Beschreibung
Corti schildert beeindruckend, wie der französische Geschäftsmann François Blanc mit seinem Bruder Louis 1841 die Spielbank in Homburg gründete und die kleine Residenzstadt des Landgrafenhauses Hessen-Homburg mit seiner Frau Marie, der Schusterstochter aus Friedrichsdorf, zu Weltruhm führte. Als die Spielbank durch ein preußisches Verdikt von 1872 geschlossen werden musste, gründete er in Monaco das Casino Monte Carlo. Der Klassiker wird hier ungekürzt in einer schönen Geschenkausgabe neu aufgelegt.
Leseprobe
Erstes Kapitel EINE RAFFINIERTE SPEKULATION Am 11. März des Jahres 1837 herrschte in der Stadt Bordeaux große Aufregung. Für diesen Tag war ein sensationeller Prozeß angesetzt. Die wohlhabenden Zwillingsbrüder Louis und François Blanc, die sich seit einiger Zeit als Bankiers betätigten, waren beschuldigt, sich in ihren Spekulationen durch Betrug und Bestechung unerlaubte Vorteile verschafft zu haben. Man war in der ganzen Stadt um so begieriger, durch den Prozeß Näheres darüber zu hören, als man sich überall erzählte, daß die Art und Weise, wie jene Brüder ihr Geld erworben hätten, besonders schlau und listig gewesen sei. Die beiden Männer, die da im Mittelpunkt des Interesses standen, waren rein französischer Abkunft und stammten aus einfachsten Verhältnissen; sie waren am 12. Dezember 1806 als nachgeborene Söhne des kleinen, unbemittelten Steuereinnehmers Claude Blanc und seiner Witwe Marie-Thérèse Janin in Courthézon, nördlich von Avignon in Südfrankreich, zur Welt gekommen. Freunde des Vaters, ein Strumpfwirker und ein Schuhmacher, waren die Taufpaten der Zwillinge. Sie waren einander lächerlich ähnlich, in der äußeren Gestalt wie in Charakter und Wesen. Ihre Mutter tat alles, um trotz ihrer beschränkten Mittel den aufgeweckten und tatendurstigen Knaben eine möglichst gute Erziehung angedeihen zu lassen. Dann freilich mußte sie die Söhne ihrer eigenen Kraft überlassen und gab ihnen so viel Geld, wie sie konnte, mit auf den Weg, mit dem Wunsche, sie möchten sich, so gut es ginge, durch das Leben schlagen. Die Brüder brannten vor Verlangen, sich eine Stellung in der Welt zu erringen. Abenteuerlustig und unternehmend vagabundierten sie in Frankreich von Stadt zu Stadt und mühten sich mit allen Mitteln, ihre Lage zu bessern. Sie befaßten sich in Avignon, in Lyon und in Paris mit den verschiedensten Dingen. Am meisten sagte ihnen aber das Börsen- und Bankgeschäft zu, und sie suchten mit Vorliebe bei großen Kreditunternehmungen Beschäftigung. Daneben besaßen sie einen ausgesprochenen Spieltrieb, der sie nicht nur an der Börse mit kleinsten Beträgen, sondern auch in Klubs und privaten Gesellschaften Karten, und zwar besonders Ekarté und Bakkarat, spielen ließ. Sie hatten dabei häufig Glück, und es gelang ihnen mit der Zeit, das von der Mutter mitbekommene Kapital nicht nur zu erhalten, sondern auch in bescheidenem Maße zu mehren. Damit gelangten sie schließlich nach Bordeaux, wo sie sich selbständig machten und ein kleines Bankgeschäft betrieben, das sie durch Spekulationen, insbesondere Ausnützung der Hausse und Baisse der französischen Rente, nährten. Damals, um das Jahr 1834, diente ausschließlich dem staatlichen Nachrichtendienst der sogenannte télégraphe aérien; es war das ein Signalsystem, bei dem an mehreren Zwischenpunkten Beobachter und Fernrohre aufgestellt waren, welche die Signale aufnahmen und weitergaben. Seit 1823 war dieser von den Brüdern Chappe erfundene Apparat zwischen Paris und Bordeaux in Betrieb. Einer der Beamten dieser optischen Telegraphenlinie war zufällig ein Bekannter der Blanc, erzählte ihnen von der praktischen Einrichtung, die die Übermittlung von Nachrichten gegen früher so sehr beschleunige, mußte aber auf die Frage, ob man sich ihrer auch privatim bedienen könne, antworten, daß sich der Staat die ausschließliche Verwendung vorbehalten habe. In der Erkenntnis der Bedeutung der Sache dachten die Blanc daran, an anderer Stelle für sich eine solche Linie einzurichten. Da sie geschäftehalber oft in Belgien, Luxemburg und Nordfrankreich reisten, planten sie zunächst eine solche optische Telegraphenlinie zwischen Brüssel und Antwerpen. Als daraus nichts wurde, kehrten sie nach Bordeaux zurück; doch nach wie vor von der Bedeutung der Ferntelegraphie erfüllt, beschlossen sie, diese Einführung in den Dienst ihrer Börseninteressen zu stellen. Aufmerksam hatten sie bisher beobachtet, welcher Mittel sich ihre Bankiersgenossen bedienten, um die Kursbewegungen der wichtigsten Papiere vor ihren Konkurrenten zu erfahren und dann mit sicherem Gewinn spielen zu können. Sonderkuriere, Taubenpost mußten dazu dienen, und eines der beliebtesten Mittel in dem damals mit Windmühlen übersäten Frankreich war die Weitergabe durch Zeichen von Mühle zu Mühle: war das Fenster einer solchen geöffnet, so hieß das Hausse, und das Zeichen wurde von den nächststehenden Mühlen aufgefangen und weitergegeben; blieb das Fenster geschlossen, so hieß das Baisse, und die Nachricht wanderte auf dem gleichen Wege von Mühle zu Mühle aus der Hauptstadt in die Provinz. Aber diese Mittel versagten oft, und nur allzuhäufig kam es vor, daß ein Müller das Fenster zu öffnen oder zu schließen vergaß. Die Folge waren falsche Nachrichten und Verluste an der Börse. Welch ungeheuren Vorteil mußte es haben, so sagten sich die Brüder Blanc, wenn man die optischen Schnelltelegraphen für den finanziellen Nachrichtendienst nutzbar machen konnte. Da aber Private sich der staatlichen Linien nicht bedienen durften, kamen die Blanc auf die Idee, neben ihrem Bekannten in Bordeaux auch einen Telegraphenbeamten in Paris dazu zu bestimmen, ihnen gegen entsprechende Belohnung bloß einen Buchstaben in ein Staatstelegramm einzuschmuggeln, der sie über den jeweiligen Stand der französischen Rente so schnell unterrichten sollte, daß sie allen anderen Bankiers in Bordeaux zuvorkamen. Es gelang, diesen Beamten zu gewinnen, und eines schönen Tages im Jahre 1834 übermittelte jener Pariser Telegraphist auf Bitte eines Agenten der Blanc in einem Staatstelegramm ein H nach Bordeaux, das die Hausse der Rente anzeigen sollte. Um den Buchstaben zu kennzeichnen und sich überdies gegen Entdeckung zu sichern, gab er hinter dem H auch noch ein Irrungszeichen. Als aber nun der gleichfalls für die Blanc gewonnene Aufnahmebeamte in Bordeaux das ihm besonders signalisierte Staatstelegramm durchmusterte, war zu seiner und der Blanc großen Enttäuschung kein einzelner vielsagender Buchstabe und kein Irrungszeichen darin vorhanden. In Tours saß nämlich ein Beamter, der nicht ins Vertrauen gezogen war und dessen Auftrag dahin lautete, die Telegrammtexte vor der Weitergabe auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Dieser hatte das H mit dem Irrungszeichen gestrichen. Der Telegraphist in Paris weigerte sich in weiterer Folge, solche Zeichen zu geben. Man mußte also einen Beamten in Tours gewinnen. Auch dies gelang, und die Blanc fanden nun einen interessanten Weg, den Helfer in Tours tagtäglich über die Bewegungen der Rente durch ein kleines, unauffälliges Paketchen zu unterrichten, das mit dem am Morgen abgehenden Eilwagen von Paris nach Tours gelangte. Wenn z. B. die dreiprozentige französische Rente eine Hausse von mindestens 25 Centimes aufwies, so sandte der Beauftragte der Blanc in Paris, ein gewisser Gosmand, ein Päckchen mit Handschuhen an den Telegraphenbeamten in Tours, namens Guibot, der auf der Adresse wohlweislich als Fabrikant von Handschuhen und Strümpfen bezeichnet war. Gab es aber eine Baisse von mindestens dem gleichen Betrage, so sandte Gosmand Strümpfe oder Krawatten. Auf die Adresse dieses Paketchens war ein Buchstabe oder eine Ziffer geschrieben, die Guibot dann sofort mit Irrungszeichen einem Staatstelegramm nach Bordeaux anfügte.