Beschreibung
Reihe mit eigenständigen, in sich abgeschlossenen Erzählungen. Nachdem ihm überraschend gekündigt wurde, flieht der Anwalt Eric Nash in seinen Heimatort Hope Harbor. Nur um dort feststellen zu müssen, dass sein Elternhaus die reinste Baustelle ist. Zu seinem Entsetzen hat sein Vater beschlossen, sich endlich seinen Traum von einem Bed & Breakfast zu erfüllen, und kurzerhand die unlängst zugezogene Architektin BJ Stevens mit dem Umbau beauftragt. Statt der Ruhe, die er sucht, um seinen nächsten Karriereschritt zu planen, sieht Eric sich also mit Lärm und Dreck konfrontiert - und einer kratzbürstigen Bauleiterin, der er keinen Millimeter über den Weg traut. Wie kann jemand eine Karriere in der Großstadt an den Nagel hängen und freiwillig in ein Kaff wie Hope Harbor ziehen? Bestimmt hat diese BJ irgendetwas zu verbergen ...
Autorenportrait
Irene Hannon studierte Psychologie und Journalistik. Sie kündigte ihren Job bei einem Weltunternehmen, um sich dem Schreiben zu widmen. In ihrer Freizeit spielt sie in Gemeindemusicals mit und unternimmt Reisen. Die Bestsellerautorin lebt mit ihrem Mann in Missouri.
Leseprobe
Kapitel 1 Dem Pickup konnte er nicht mehr ausweichen. Als das Fahrzeug mit quietschenden Reifen vor ihm zum Stehen kam, warf Eric Nash schnell sein Handy auf den Beifahrersitz, umklammerte mit beiden Händen das Steuer des BMWs und ging auf die Bremse. Bis zum Anschlag. Zu spät. Das Krachen des Aufpralls ging ihm durch Mark und Bein, ebenso wie das durchdringende Geräusch von eingedrücktem Metall und das explosionsartige Zersplittern von Glas. So hatte er sich seine Ankunft in Hope Harbor ganz gewiss nicht vorgestellt. Noch bevor er den Unfall realisiert hatte, flog schon die Fahrertür des Pickups auf. Zwei Beine, die in eng geschnittenen Jeans steckten, glitten aus der Fahrerkabine und eine schlanke Frau näherte sich mit geschmeidigen Schritten seinem zerbeulten BMW. Der ständige Wind, der so typisch für die Küste von Oregon war, wehte ihr die blonde Mähne um den Kopf. Ein reizvoller Anblick, wenn nicht ihr stürmischer Gesichtsausdruck und ihre angespannte Haltung gewesen wären. Anstatt sich von ihrem Äußeren einlullen zu lassen, sollte er sich lieber bei ihr entschuldigen. Sie blieb kurz stehen und begutachtete mit schnellem Blick die Rückseite ihres Pickups. Dann marschierte sie zu seiner Autotür und schaute ihn durch die Windschutzscheibe finster an, die Fäuste in die Hüften gestemmt. Oh, Mann! Das würde kein Zuckerschlecken werden. Er atmete tief ein, bevor er seine Tür aufmachte und ausstieg. Das tut mir leid. Er deutete mit dem Kopf zu ihrem Pickup. Sie verschränkte die Arme, beugte sich zur Seite und warf einen gezielten Blick auf das Handy, das auf seinem Beifahrersitz lag. Für den Fall, dass Sie es nicht wissen sollten: In Oregon ist es verboten, am Steuer zu telefonieren. Natürlich wusste er das. Das hätte er auch gewusst, wenn er nicht Anwalt gewesen wäre. Die Verabschiedung dieses Gesetzes war schließlich durch die Presse gegangen. Aber er war schon fast am Ziel gewesen und Hope Harbor war nicht Portland. Hier war ja kaum Verkehr, außer um die Mittagszeit. Falls Charley seinen Stand geöffnet hatte und falls es einen Ansturm auf seine Fischtacos gab. Aber es war noch nicht Mittag und er war auch nicht in der Nähe des Tacostands im Hafen. Mir sind die gesetzlichen Vorschriften durchaus bekannt. Aber ein kurzer Anruf in einer ruhigen Seitenstraße sollte eigentlich ungefährlich sein. Das war er aber nicht. Hören Sie, ich habe gesagt, dass es mir leidtut. Meine Versicherung kommt für den Schaden auf. Sie kniff die Augen zusammen. Geld löst nicht jedes Problem. Oh, Mann! Diese Frau machte es ihm wirklich nicht leicht. Aber es behebt den Schaden an Ihrem Pickup. Er betrachtete das schmutzverschmierte Fahrzeug. Obwohl sich gar nicht so leicht sagen lässt, welchen Schaden ich verursacht habe und welche Beule unter dieser Matschschicht vielleicht schon vorher da war. Wenn sie gemein sein konnte, konnte er das auch. Mit finsterer Miene warf sie die Schultern zurück. Winzige Teilchen von etwas lösten sich dabei aus ihrem Haar. Er kniff die Augen zusammen und hielt sich die Hand an die Stirn, um gegen die Vormittagssonne, die an diesem Julitag hoch am Himmel stand, besser sehen zu können. War das Sägemehl? Hier regnet es sehr viel, okay? Ich kann mit meiner Zeit wirklich etwas Besseres anfangen, als ein Auto zu waschen, das am nächsten Tag sowieso wieder schmutzig ist. Und auch wenn es Sie wirklich nichts angeht, aber ich gebe mein Geld für Wichtigeres aus als für eine Blechkiste. Das sieht man. Erneut bedachte er den Pickup mit einem zweifelnden Blick. Pah. Nach diesem knappen Kommentar stapfte sie ein paar Schritte zu ihrem Auto zurück. Er folgte ihr. Warum haben Sie überhaupt so plötzlich gebremst? Mir ist ein Hund vors Auto gelaufen. Ich habe keinen Hund gesehen. Sie haben mich auch nicht bremsen gesehen. Wenn Sie ein paar Autolängen Abstand gehalten und sich mehr auf die Straße konzent- riert hätten, hätten Sie rechtzeitig stehen bleiben können. Sie bückte sich und kontrollierte ihren Pickup noch einmal. Zum Glück ist dieses Baby robust. Ich kann keinen ernstzunehmenden Schaden entdecken. Ihr Blick wanderte zu seinem BMW. Aber Ihr Wagen muss definitiv in die Werkstatt. Zum ersten Mal schenkte er dem BMW seine Aufmerksamkeit. Die vordere Stoßstange war auf der linken Seite verbogen und die Glassplitter seines kaputten Scheinwerfers glitzerten auf dem Asphalt. Na toll! Genügte es nicht, dass seine Karriere im Eimer war und seine Zukunft in der Schwebe hing? Musste jetzt auch noch sein Wagen kaputt sein? Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Eine glückliche Heimkehr sah anders aus! In Bandon gibt es einen Händler, der auch Reparaturen macht. Wenigstens war der Tonfall der Frau jetzt eine Spur weniger feindselig. Ja, ich weiß. Marvs Werkstatt. Soll ich die Polizei rufen und ein Unfallprotokoll erstellen lassen? Die Polizistin ist bestimmt schnell da. Ich bin erst vor ein paar Minuten an ihr vorbeigefahren. Sich von Lexie die Leviten lesen zu lassen, würde ihm heute gerade noch fehlen! Womöglich würde sie ihm sogar eine Geldstrafe aufbrummen, weil er beim Fahren telefoniert hatte. Auf keinen Fall! Mir würde genügen, wenn wir unsere Kontaktdaten austauschen. Ihre Daten brauche ich nicht. Ich melde meiner Versicherung den Schaden sowieso nicht. Aber ich gebe Ihnen meine Nummer. Während sie in ihren Taschen kramte, sinnierte er über ihren leichten Südstaatenakzent. Ich dachte, ich hätte irgendwo Visitenkarten. Aber das hier geht auch. Sie zog einen verknitterten Kassenbon aus der Tasche und kritzelte etwas mit einem Bleistiftstummel darauf. Eric warf einen Blick auf den Zettel, den sie ihm reichte. Kein Name. Nur eine Telefonnummer mit einer Vorwahl aus diesem Bezirk. Wie ich sehe, wohnen Sie hier in der Nähe? Ja. Sie trat einen Schritt zurück und steckte die Hände in die Hosentaschen. Wollen Sie testen, ob Ihr Auto noch fahrtüchtig ist, bevor ich weiterfahre? Er betrachtete noch einmal den BMW. Die Stoßstange hing nicht gefährlich herunter und in den Reifen war noch Luft. Ich denke, der Schaden ist hauptsächlich kosmetischer Art. Ich habe es sowieso nicht mehr weit. Das geht schon. Wie Sie meinen. Sie marschierte zu ihrer Fahrerkabine zurück, blieb aber an der Tür noch einmal stehen und warf ihm einen letzten finsteren Blick zu. Und tun Sie sich und anderen den Gefallen und lassen die Finger vom Handy, wenn Sie am Steuer sitzen. Ohne auf eine Antwort zu warten, kletterte sie hinter das Steuer, ließ den Motor an und gab Gas. Eric blieb in einer Wolke giftiger Abgase stehen. Er wandte sich ab, steckte sich den Zettel mit ihrer Nummer in die Hosentasche und seufzte. Er hatte versucht, sich während seiner fünfstündigen Fahrt von Portland hierher darauf einzustellen, seinem Vater die schlechte Nachricht schonend beizubringen. Er war auf dieses Gespräch halbwegs vorbereitet gewesen, als er an dem Schild Willkommen in Hope Harbor vorbeigefahren war. Kurz vor dem Auffahrunfall hatte er noch versucht, seinen Vater anzurufen, um ihm sein Kommen anzukündigen. Er hatte es für sinnvoll gehalten, ihm ein paar Minuten Zeit zu geben, damit er sich auf den unerwarteten Besuch einstellen konnte. Aber da sein Vater nicht ans Telefon gegangen war und der Unfall seine ganze Vorbereitung zunichtegemacht hatte, beschloss er, erst einmal einen Spaziergang am Strand zu machen und den beruhigenden Anblick der Brandungspfeiler auf sich wirken zu lassen, bevor er nach Hause fuhr. Die salzige Meeresluft und der Wind hatten eine reinigende Wirkung. Schon immer war es so gewesen, dass die frische Luft ihm geholfen hatte, wieder einen klaren Kopf zu bekommen und ruhiger zu werden, wenn er das dringend gebraucht hatte. Auch jetzt war das so. Während er zur Fahrertür ging, versuchte er, die Dinge positiv zu sehen. Seine Zukunft war zwar unsicher, aber der Wagen ließ sich reparieren und es war niemand verletzt worden. Und es gab noch etwas Positives: Noch schlimmer konnte dieser Tag nicht mehr werden. BJ Stevens set...