Beschreibung
DAS MEISTERWERK VON WALTER KEMPOWSKI: SEIN GROßER ROMAN ÜBER FLUCHT UND VERTREIBUNG. Niemand ist berufener als Walter Kempowski, das Drama der Flucht aus Ostpreußen in einem großen Roman darzustellen. In 'Alles umsonst' erzählt er die Geschichte einer Familie im letzten Kriegswinter und schildert auf bemerkenswert unideologische Weise die lange totgeschwiegenen Leiden der deutschen Zivilbevölkerung. Der sechste Kriegswinter ist kalt auf Gut Georgenhof weit in Ostpreußen. Die Front wird nach Westen zurückgedrängt, die Rote Armee schiebt einen gewaltigen Treck Fliehender vor sich her. Doch Katharina von Globig, die schöne Herrin auf dem Georgenhof, lässt die Realität nicht an sich heran. Sie zieht sich in ihr Refugium aus Büchern, Musik und Nichtstun zurück. Das Alltagsgeschäft überlässt sie dem 'Tantchen', einer energischen Verwandten, und den Ostarbeitern Wladimir, Vera und Sonja. Um den zwölfjährigen Sohn Peter kümmert sich Studienrat Dr. Wagner, der die Stunden mit dem ernsthaften Jungen genauso schätzt wie die dicken Wurstbrote und die verträumte Mutter. Dass etwas in der Luft liegt, ist für alle Hausbewohner spürbar. Panzerkolonnen fahren vorüber, ab und zu fällt der Strom aus, Fremde bitten auf dem Weg nach Westen um Einlass, um sich kurz zu wärmen, und erzählen Erschreckendes. Doch die Bewohner des Georgenhofs verschließen noch immer die Augen vor der heraufziehenden Katastrophe. Aber dann bittet der Pastor Katharina, einen Verfolgten für eine Nacht bei sich zu verstecken. Katharina willigt ein. Kurze Zeit später wird der Mann aufgegriffen. Katharina wird verhaftet. Nun ist die trügerische Idylle dahin. Das 'Tantchen' übernimmt das Kommando. Mit Sack und Pack macht sich die restliche Familie auf den Weg. Doch die große Flucht Richtung Westen wird zu einem Albtraum, der alles verschlingt. Nur Peter überlebt und wird Zeuge des großen Sterbens.
Autorenportrait
Walter Kempowski wurde am 29. April 1929 als Sohn eines Reeders in Rostock geboren. Er besuchte dort die Oberschule und wurde gegen Ende des Krieges noch eingezogen. 1948 wurde er aus politischen Gründen von einem sowjetischen Militärtribunal zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Nach acht Jahren im Zuchthaus Bautzen wurde Walter Kempowski entlassen. Er studierte in Göttingen Pädagogik und ging als Lehrer aufs Land. Seit Mitte der sechziger Jahre arbeitete Walter Kempowski planmäßig an der auf neun Bände angelegten "Deutschen Chronik", deren Erscheinen er 1971 mit dem Roman "Tadellöser & Wolff" eröffnete und 1984 mit "Herzlich Willkommen" beschloss. Kempowskis "Deutsche Chronik" ist ein in der deutschen Literatur beispielloses Unternehmen, dem der Autor das mit der "Chronik" korrespondierende zehnbändige "Echolot", für das er höchste internationale Anerkennung erntete, folgen ließ. Walter Kempowski verstarb am 5. Oktober 2007 im Kreise seiner Familie. Er gehört zu den bedeutendsten deutschen Autoren der Nachkriegszeit. Seit 30 Jahren erscheint sein umfangreiches Werk im Knaus Verlag.
Leseprobe
Bei dir gilt nichts denn Gnad und Gunst, die S?nde zu vergeben; es ist doch unser Tun umsonst auch in dem besten Leben. Martin Luther (1524) Der Georgenhof Unweit von Mitkau, einer kleinen Stadt in Ostpreu?n, lag das Gut Georgenhof mit seinen alten Eichen jetzt im Winter wie eine schwarze Hallig in einem wei?n Meer. Das Gut war nur klein, die L?ereien waren bis auf einen Rest verkauft worden, und das Gutshaus war alles andere als ein Schlo? Ein zweist?ckiges Haus mit halbrundem Giebel in der Mitte, den ein ramponierter blecherner Morgenstern kr?nte. Hinter einer alten Mauer aus Feldsteinen lag das Haus, das fr?her einmal gelb gestrichen war. Nun war es g?lich von Efeu bewachsen, im Sommer hausten darin Stare. Jetzt, im Winter 1945, klapperte es mit seinen Dachziegeln: Ein eisiger Wind fegte kleink?rnigen Schnee von weither ?ber die ?ker gegen den Gutshof. ?Gelegentlich m?ssen Sie den Efeu abmachen, der fri? Ihnen den ganzen Putz kaputt?, war schon gesagt worden. An der br?chigen Feldsteinmauer lehnten ausrangierte rostige Ackerger?, und in den gro?n schwarzen Eichen baumelten Sensen und Rechen. Das Hoftor war vor l?erer Zeit von einem Erntewagen angefahren worden, es hing seither schief in den Angeln. Der Wirtschaftshof mit seinen Stallungen, Scheunen und dem K?tnerhaus lag etwas seitab. Die Fremden, die auf der Chaussee vorbeifuhren, sahen nur das Gutshaus. Wer mag dort wohnen? dachten sie, und ein bi?hen Sehnsucht kam auf: Warum hielt man nicht einfach mal an und sagte guten Tag? Und: warum wohnte man selbst nicht in einem solchen Haus, das sicher voller Geschichten steckte? Das Schicksal ist doch ungerecht, dachten die Leute. ?Durchgang verboten? stand an der gro?n Scheune: ein Durchgang zum Park hin war nicht gestattet. Hinter dem Haus sollte Ruhe herrschen, der kleine Park dort, der Wald dahinter: Irgendwo mu?man auch einmal zu sich kommen. ?4,5 km? stand auf dem wei?gekalkten Kilometerstein an der Chaussee, die am Haus vorbei nach Mitkau f?hrte und in der entgegengesetzten Richtung nach Elbing. Dem Gut gegen?ber, jenseits der Chaussee, war in den drei?ger Jahren eine Siedlung gebaut worden, mit H?ern eines wie das andere, sauber ausgerichtet, jedes mit Stall, Zaun und einem kleinen Garten. Die Menschen, die hier wohnten, hie?n Schmidt, Meyer, Schr?der oder Hirscheidt, das waren sogenannte kleine Leute. Die Leute, denen der Georgenhof geh?rte, hie?n von Globig. Katharina und Eberhard von Globig, wilhelminischer Beamtenadel von 1905. Das Gut war von dem alten Herrn von Globig vor dem Ersten Weltkrieg mit gutem Geld gekauft und in Zeiten der Prosperit?um Wiesen und Wald vermehrt worden. Der junge Herr von Globig hatte dann alle L?ereien, Wiesen, ?ker und Weiden bis auf einen kleinen Rest verkauft und das Geld in englischen Stahlaktien angelegt, au?rdem hatte von Globig eine rum?sche Reismehlfabrik damit finanziert, was den Eheleuten nicht gerade ein ?ppiges Leben erm?glichte, aber immerhin. Ein Wanderer-Wagen wurde angeschafft, ein Auto, das sonst niemand im Regierungsbezirk hatte, und damit fuhren sie vor allem in den S?den. Eberhard von Globig war jetzt im Krieg ?Sonderf?hrer? der Deutschen Wehrmacht, die Uniform stand ihm gut, im Sommer gar der wei? Rock? Wenn auch die schmaleren Schulterst?cke ihn kenntlich machten als Wirtschaftsoffizier, der mit Waffen nichts zu schaffen hatte. Seine Frau wurde als vertr?te Sch?nheit ger?hmt, schwarzhaarig mit blauen Augen. Nicht zuletzt ihretwegen stellten sich im Sommer auf Georgenhof gelegentlich Freunde und Nachbarn ein, die sich zu ihr in den Garten setzten und sie unverwandt anschauten; Lothar Sarkander, der B?rgermeister von Mitkau ? steifes Bein und Schmisse an der Wange ?, Onkel Josef mit den Seinen aus Albertsdorf oder Studienrat Dr. Wagner, ein Hagestolz mit Spitzbart und goldener Brille. Wegen seines Spitzbartes sah er so aus, als ob man ihn kennt. Selbst Fremde gr??en ihn auf der Stra?. An der Klosterschule von Mitkau unterrichtete er Knaben der ober Leseprobe