Beschreibung
Verharmlost als Mittel, um kreativer und leistungsstärker zu werden, hat Kokain in Europa eine gefährliche Akzeptanz in allen Gesellschaftsschichten gefunden. Meistens wird Kokain als Pulver in der Partyszene, im Büro oder gar auf Baustellen konsumiert, und dabei wird völlig übersehen, wie gefährlich es ist. Was oft aus Neugier oder als Spaß beginnt, führt häufig in eine fatale Abhängigkeit. An einem ausgelassenen Abend mit seinen Freunden probiert ein 22-jähriger junger Mann zum ersten Mal Kokain und gerät kurz darauf in den Teufelskreis dieser zerstörerischen Droge. Die Veränderung geschieht rapide: Aus dem klugen, zielstrebigen und begabten jungen Studenten wird ein verzweifelter Mensch mit einer schweren Suchterkrankung. Und obwohl er alles versucht, die Sucht hinter sich zu lassen, ist das Verlangen nach der Substanz stärker. Die Eltern begleiteten ihren Sohn durch die dreijährige Sucht und unterstützten ihn bei seinen Ausstiegsversuchen, die letztlich misslingen. Diesen Weg beschreibt seine Mutter Marina Jung in eindrücklichen Worten. Da man in der Öffentlichkeit und selbst in gewissen Fachkreisen viel zu wenig über die Droge und ihren Wirkcharakter weiß, hat sie ihre Erfahrungen aufgezeichnet. Dabei verknüpft sie Fakten und Erkenntnisse zu einer multiperspektivischen Sichtweise. Die Leserinnen und Leser können dadurch nachvollziehen, warum Kokain besonders unberechenbar und gefährlich ist und was eine Suchterkrankung mit der betroffenen Person und mit dem sozialen Umfeld macht. Und schließlich führt die Autorin die Leserinnen und Leser in die Lebensrealität von suchtkranken Menschen, unter anderem auch durch Texte und Fallbeispiele von Betroffenen.
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Leseprobe
Selbst wenn Benedict nie straffällig wurde, so hatte sich sein moralischer Kompass dennoch verändert. Wir fragten ihn einmal, wie weit er denn gehen würde, wenn ihm seine finanziellen Mittel ausgingen. Auf einem Sparkonto besaß er damals einen Betrag von 2000 Franken, die er von seinem Großvater zur Geburt respektive zur Kommunion erhalten hatte. Ob er auch dieses Geld für den Kokainkonsum antasten würde? Benedict versicherte uns glaubhaft, dass er auf dieses Geld nie zurückgreifen würde, wisse er doch um die spezielle Bedeutung dieses Geschenks. Später setzte er das Geld trotzdem zur Finanzierung seines Konsums ein. Im Rahmen eines heftigen Rückfalls und nachdem er innerhalb von zweieinhalb Jahren schon beinahe seine gesamten Ersparnisse in die Sucht gesteckt hatte, sah er keinen anderen Weg, als zur Bank zu fahren, um einen größeren Betrag von diesem Sparkonto abzuheben. Zu diesem Zeitpunkt hatte er keine Möglichkeit mehr, sein Handeln nach ethisch-moralischen Prinzipien zu beurteilen. Anna Lembke bringt es im lesenswerten Bestseller 'Die Dopamin Nation' (2023) auf den Punkt: 'Im Sog des Verlangens gibt es keine Möglichkeit zur freien Entscheidung.'