0

Wie wir werden, die wir sind

Neurobiologische Grundlagen subjektiven Erlebens & die Entwicklung des Menschen in Beziehungen

Erschienen am 02.02.2006
49,00 €
(inkl. MwSt.)

Lieferbar innerhalb 24 Stunden

In den Warenkorb
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783873875814
Sprache: Deutsch
Umfang: 416 S.
Format (T/L/B): 2.5 x 24.3 x 17 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Was macht einen Menschen zu dem, der er ist? Seine Veranlagung? Oder sind es doch eher Umgebungsfaktoren wie Familie, Erziehung und Umfeld? Daniel J. Siegel überwindet dieses einengende Denken in Gegensätzen und präsentiert eine neue bahnbrechende Sicht der menschlichen Entwicklung. Er erforscht, welchen Einfluss zwischenmenschliche Beziehungen auf die Entstehung wichtiger Verbindungen im Gehirn haben und zeigt auf, durch welche Prozesse wir alle zu fühlenden, denkenden und erinnernden Individuen werden. Weshalb können wir uns nicht daran erinnern, was wir im Alter von drei Jahren getan haben? Warum sind manche Kinder ungewöhnlich schüchtern? Welche biochemischen Auswirkungen haben Demütigungen, und inwiefern können sie sich auf das Gehirn von Kindern schädigend auswirken? Neue und einleuchtende Antworten auf diese Fragen ergeben sich aus Siegels Synthese neurobiologischer, psychologischer und kognitionswissenschaftlicher Erkenntnisse. - Publishers Weekly Dieses großartige Buch verknüpft die Erkenntnisse der Bindungsforschung mit fundiertem biologischen Wissen und erklärt somit die lebenslange Wirkung früher Erlebnisse. - Alicia F. Lieberman

Autorenportrait

Daniel J. Siegel, Medizinstudium an der Harvard University, Postgraduate-Studien an der UCLA. Zur Zeit Clinical Professor der Psychiatrie an der UCLA School of Medicine und Forschungsarbeit am Center for Culture, Brain, and Development.

Leseprobe

Der Entwicklung des Geistes werden rekursive Eigenschaften zugeschrieben. Dies bedeutet, daß das, was der Geist eines Menschen der Welt präsentiert, das Präsentierte verstärken kann. Eine typische Reaktion der Umwelt bzw. der Eltern auf den Verhaltens-Output eines Kindes kann folglich das betreffende Verhalten verstärken. Deshalb spielt das Kind bei der Gestaltung der Erlebnisse, an die sein Geist sich anpassen muß, eine wichtige Rolle. Somit verändert das Verhalten selbst den genetischen Ausdruck, der daraufhin neues Verhalten erzeugt. Letztendlich basieren also Veränderungen in der Organisation der Gehirnfunktion, der Regulierung der Emotionen und des Langzeitgedächtnisses auf Veränderungen der neuronalen Struktur. Diese strukturellen Veränderungen sind der Aktivierung oder Deaktivierung von Genen zuzuschreiben, die Informationen für die Proteinsynthese enkodieren. Erlebnisse, genetischer Ausdruck, mentale Aktivität, Verhalten und die permanenten Interaktionen mit der Umgebung (das Erleben) sind in einem Geflecht von Transaktionsprozessen eng miteinander verbunden. Insofern sind der rekursive Charakter der Entwicklung und die Art, auf die Natur und Kultur, Gene und Erleben zusammenwirken, eng verknüpfte Bestandteile ein und desselben Prozesses. Genetische Untersuchungen des Verhaltens gelangen häufig zu dem Resultat, daß fünfzig Prozent der gemessenen Persönlichkeitsmerkmale sich auf Vererbung zurückführen lassen; vom größten Teil der übrigen fünfzig Prozent der Variabilität wird angenommen, daß sie auf "nicht-gemeinsamen" ("nonshared") Aspekten der Umgebung basieren, beispielsweise auf Erlebnissen in der Schule und auf Peer-Beziehungen. Doch auch Geschwister - und sogar eineiige Zwillinge -, die gleichzeitig von den gleichen Eltern aufgezogen werden, haben eine "nicht-gemeinsame" Umgebung, insofern das elterliche Verhalten nicht bei jedem Kind identisch ist. Die Rekursivität der geistigen Entwicklung verstärkt die anfänglichen individuellen Unterschiede und stellt die manchmal bestehende Auffassung, in ein und derselben Familie aufzuwachsen sei eine gemeinsame (statistisch identische) Erfahrung, in Frage. Dies erinnert uns daran, daß die Entwicklungsgeschichte jedes einzelnen Menschen ein unauflösbares Konglomerat dessen ist, wie die Umgebung, zufällige Ereignisse und das Temperament des betreffenden Menschen zur Entstehung von Erlebnissen beitragen, bei denen Anpassung und Lernen rekursiv die Entwicklung des Geistes formen. Die Bedeutung epigenetischer Faktoren - die Art, wie Erleben unmittelbar den Ausdruck der Gene beeinflußt - gelangt auch in Untersuchungen über den erblichen Aspekt bestimmter psychiatrischer Störungen, beispielsweise Schizophrenie, zum Ausdruck. Bei eineiigen Zwillingen, deren gesamte genetische Information identisch ist, besteht eine Übereinstimmung von unter fünfzig Prozent im Verhaltensausdruck der Krankheit. Dies bedeutet, daß viele Faktoren Einfluß darauf haben, wie ein Genotyp (ein genetisches Muster oder genetische Information) als Phänotyp (als genetische Transkriptionsfunktion, die zur Proteinsynthese und zur äußeren Manifestation in Form von körperlichen Eigenschaften oder Verhaltensmerkmalen führt) zum Ausdruck gelangt. Dem Gehirn eines kleinen Kindes liefert die soziale Welt die wichtigsten Erlebnisse, die den Ausdruck der Gene beeinflussen, wodurch determiniert wird, wie sich die Neuronen miteinander verbinden, um jene neuronalen Pfade zu schaffen, die geistige Aktivität ermöglichen. Da die Funktion der Pfade durch ihre Struktur bestimmt wird, verändern Abwandlungen im genetischen Ausdruck die Gehirnstruktur und formen den sich entwickelnden Geist. Und die Funktionsweise des Geistes - die auf neuronaler Aktivität basiert - verändert ihrerseits die physiologische Umgebung des Gehirns, was beinhaltet, daß auch sie den genetischen Ausdruck verändern kann. Dies ist deutlich an der Produktion der Kortikosteroide in Reaktion auf Stress zu erkennen, die sich unmittelbar auf die Funktion der Ge