arbeitet im Bereich Schul- und Bildungsforschung an der Universität Bamberg.

Leseprobe

Beinahe explosionsartig ist binnen der letzten Jahre die Zahl von Studien und Schriften gewachsen, die sich mit den Themen Bildung und Schule auseinandersetzen. Ganze Zeitschriften, Konferenzen und Organisationen widmen sich der Verbesserung von Unterricht, Schülerleistungen und Inklusion oder aber technischen Fragen internationaler und nationaler Bildungsvergleiche. Weitere Schwerpunkte sind die Optimierung von Kompetenz-Testverfahren (siehe z.B. Sill/Sikora 2007) oder die so genannte Rezeptionsforschung, die sich empirisch mit Reformwirkungen, beispielsweise mit der Veränderungsbereitschaft von Lehrkräften, auseinandersetzt (siehe z.B. Lankes 2008, Hosenfeld/Groß Ophoff 2007, Nachtigall/Jantowski 2007, Tresch 2007). Die PISA-Studie ist dabei längst nicht mehr das einzige zentrale Schlagwort bzw. Narrativ, mit dem von unterschiedlicher Seite her argumentiert wird. Obwohl innerhalb der letzten zehn Jahre die Situation im Bildungsbereich immens komplexer geworden ist, sind die Nachwehen des "PISA-Fiebers" (Karg 2005: 10) immer noch deutlich zu spüren. So wurde erst im Oktober 2010 das ZIB, das Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien, in München gegründet, das unter der Leitung von Manfred Prenzel die kommenden PISA-Runden in Deutschland leiten und sich verstärkt mit Bildungsstudien großen Kalibers beschäftigen wird. Neben diesen großen Erhebungen werden vermehrt auch einzelne Aspekte der jüngsten Bildungsreformen fokussiert - zum Beispiel der zunehmende Einfluss internationaler Akteure, die schulische Systemgestaltung in den so genannten Vorbildländern, Effekte nationenübergreifender Anpassung oder auch, aus einer Mikroperspektive heraus, die Situation der Schulen, die auf der einen Seite mehr Autonomie und damit mehr Freiheiten erhalten haben, auf der anderen Seite jedoch im Sinne des New Public Management Prinzipien wie der Accountability unterworfen werden. Wieso also noch eine Studie zum Thema Schulreform? Zunächst handelt es sich um eine soziologische Studie im ursprünglichen Sinne und damit um einen Versuch, gesellschaftliche Entwicklungen und Vorgänge in ihrer (möglichst vollständigen) Komplexität verstehen und analysieren zu wollen. Hierbei ist es die Rolle von Wissenschaft, die Beobachtungen der Gesellschaft zu reflektieren und sich bei dieser Reflexion selbst nicht auszuschließen. Gerade in den Bereichen von Bildung und Schule ist dieses Verstehen und Nachvollziehen kaum überzubewerten. Umso dramatischer scheint es, dass es aktuell kaum Studien oder wissenschaftliche Analysen gibt, die der Reflexion über die die Schule betreffenden Geschehnisse als solche genügend Raum geben. Was aktuell in der Schul- und Bildungsforschung dominiert, sind pragmatische, strategisch orientierte Fragestellungen. Diese sind durchaus wichtig und haben mehr denn je ihre Berechtigung; dennoch hat sich ein bedenkliches Maß an Einseitigkeit durchgesetzt. Nicht immer wird hierbei genügend berücksichtigt, dass es zunächst entscheidend ist, die Zusammenhänge der Geschehnisse im Schulbereich über die verschiedenen Ebenen hinweg und innerhalb unterschiedlicher Akteurszusammenhänge zu verstehen, um sich gerade auch über die Ziele von Reformen klar zu werden. So hat in Deutschland - aber auch international - eine wirkliche Auseinandersetzung mit der PISA-Studie, das heißt auch eine methodologische Debatte, erst relativ spät begonnen (vgl. Hopmann/Brinek 2007: 9) und immer noch sehen sich diese Stimmen in vielen Ländern einer omnipräsenten PISA-"Schockstarre" (Eigler 2004: 49) gegenüber. Diese Studie startet den Versuch, einige der vorhandenen Lücken zu schließen und die wissenschaftliche Aufgabe der Reflexion über die gesellschaftlichen Entwicklungen im Schulbereich zu stärken. Hierbei geht es um drei zentrale Aspekte der Veränderung: erstens der Leitbilder von Schule, Unterricht und Bildung beziehungsweise von Wissen im Allgemeinen, zweitens der Regierungsmodi im Schulbereich, verstanden als Governance, sowie drittens der Schulpraxis als intendierter und unintendierter Effekt des Wandels in den beiden erstgenannten Bereichen. Ein Schlüsselbegriff innerhalb der aktuellen Diskussion um Schule und Bildung ist zweifellos und in vielerlei Hinsicht derjenige der Internationalisierung. In der Tat wird die Internationalisierung in dieser Arbeit als zentrale Ursache für die Initiierung der jüngsten Schulreformen betrachtet, jedoch nicht als diffuse Tatsache, auf die sich die Länder zwangsweise durch Reform einstellen müssen, sondern vielmehr als Prozess der Generierung einer neuen Ebene von Schulpolitik, auf der sich bestimmte Akteure mit bestimmten Leitbildern und Governancemodi etabliert haben. Die Schulreformen der letzten Jahre in ihrer ganzen Komplexität verstehen zu wollen, ist ein unmögliches Unterfangen. Dennoch oder gerade deswegen lohnt es sich, soziologische Werkzeuge zu nutzen, mit deren Hilfe es zu schaffen ist, den Grad der Komplexität sinnvoll zu reduzieren. Natürlich kann man dabei der Tatsache nicht entgehen, selbst eine Schablone der Betrachtung anzulegen, die bestimmte Aspekte betont und andere dafür in den Hintergrund stellt. Ist man sich dieser Einschränkung bewusst, ist es dennoch möglich, soziologische Aufklärung und reflexive Analyse zu betreiben. Wie bereits deutlich geworden ist, werden Schulpolitik und Schulpraxis in der vorliegenden Arbeit als Feldzusammenhang verstanden, der sich über mehrere Ebenen hinweg strukturiert und dynamisiert. Wo sich ein solcher Ansatz wissenschaftlich verorten lässt, soll im Folgenden erläutert werden. Er ist als eine besonders fruchtbare Kombination dreier soziologischer Theoriestränge zu verstehen, aus denen heraus ein eigener Forschungsansatz erarbeitet wird. Bei den drei Theoriesträngen handelt es sich um die Bourdieusche Feldtheorie, den soziologischen Neoinstitutionalismus sowie um die Analyse von Governance im Mehrebenensystem. Theoriegeleitet kann dann aus dem eigenen Ansatz heraus das methodische Vorgehen entsprechend gewählt und strukturiert werden.