Beschreibung
Im Laufe der letzten 150 Jahre haben wir unsere Definition des Begriffs Trauma stark verändert, und dementsprechend hat sich unser Verständnis traumatischer Erlebnisse gewandelt. Traumata versteht man heute nicht mehr als rein physische Phänomene, sondern als ein komplexes Konglomerat physiologischer und psychischer Effekte. Trotz dieser Erweiterung des Traumakonzepts hat unsere Gesellschaft das große Spektrum als normal geltender alltäglicher Erlebnisse mit traumatischer Wirkung bis heute nicht völlig akzeptiert. In unser aller Leben gibt es zahlreiche kleine Traumata. Diese weniger dramatischen, aber durchaus traumatischen Vorfälle werden häufig übersehen. In seinem Buch Das Trauma-Spektrum erweitert Robert Scaer, ein Neurologe mit über 30-jähriger Erfahrung in der Behandlung der Opfer von Autounfällen, das theoretische und klinische Verständnis der Traumabehandlung. Über die Grenzen herkömmlicher medizinischer Definitionen traumatischer Belastungen hinausgehend definiert er das Phänomen Trauma zu einem Spektrum unterschiedlich negativer Ereignisse um, die im Leben von Menschen stattfinden können, darunter auch solche, die im Rahmen des Alltagslebens oft als völlig normal angesehen werden. Nach Scaers Auffassung prägt das kumulierte Erleben von auf den ersten Blick als unbedeutend erscheinender traumatischer Erlebnisse jeden Aspekt unserer Existenz - unsere Kleidung ebenso wie unsere Berufswahl bis hin zur Partnerwahl -, und alle diese für sich genommen als relativ unbedeutend erscheinenden Ereignisse können eine nicht weniger massive Wirkung haben wie jene entsetzlichen Ereignisse, die normalerweise mit dem Begriff Trauma assoziiert werden. Zu Beginn des Buches wird die Vorstellung von einem Gehirn-Geist-Körper-Kontinuum erläutert. Dieses Konstrukt hilft, die Auswirkungen von Emotionen und Erlebnissen auf den menschlichen Körper zu erklären. Im zweiten Teil des Buches definiert Scaer das von ihm so genannte Trauma-Spektrum, und er erläutert in diesem Rahmen eine große Zahl normaler Ereignisse, mit denen eine traumatisierende Wirkung assoziiert werden kann. Der letzte Teil des Buches erläutert die verschiedenen Arten körperlicher Krankheiten, die infolge traumatischer Erlebnisse auftreten können, darunter Autoimmunkrankheiten, chronische Erschöpfung, chronische Schmerzen, endokrine Störungen, Fibromyalgie, Reizdarm, Myofaszialschmerzen, Schlafapnöe und somatische Dissoziation. Scaer beschließt sein Buch mit einem Ausblick, der uns hoffnungsvoll stimmen kann: Indem wir lernen, uns selbst und andere Menschen besser zu verstehen, können wir die Wunden, die wir uns im Leben zugezogen haben, heilen, und mit einigen bisher kaum verstandenen und nur schwer behandelbaren Krankheiten besser umzugehen lernen. Die Vorstellung, daß Traumata ein Spektrum bilden, das Ereignisse sehr unterschiedlicher Art einschließt, liefert uns nicht nur den Schlüssel zur Transformation unserer Beziehung zu Traumata, sondern verspricht außerdem, unserer Sicht des Lebens eine positivere Orientierung zu geben. Das TraumaSpektrum ist ein überragendes Meisterwerk von einer der führenden Persönlichkeiten im Bereich der Traumatologie. In seinem kreativen Buch vertritt Dr. Scaer überzeugend die These, daß Traumata (von den Bindungstraumata der Kindheit über die kleinen Traumata des Alltagslebens bis hin zu den omnipräsenten soziokulturellen Traumata) auf Gehirn, Geist und Körper wirken und dadurch lebenslang Gesundheit und Krankheit beeinflussen. Dieses erstaunliche Buch ist nicht nur für Psychotherapeuten, Allgemeinmediziner und Neurologen von Interesse, sondern auch für alle, die sich für neueste Erkenntnisse bezüglich der tieferen traumarelevanten Mechanismen interessieren. Allan N. SCHORE VerlagsWebseite für weitere Informationen: www.gpprobst.de
Autorenportrait
Robert SCAER, M.D., absolvierte seine B.A.-Studien in Psychologie und seine Promotionsstudien in Medizin an der University of Rochester. Er ist Facharzt für Neurologie und praktiziert seit 36 Jahren, davon 20 Jahre als Medical Director of Rehabilitation Services am Mapleton Center in Boulder, CO/USA. Sein wissenschaftliches und klinisches Interesse gilt primär traumatischen Hirnverletzungen, chronischen Schmerzen und neuerdings der Erforschung traumabedingter Belastungszustände und ihrer Auswirkung auf körperliche und emotionale Symptome und Krankheiten. Robert Scaer hat über die genannten Themen gelehrt und wissenschaftliche Artikel über die Posttraumatische Belastungsstörung, Dissoziation, Schleudertrauma und andere somatische Auswirkungen von traumabedingtem Streß publiziert. Er ist Autor von drei Büchern.
Leseprobe
Ein wichtiger Aspekt dieses spannenden und aufschlußreichen Buches ist, daß es die Allgegenwart der Auswirkungen von Traumata auf alle Facetten des Alltagslebens und des inneren Erlebens erforscht. Dr. Scaer beginnt dort, wo die zentrale Diagnose, die in der Regel zur Beschreibung der psychischen Auswirkungen von traumatischen Belastungen herangezogen wird, endet. Der Autor vertritt überzeugend die Auffassung, daß das kumulative Erleben der kleinen Traumata des Alltagslebens praktisch jeden Aspekt unserer Existenz beeinflußt. Diese Akkumulation negativer Erlebnisse formt die Persönlichkeit, die Partnerwahl, die Berufswahl, die Kleidung, den Appetit, unsere Lieblingsärgernisse, das Sozialverhalten, die Körperhaltung und in ganz besonderem Maße unseren körperlichen und psychischen Gesundheits- und Krankheitszustand. Diese kühne Prämisse beinhaltet einerseits eine Erweiterung der klassischen Definition der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) als klar definierte Symptomgruppe und andererseits eine radikale theoretische Abkehr von diesem konventionellen Verständnis. Dr. Scaer erschließt uns eine neue Sicht der Unterströmungen, die unbewußt viele unserer Gefühle und Präferenzen dominieren. Das Buch beschreibt, inwiefern die Summe und die kumulative Entstehungsgeschichte unserer Traumata, einschließlich der kleinen, lange vergessenen, die Wurzel unserer Art, Ordnung und Sinn zu kreieren, bilden. () Dieses brillant geschriebene Buch, für Laien ebenso verständlich wie für Fachkundige aufschlußreich, untermauert, daß wir über eine großartige Fähigkeit zu emotionaler und körperlicher Gesundheit und Resilienz verfügen. Peter A. Levine