Beschreibung
Eine berührende Liebesgeschichte zwischen Phantasie und Wirklichkeit Der reiche Kaufmann Clay kennt lange Zeit nur eine Lektüre, die seiner Kontobücher. Bis er sich der »unsterblichen Geschichte« erinnert, die Seeleute seit Jahrhunderten erzählen: Ein alter Mann »kauft« einen jungen, der an seiner Statt einen Nachkommen zeugen soll. Clay will die phantastische Episode um jeden Preis zum Leben erwecken - doch in der von ihm inszenierten Liebesnacht geschieht Überraschendes. Auf anmutige Weise erzählt Tania Blixen (1885-1962), die »Scheherezade des Nordens«, vom Scheitern der vermeintlich unumschränkten Macht des Geldes an wahrer Liebe. Ihre märchenhafte Geschichte ist zugleich ein berührendes Gleichnis über die Unsterblichkeit der Poesie.
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Autorenportrait
Die Dänin Tania Blixen, 1885 in Rungstedlund bei Kopenhagen geboren, wanderte nach dem Studium der Malerei in Kopenhagen, Paris und Rom mit ihrem Ehemann, dem schwedischen Baron Blixen-Finecke, 1914 nach Kenia aus, wo sie zu schreiben begann. Die gemeinsame Kaffeeplantage führte sie nach der Scheidung alleine weiter, bis sie wegen der Weltwirtschaftskrise und nach dem tödlichen Unfall ihres Geliebten 1931 gezwungen war, in ihre Heimat zurückzukehren. Für «ihre» Kikuyus hatte sie ein Bleiberecht auf der Farm erwirkt. Der Vorort von Nairobi, in dem die Hütten standen, trägt noch heute ihren Namen. 1962 starb sie in Rungstedlund. Mit ihrem autobiografischen Roman, der unter den Titeln «Afrika - dunkel lockende Welt» und «Jenseits von Afrika» erschienen ist, wurde Blixen weltberühmt. Sie zählt heute zu den populärsten Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts.
Leseprobe
Herr Clay In den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts lebte in Kanton ein ungeheuer reicher Teehändler, ein gewisser Herr Clay. Er war ein großgewachsener, ausgedörrter und verschlossener alter Mann. Er besaß ein prächtiges Haus und eine hochelegante Equipage und saß in beidem steifrückig, schweigsam und allein. Unter den in Kanton lebenden Europäern hatte Herr Clay den Ruf eines eisenharten Mannes und eines Geizhalses. Die Menschen hielten sich von ihm fern. Sein Aussehen, seine Stimme, die Art seines Auftretens hatten ihm diesen Ruf eingetragen, mehr als irgendwelche Tatsachen, die gegen ihn gesprochen hätten. Doch gab es zwei oder drei Geschichten über ihn, die immer wieder erzählt wurden und die die allgemeine Meinung über diesen Mann zu bestätigen schienen. Eine von den Geschichten hatte folgenden Inhalt: Vor fünfzehn Jahren hatte sich ein französischer Kaufherr, der früher einmal Herrn Clays Sozius gewesen war, sich aber nach einem Streit mit ihm selbständig gemacht hatte, durch unglückliche Spekulationen ruiniert. Als eine letzte Chance versuchte er, eine Ladung Tee an Bord des Klippers "Thermopylae" zu verschiffen, der zu der Zeit ladebereit im Hafen lag. Doch schuldete er Herrn Clay die Summe von dreihundert Guineen, und so legte der Gläubiger seine Hand auf den Tee, brachte seine eigene Teeladung auf der "Thermopylae" unter und ruinierte seinen Konkurrenten durch diesen Streich endgültig. Der Franzose verlor alles, sein Haus wurde verkauft, und er saß mit seiner Familie auf der Straße. Als er aus seinem Unglück keinen Ausweg mehr wußte, beging er Selbstmord. Der französische Kaufherr war ein begabter und herzlicher Mann gewesen; er hatte eine reizende Frau und eine große Familie besessen. Da er sich in den Augen seiner Freunde von der steinernen Gestalt des Herrn Clay unterschied, bildete sich um ihn ein Strahlenkranz heiterer, liebenswürdiger Züge, und sie veranstalteten eine Geldsammlung für die Witwe. Doch kam infolge der Rivalität zwischen der französischen und der englischen Kolonie in Kanton nicht viel dabei heraus, und schon nach kurzer Zeit verschwand die französische Dame mit ihren Kindern aus dem Gesichtskreis der Freunde. Herr Clay übernahm das Haus des Verstorbenen, eine große, schöne Villa mit einem weitläufigen Garten, in dem Pfauen auf dem Rasen einherstolzierten. Dort lebte er noch immer. Im Laufe der Zeit hatte die Geschichte den Charakter eines Mythos angenommen. Monsieur Dupont, wurde erzählt, habe an seinem letzten Lebenstag seine hübsche, zarte Frau und seine hoffnungsvollen Kinder um sich versammelt. Da ihr ganzes Elend, erklärte er, in dem Augenblick begonnen habe, da er zum erstenmal das Gesicht des Herrn Clay erblickte, wolle er sie durch einen feierlichen Schwur verpflichten, daß sie nie wieder, an keinem Ort und unter keinen Umständen in dieses Gesicht schauten. Ferner wurde erzählt, als der Augenblick kam, da er das Haus verlassen mußte, auf das er sehr stolz war, habe er die darin befindlichen Kunstgegenstände Stück für Stück verbrannt oder zerschlagen mit der Behauptung, kein Ding, das zur Verschönerung des Lebens gemacht sei, werde es je über sich ergehen lassen, mit dem neuen Hausherrn zusammenzuleben. Doch habe er in allen Räumen die hohen, goldgerahmten Spiegel zurückgelassen, die er sich aus Frankreich hatte kommen lassen und die bis jetzt nur heitere Szenen eines zärtlichen Familienlebens gespiegelt hatten. Seine Erklärung dazu war, es solle die Strafe seines Mörders sein, auf Schritt und Tritt das Bildnis des Henkers vor sich zu sehen. Herr Clay richtete sich in dem Haus ein und speiste dortselbst in Einsamkeit, Aug' in Aug' mit seinem Bildnis. Es bleibt zweifelhaft, ob er den Mangel an Freundlichkeit in seiner Umgebung je gewahr wurde; denn der Gedanke der Freundlichkeit war nie in seinen Lebensplan eingedrungen. Wenn die Dinge einzig ihm überlassen geblieben wären, würde er sie genau so angeordnet haben, wie sie waren, und es war für ihn völlig natürlich zu glauben Leseprobe