Beschreibung
20. Januar 1976: Die 25-jährige Studentin Margherita Magello wird in ihrem Zimmer in Padua mit 59 Messerstichen ermordet. Massimo Carlotto, 19 Jahre, Student und Mitglied der linksradikalen Bewegung entdeckt das Opfer und geht zur Polizei, um den Vorfall zu melden. Er wird festgenommen und wegen Einbruchs angeklagt. Es beginnt ein beispielloser Schauprozess. Kurz vor der Urteilsverkündung flieht Carlotto nach Paris und von dort einige Jahre später nach Mexiko. Unter politisch Verfolgten und brutalen Verbrechern lernt er zu überleben, ohne den Verstand zu verlieren.
Autorenportrait
Massimo Carlotto, geboren 1956 in Padua, ist einer der erfolgreichsten Schriftsteller Italiens. Als Sympathisant der extremen Linken wurde er in den 1970er Jahren zu Unrecht wegen Mordes verurteilt. Nach fünfjähriger Flucht und einer Gefängnisstrafe von sechs Jahren wurde er 1993 begnadigt. Er lebt heute auf Sardinien.
Leseprobe
Für Silvia Baraldini Die dem ersten Kapitel vor angestellten Zeilen stammen aus dem Theaterstück Nessuno (Niemand) von Luciano Nattino und Antonio Catalano von der Compagnia Teatrale Alfieri aus Asti. Vor den anderen Kapiteln werden Songs von Stefano Maria Ricatti zitiert (von der CD Blu - Ed. Rossodisera), einem Sänger, Autor, Komponisten und guten alten Freund. Seine Platten liegen mir besonders am Herzen, sie haben mir in ungezählten schlaflosen Nächten beigestanden. Überhaupt möchte ich mich bei all den vielen Künstlern bedanken, die mir über die Jahre ihre Solidarität, Freundschaft und Unterstützung geschenkt haben. EINFÜHRUNG Meine Vergangenheit war schweres Gepäck. Um es abwerfen und mich endlich der Zukunft zuwenden zu können, benötigte ich fünf große Holzkisten. In einwöchiger akribischer Arbeit archivierte ich sechsundneunzig Kilogramm Gerichtsakten, Tausende Briefe und Telegramme, Hunderte Zeitungsartikel, Dutzende Videokassetten mit Aufzeichnungen verschiedener Fernsehsendungen, vor allem Talkshows. Diese fünf Kisten befinden sich jetzt im Keller; ihr Inhalt dokumentiert die letzten achtzehn Jahre, fast die Hälfte meines Lebens. Ich bin ein Stück Justizgeschichte, der 'Caso Carlotto'. Auf der Straße, im Zug oder im Flugzeug werde ich oft angesprochen: 'Heh, Sie sind doch der Fall Carlotto!' Nicht nur, dass ich als der langwierigste und meistdiskutierte Fall der italienischen Rechtsgeschichte bekannt bin, ich werde auch an den Universitäten studiert, als Extremfall, einer, der sich nicht wiederholen wird. Kein italienischer Bürger wird erneut einen solchen Prozess durchmachen müssen wie ich. Es ist rechtstechnisch unmöglich. Das macht mich zu einem menschlichen Fall, einem raren Beispiel für die systematische - zynische und betrügerische - Zerstörung eines Lebens. Auch wenn ich nicht der Ansicht bin, dass Pech ansteckend ist, wollte ich das doch sofort klarstellen, damit jeder leichten Herzens entscheiden kann, ob er weiterliest oder nicht. Diese Geschichte begann am 20. Januar 1976, da ich als Zeuge eines Verbrechens bei den Carabinieri vorsprach, und endete am 7. April 1993, dem Tag, als der Präsident der Republik beschloss, den Fall durch einen Gnadenerlass abzuschließen. Ich habe sechs Jahre im Gefängnis gesessen, habe elf Prozesse über mich ergehen lassen müssen, in jeder Instanz bis hin zum Verfassungsgericht; es haben sich sechsundachtzig Richter und fünfzig Gutachter mit dem Fall befasst, und am Ende wäre ich beinahe an einer Krankheit gestorben, die mir der Knast eingebracht hat. Was meine Schuld oder Unschuld angeht, haben die betroffenen Gerichte einander stets aufs Neue widersprochen und dabei nicht mit scharfer Kritik gespart. Den Vogel schossen die Richter des letzten Verfahrens ab, die mich als sehr, sehr schuldig hinstellten und in ihrer schriftlichen Begründung ausführten: 'Mit diesem Urteil wünscht der Gerichtshof aus dem ?Caso Carlotto? ein Verfahren zu machen, das die Würde des italienischen Justizwesens wiederherstellt' - eine seltsame Sicht, geteilt nur von den wenigen, die in der ungewöhnlich großen Anzahl von Verhandlungen eine Verwirklichung der rechtsstaatlichen Prinzipien sehen wollten. Ich hingegen habe mich immer als sehr, sehr unschuldig angesehen und bin überzeugt, dass ein unüberbrückbarer Abgrund zwischen den realen Geschehnissen und ihrer rechtlichen Bewertung klafft. Die Diskussion ist noch nicht beendet, sie erfreut sich bester Gesundheit und harrt dar auf, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg sich ihrer annimmt. Diese autobiographischen Aufzeichnungen handeln indessen nicht von den Gerichtsverfahren, sondern schildern die Situation des Verfassers - der jahrelang zu einem Leben im Untergrund, auf der Flucht gezwungen war - und seine Rolle während der letzten Monate der gerichtlichen Klärungsversuche. Ich habe sie aufgeschrieben, ohne mich selbst dabei allzu ernst zu nehmen, w Leseprobe
Schlagzeile
Die besten Krimis schreibt das Leben - die persönliche Geschichte des Starautors Massimo Carlotto