Beschreibung
Wie in der Kunst gehört auch in der Wirtschaftswelt eine ausgeprägte Wahrnehmungsfähigkeit zum Fundament sinnvollen Handelns und ist damit Grundlage des unternehmerischen Erfolgs. Selbstmotivation, genaues Hinhören und Hinschauen, die eigenen Fähigkeiten erkennen, den gesunden Menschenverstand einsetzen, Leidenschaft an kontrollierte Ziele binden, Entscheidungen zwischen Gefühl und Verstand balancieren: Anhand von aufschlussreichen Analogien und originellen Beispielen aus der Musikwelt rückt der Dirigent und Kommunikationsexperte Christian Gansch gestressten Managern den Dreiklang des Erfolgs ins Bewusstsein.
Autorenportrait
Christian Gansch, geboren 1960, ist klassisch ausgebildeter Musiker, Musikproduzent und Dirigent. Aufgrund seiner reichen Erfahrungen im Spannungsfeld von Kunst und Wirtschaft ist er seit vielen Jahren erfolgreich als Referent tätig. Er hat den Trend des Orchester-Unternehmen-Transfers begründet. Christian Gansch lebt in München.
Leseprobe
Vorwort: Der Dreiklang des ErfolgsWenn ein Künstler die Bühne betritt, ist dies der letzte Akt einer langen Entwicklung. Jahrelang hat er auf diesen Moment hingearbeitet. Bereits in seiner Kindheit und Jugend übte er täglich stundenlang auf seinem Instrument. Aber dieses Üben ist kein technischer Prozess, es bedeutet viel mehr, sich und seinen Körper in allen Nuancen einschätzen und kennenzulernen. Um ein fundiertes künstlerisches Konzept zu entwickeln, reicht es nicht, nur das Werk präzise zu analysieren. Der Musiker muss auch die Fähigkeit haben, genau wahrzunehmen, welche Strategien seinem Talent und seinen körperlichen Voraussetzungen entsprechen. Daraufhin muss er entscheiden, mit welchem technischen, stilistischen und individuellen Handwerkszeug er ein Werk umsetzen will. Diese Fähigkeiten erfordern eine permanente Balance von Emotionalität und Rationalität, die mit dem erklärten Willen zur Umsetzung in wechselseitiger Beziehung stehen mÜssen. Erst wenn der Künstler diesen Entwicklungsgang von Wahrnehmen> Entscheiden> Handeln bewältigt hat, kann er die Bühne betreten und dort erfolgreich bestehen.In der Wirtschaftswelt denkt man in erster Linie in Kategorien des Entscheidens und Handelns. Das Wahrnehmungsvermögen wird vernachlässigt, obwohl es den Grundton dieses stimmigen Dreiklangs bildet. Und wenn der Grundton fehlt, verlieren Entscheidungen ihre Basis. Dann wird als Realität angesehen, was eigentlich nur ein Blendwerk derselben ist.Wenn Entscheidungen auf Wahrnehmungsfähigkeit beruhen, sind sie weder willkürlich noch Selbstzweck, sondern aus Überzeugung entstanden. Dadurch gewinnt eine Führungskraft die nötige Sicherheit, Situationen präziser einzuschätzen und Widerstände auszuhalten.Ein solcher Prozess der Meinungsbildung ruft förmlich nach Umsetzung. Er erzeugt bei Managern die Lust und den Willen zu handeln und fördert gleichzeitig ihre Authentizität.Das fruchtbare Zusammenspiel von Wahrnehmen> Entscheiden> Handeln sollte auch im Wirtschaftsleben der Leitfaden für eine neue Führungskompetenz sein. Diese ist weniger auf den Augenblick als auf Nachhaltigkeit ausgerichtet und unterstützt somit langfristig die Substanz eines Unternehmens.Mein Buch soll den Lesern Anregung sein, ihre Führungskompetenz künftig zuverlässiger und souveräner auf Basis dieses Dreiklangs, ganz ihrem Charakter und individuellen Vermögen entsprechend, zu entfalten.München, Juni 2008WahrnehmenDie 360-Grad-WahrnehmungJe höher der berufliche Druck, desto mehr verengt sich das Gesichtsfeld. Dieser Tunnelblick ist eine verständliche Abwehrreaktion, wenn sich der Mensch Überfordert fühlt. In bedrohlichen Situationen kann ein kurzfristig verengter Fokus eine schnelle und hilfreiche Reaktion auslösen, aber danach muss sich das Gesichtsfeld sofort wieder weiten. Dauerstress unterdrückt die Wahrnehmungsfähigkeit. Der Tunnelblick darf nicht zum alltäglich eingesetzten Managementinstrument werden, um damit unsere Handlungsfähigkeit zu gewährleisten. Die Befähigung, im Berufsalltag eine offene 360-Grad-Wahrnehmung durchzuhalten, ist bisweilen anstrengend, wird aber mit Erfolg belohnt. Das Bewusstsein, mit bestem Wissen und Gewissen widersprüchlichste Aspekte erkannt und geprüft zu haben, hält auch stärksten Gegenwind aus. Man erwirbt Standvermögen und Sicherheit, wenn man sich nicht mit blindem Aktionismus zufrieden gibt und mehr schlecht als recht in Not-Entscheidungen flüchtet.Offenheit kontra TunnelblickWenn ein Dirigent ausschließlich diejenigen Instrumentengruppen des Orchesters auswählt und dirigiert, deren Ton ihn persönlich befriedigt oder die er selbst spielen kann, dann wird er niemals einen harmonischen Gesamtklang formen können, in dem das gesamte Orchester mit seinem Reichtum an Farben zur Geltung kommt. Er muss alle Stimmen wahrnehmen und sie in ihrer Unterschiedlichkeit berücksichtigen, um der vielschichtigen Partitur nicht nur in Teilaspekten gerecht zu werden. Der Tunnelblick eines Dirigenten würde konzeptionell wichtige Instrumente und Gruppen mangels Herausforderung verkümmern lassen, gleichzeitig würden zweitrangige Nebenstimmen das Werk dominieren. Ein fatales Ungleichgewicht in Bezug auf einen umfassenden Gesamtklang wäre die Folge.Viele schreiben sich ein hohes Maß an Offenheit zu, berücksichtigen aber nicht ihren halbautomatisch wirkenden Wahrnehmungsfilter, der hauptsächlich für das Selbstwertgefühl arbeitet, indem er die angenehmen und unkritischen Aspekte, also die eigenen Wunschvorstellungen betont.Wenn beispielsweise ein Manager lange für die Realisierung einer Sache gekämpft hat, will er sie manchmal selbst dann noch durchziehen, wenn sie aufgrund veränderter Umstände eigentlich nicht mehr gerechtfertigt ist. Anstatt die neuen Bedingungen zu erkennen und seine Strategie zu korrigieren, konzentriert sich sein Streben darauf, einen Gesichtsverlust möglichst zu vermeiden. Dabei wird fast immer vergessen, dass eine umfassend begründete Korrektur meistens honoriert wird und einen Imagegewinn zur Folge hat.Der Wahrnehmungsfilter ist auch aktiv, wenn Manager prinzipiell Entscheidungen bevorzugen, die auf Akzeptanz und wenig Widerstand stoßen. Denn eine ausgeprägte Wahrnehmungsfähigkeit führt naturgemäß zu Entscheidungen, die weniger das eigene Ego als die Sache zum Inhalt haben.Innerhalb des Orchesters bildet eine ausgeprägte 360-Grad-Wahrnehmung die Grundlage des gemeinsamen Handelns, auch wenn viele Konzertbesucher glauben, dass Orchestermusiker eindimensional auf den Dirigenten ausgerichtet sind. Musiker nehmen die Instrumentengruppen hinter sich durch ein sehr waches Hinhören wahr, und die Kollegen, die im 180-Grad-Radius um sie herum platziert sind, zusätzlich mittels Augenkontakt. Jeder Einzelne versteht sich als Mittelpunkt eines Wahrnehmungskreises, der alle Informationen um ihn herum aufsaugt, während er gleichzeitig Informationen an sein Umfeld sendet, im Wissen, dass diese von der 360-Grad-Wahrnehmung der anderen empfangen werden.Nichts wäre im Orchester schlimmer als beispielsweise ein Geiger, der bei einer generellen Beschleunigung des Tempos einfach stur weiterfiedeln würde wie gehabt. Solche Charaktere mit Tunnelblick registrieren erst, wenn das Licht ausgeht, dass sowohl Kollegen als auch Zuhörer schon längst den Saal verlassen haben.Besonders scharfsinnige Persönlichkeiten rechtfertigen ihren Tunnelblick oft mit geschickten Argumenten, ohne sich ihrer Selbstbeschränkung bewusst zu sein. Die Auslöser für dieses Verhalten sind oft Ignoranz und Bequemlichkeit, denn es erfordert eine hohe Bereitschaft, sich langfristig eine innere Lebendigkeit, Offenheit und Neugierde zu bewahren. Gleichzeitig verselbstständigt sich eine Über Jahre gelebte Wahrnehmungsreduzierung oft so sehr, dass sie irgendwann mit dem Charakter verschmilzt und zum zweifelhaften Maßstab für Beurteilungen wird. Dadurch beraubt man sich am Ende tatsächlich der Fähigkeit, zwischen Schein und Wirklichkeit zu unterscheiden.Manchmal filtert und kanalisiert man die Wahrnehmung ganz bewusst, im Sinne einer künstlichen Stabilisierung des eigenen Egos, ohne ergründen zu wollen, was der tiefere Grund dieser freiwillig auferlegten Reduzierung ist.Es wäre somit einerseits logisch, andererseits eine Frage des Selbstverständnisses und der Verantwortung, sich manchmal zu hinterfragen, ob die eigene Wahrnehmung tatsächlich nur unwichtige Aspekte, die reine Zeitverschwendung wären, verhindern und unterdrücken will. Oder ob es sich vielleicht um bedenkenswerte Dinge handelt, die man in sich erst gar nicht zulassen will, um nicht das Ego und die eigenen Wunschvorstellungen zu gefährden. Es ist so banal wie schwierig umzusetzen: Wahrnehmung verlangt uns zuallererst Wahrnehmungsbereitschaft ab.Eine offene, wahrnehmungsfähige Führungskraft demonstriert, dass sie sich ihrer Verantwortung für Mitarbeiter, Team und Unternehmen bewusst ist und sich dieser Herausforderung umfassend stellen will. Gleichzeitig verliert eine Führungskraft an Autorität, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spüren, dass sie sich nur die positiven, angenehmen und stabilisierenden Eindrücke aus dem 360-Grad-Wahrnehmungskuchen herauspickt, um ein möglichst souveränes Bild abzugeben und das Image zu vermitteln, Über den Dingen zu stehen.Heutzutage wird einem Manager bereits ein hohes Berufsethos zugeschrieben, wenn er sich einer Herausforderung offen und ehrlich stellt, ohne unentwegt nur auf die Wirkung in Bezug auf das eigene Ego zu schielen. Manche bewundern beispielsweise die Souveränität einer Führungskraft, die aufgrund neuer Einsichten ihren heftig vertretenen Standpunkt ändert und dies auch ganz offen zugibt. Ich lehne diese Verklärung ab. Denn damit verleiht man einer Selbstverständlichkeit, die das Basis-Handwerkszeug einer jeden Führungskraft ausmacht, eine Auszeichnung, die sie nicht verdient.Man bewundert ja auch keinen Musiker dafür, dass er stets genau und offen auf alle Mitspieler um ihn herum hört, mit denen er auf der Bühne zusammenspielt. Dieses Verhalten beweist schlicht seine Professionalität. Mit Berufsethos hat es nichts zu tun. Es ist die erste Aufgabe einer Führungskraft, Einflüsse unterschiedlichster Natur für eine Beurteilung wahrnehmen zu wollen, ohne alles immer nur rückbezüglich auf den eigenen Nutzen zu filtern.Eine offene 360-Grad-Wahrnehmung ist nicht immer leicht zu ertragen. Das sollte jedoch nicht dazu verführen, in die daraus gewonnenen Informationen die individuellen, heimlichen Wunschvorstellungen hineinzuinterpretieren. Zwar nimmt man bei dieser Strategie noch wahr, was tatsächlich Realität ist, aber gleichzeitig versucht man sie zu beugen, indem man ihr die eigenen Ziele und Bedürfnisse aufzwingt. Manches muss man einfach so akzeptieren, wie es ist, und dann auch so stehen lassen.Bisweilen erinnern Manager bei ihren Versuchen, sich die unangenehme Wirklichkeit schönzudenken, an die bösen Schwestern im Grimmschen Märchen Aschenputtel, die sich absichtlich unter Schmerzen verstümmeln, indem sie sich ihre Zehen und Fersen abhacken, in der Hoffnung, danach in den goldenen Schuh zu passen.Je mehr Offenheit eine Führungskraft ausstrahlt, desto höher schätzen Mitarbeiter intuitiv deren wahres Selbstbewusstsein ein. Diese Offenheit zeigt sich beispielsweise in einem wachen und von Hierarchien absehenden Blick von Mensch zu Mensch, einer Körpersprache, die nicht Abwehr, sondern Zugänglichkeit signalisiert, und in einem Gesprächsstil, der nicht wie eine lästige Pflicht wirkt, die sich in belanglosen, leeren Floskeln erschöpft.Umgekehrt kann man sagen: Je ausgeprägter der Tunnelblick einer Führungskraft, desto mehr demonstriert sie die eigene Ur-Angst vor mangelnder Zustimmung und Akzeptanz. Dann beschleicht Mitarbeiter das permanente Unbehagen, nicht an sie ranzukommen, nicht gehört und letztlich nicht geschätzt zu werden. Meist ist eine solche Führungskraft umgeben von einer Aura der permanenten Überforderung. Ihr verengtes Gesichtsfeld baut langfristig in ihr Druck und Spannungen auf, die in der Folge nach außen hin nicht ohne Wirkung bleiben, und dies begünstigt wiederum bei den Mitarbeitern den Tunnelblick aufgrund von Abwehr und Verunsicherung. Ein Teufelskreis.Nachdem in der heutigen Wirtschaftswelt nur die harten Fakten zum Maßstab genommen werden, lassen wir unsere Wahrnehmung, die mehr im Verborgenen wirkt, kläglich verkümmern. Es führt aber kein Weg daran vorbei: Wir müssen diese Fähigkeit wieder aktivieren, um besser entscheiden und handeln zu können. Allerdings sollte das nicht der einzige Motivationsgrund sein, denn Wahrnehmung bedeutet vor allem Lebensqualität. Selbstverständlich ist dieser Weg bisweilen steinig, er bietet aber beste, bisweilen sogar Überwältigende Aussichten. Hingegen kann unsere Tendenz, lieber auf weichen, ausgerollten roten Teppichen zu wandeln, während uns das Publikum an der Seite freundlich applaudiert, verhängnisvoll in eine Sackgasse führen.Ein Weinbauer mit Tunnelblick würde ohne Zweifel kläglich scheitern. Boden, Trauben, Sonne und Feuchtigkeit sind in jedem Jahr aufs Neue zu bewerten. Er wird die Natur konstant mit wachem Auge und Sensibilität beobachten, um den richtigen Zeitpunkt für die Weinlese daraus abzuleiten. Niemals würde er auf die Idee kommen, erfolgreiche Vorjahre als allzeit gültigen Maßstab zu nehmen, nach dem er sich künftig blind und schablonenhaft richtet. Er wird seine Entscheidungen und Handlungen weder von seinem Wunschdenken noch von dem der Kunden abhängig machen. Nur seine unmittelbare Wahrnehmungsbereitschaft für das, was tatsächlich in der Natur um ihn herum passiert, inklusive aller unvorhersehbaren Überraschungen, bringt ihm den erwünschten Erfolg.Sensibilität kann irritierenAls Künstler macht man immer wieder aufs Neue die leidvolle Erfahrung, dass einen gerade Musik, die man intensiv empfindet, unvermittelt aus dem Konzept wirft. Denn um ein hohes Niveau zu bieten, braucht man nicht nur innere Lebendigkeit und Einfühlungsvermögen, sondern stets auch eine perfekte technische Präzision. Als ich einmal im Orchester die 8. Symphonie von Bruckner spielte, wurde ich von der Musik so sehr ergriffen und mitgerissen, dass mir während des Konzerts plötzlich fast der Violinbogen aus der Hand fiel. Meine Sensibilität hätte dem Orchester und Publikum fast die Aufführung verdorben. Man muss sich als Künstler also einerseits schonungslos der Musik aussetzen, damit auch die Zuhörer nachhaltig berührt werden, andererseits darf man die Grenze nicht Überschreiten, welche garantiert, dass man die technischen Fertigkeiten kontrollieren kann. Katastrophal wäre der Versuch, alle Sensibilität sicherheitshalber zu blockieren, damit man das Konzert technisch hürden- und einwandfrei zu Ende bringen kann. Mit dieser Strategie wären Sinn und Zweck eines Konzerts grundsätzlich verraten und wertlos geworden.Grundsätzlich gehört es zum Wesen wahrer Sensibilität, dass sie Verunsicherungen verursachen kann. Das sollte kein Anlass sein, sich lieber wieder reflexartig abschotten und sogleich auf sicheres, Überschaubares Terrain begeben zu wollen. Die entscheidende Frage ist, ob man diese Irritationen zutiefst persönlich nimmt und dadurch verunsichert wird, bis hin zu einer Minderung des Selbstwertgefühls. Man muss bei einer offenen, filterlosen Wahrnehmung stets mit Irritationen rechnen, da man niemals im Voraus absehen kann, ob sich Sinneseindrücke positiv oder negativ auswirken. Zum Trost sei gesagt, dass man dann jedenfalls nicht in Traumwelten ohne Realitätsbezug lebt. Wenn man lernt, bei kurzfristigen Verwirrungen etwas Distanz einzunehmen, und sie als interessanten und lehrreichen Faktor begreift, können diese eine fruchtbare Entwicklung anstoßen.Versucht man hingegen, Verunsicherungen weitgehend zu vermeiden, wird zwar zunächst das Selbstwertgefühl stabilisiert, aber nur, um bei der ersten harten Konfrontation mit der Realität zusammenzubrechen. Verwunderlich ist die Tatsache, dass sich andere Menschen von diesem Pseudo-Selbstbewusstsein oft beeindrucken lassen. Wahrscheinlich nicht zuletzt deswegen, weil sie selbst unbewusst ebenso von ihrem Tunnelblick und ihren Wunschvorstellungen beherrscht sind. Eine sensible Wahrnehmung kann jedoch verhindern, auf Menschen hereinzufallen, deren Selbstbewusstsein auf Ignoranz und Inkompetenz beruht.Menschen entwickeln sich zu authentischen Persönlichkeiten, wenn sie sich nicht abschotten, sondern alle Abstufungen von Eindrücken in sich zulassen und diese mit Selbstkritik einerseits und Selbstbewusstsein andererseits für sich zu nutzen wissen. Jegliches Ausklammern kostet Kraft, blockiert und führt wie in einem Teufelskreis zu einer noch heftigeren Abschottung vor realistischer, ehrlicher Wahrnehmung und zum panikartigen Versuch, sich seine Welt ausschließlich nach persönlichem Wohlbefinden und Gutdünken zusammenzubasteln.Bei einer Führungskraft hat dieser sich selbst stabilisierende Tunnelblick, der nur mehr fähig ist, andere Tunnel zu erkennen, verheerende Auswirkungen. So, als würde man auf einer Fahrt durch die Schweiz die bunte, vielfältige Bergwelt gar nicht mehr sehen, nur den nächsten dunklen, engen Tunnel, der einem Sicherheit und ein klar Überschaubares Blickfeld bietet. Das gleißende Licht am Ende der Röhre, die Farben, die Gletscher, der Wind, die Regenschauer, all das würde nur als Mühe und Überreizung der Sinne empfunden. Und schon bewegt man sich auf das nächste schwarze Loch zu, ein Gefühl der Erlösung in dieser so wahnsinnig vielfältigen Welt.Deswegen müssen sich verantwortungsvolle Manager stets darüber im Klaren sein, dass ihr Unternehmen in einer komplexen und interaktiven Welt agiert und nicht auf einem abgeschotteten Markt. Wer dafür nicht den Blick hat, ist fehl am Platz.Man führe sich Platons berühmtes Höhlengleichnis vor Augen, das von Menschen handelt, die in einer unterirdischen Höhle festgebunden sind und immer nur auf die ihnen gegenüberliegende Höhlenwand schauen können. Hinter ihnen brennt ein Feuer, und zwischen dem Feuer und ihren Rücken werden Gegenstände vorbeigetragen, die Schatten an die Wand werfen. Nach diesem Gleichnis sind es die Schatten der Dinge - sie stehen für unsere sinnlich wahrnehmbare Welt -, nicht die Dinge selbst, die wir sehen können. Nur die Befreiung aus dieser Lage, der Blick zurück ins blendende Feuer und der Aufstieg aus der Höhle führen auf den Weg der Erkenntnis.Es ist, als ob wir in unserem Alltag bequem in einer dunklen Höhle leben, deren enger Horizont uns in einer Überschaubaren Welt Sicherheit bietet. Jeder Versuch, unser Gesichtsfeld zu weiten, wird uns einige Mühen und Verwirrungen bescheren. Aber letztlich erlangen wir nur auf diesem Wege Erkenntnis und auch eine fundierte und glaubwürdige Entscheidungs- und Handlungskompetenz. Nicht nur Menschen, die Verantwortung tragen, sollten sich dieser Haltung verschreiben. Schon das damit verbundene Vermögen, künftig uns selbst und unser Umfeld besser zu verstehen, spricht dafür.Wir haben ein intuitives Gefühl für die Realität, auch wenn wir uns im Laufe der Jahre einige Wahrnehmungsfilter eingebaut haben. Sei es aus Selbstschutz oder aus mangelndem Willen, sich mit der Welt auseinanderzusetzen. Leider wird das Leben damit nur scheinbar einfacher und Übersichtlicher, denn langfristig steht das Selbstwertgefühl auf sehr brüchigem Boden, der bei der ersten Belastung einzustürzen droht. Ein dauerhaft fundiertes Selbstbewusstsein muss immer wieder auf Basis eines wahrnehmungsoffenen Realitätsbezugs errungen werden.Fast jeder Mensch kommt irgendwann im Leben an einen Punkt, wo er spürt, dass die alten Filter-Strategien nicht mehr funktionieren. Aber wenn er versucht, diese Filter plötzlich zu deaktivieren, trifft ihn die Wirklichkeit bisweilen unvorbereitet hart. Schutzlos ist er plötzlich Intrigen, Neid, Machtkämpfen, dem Aktionismus anderer oder einer unerträglichen Oberflächlichkeit ausgesetzt. Ein Gefühl der Melancholie und Sinnlosigkeit kann die Folge sein.Diese anfänglichen Mühen dürfen nicht der Anlass sein, sogleich wieder "zuzumachen" und den vertrauten Wahrnehmungsschutz einzuschalten! Wir müssen diese ersten Hindernisse ganz entspannt als natürliche Reaktion begreifen, weil wir eben noch nicht geübt darin sind, all die vielen Eindrücke, die plötzlich ungehindert wie Meteoriten auf uns einschlagen, einzuordnen. Wenn wir nicht aufgeben, werden wir belohnt. Die anfängliche Überforderung der Sinne wird sich auflösen, die Luft wird klar und erfrischend sein nach den ersten wilden Gewitterstürmen. Und plötzlich treten auch die angenehmen und heilsamen Seiten unversperrt in unser Blickfeld, die wir aufgrund unseres Wahrnehmungsdefizits früher überhaupt nicht in dieser Intensität und Dichte vermutet hätten:Wir werden nämlich nach und nach gewahr, dass es eine Fülle positiver Einflüsse in unserem Umfeld gibt wie Unterstützung, Vertrauen, Ehrlichkeit, Respekt, Wärme und Menschlichkeit.Es entspricht dem Wesen einer sensiblen Wahrnehmung, dass man nicht nur für die schönen und positiven Eindrücke offen sein kann bei gleichzeitigem Bemühen, die unangenehmen auszugrenzen und erst gar nicht an sich ranzulassen. Man bekommt leider immer beide Seiten der Medaille und zusätzlich noch unzählige Schattierungen dazwischen zu spüren. Aber wir werden all diese Dinge bewusster, direkter, ehrlicher und durchdringender erleben.Wenn sich diese neue innere Offenheit langsam stabilisiert hat, Überfordert uns die unberechenbare Fülle der Eindrücke nicht mehr. Wir werden unterscheiden und Prioritäten setzen können.Und unser Interesse richtet sich dann entspannt auf die Vielfalt und Widersprüchlichkeit der menschlichen Natur. Vielleicht beschleicht uns manchmal sogar mit Augenzwinkern die Ahnung, dass wir alle zusammen betrachtet ziemlich erstaunliche und seltsam getriebene Wesen sind und deshalb eigentlich schon wieder liebenswert.
Inhalt
Inhalt
Vorwort: Der Dreiklang des Erfolgs 11
Wahrnehmen
Die 360-Grad-Wahrnehmung 15
Offenheit kontra Tunnelblick 16
Sensibilität kann irritieren 21
Ein dickes Fell bedrückt 25
Einsichten sind Privatsache 28
Wahrnehmung ist Lebensqualität 31
Wahrnehmung braucht Selbstprüfung 35
Wenn Wunschvorstellungen blockieren 35
Der einseitige Röntgenblick 38
Guter Rat ist teuflisch 43
Offenheit braucht Gelassenheit 50
Kein Wert ohne Bewertung 54
Zwischen Gefühl und Verstand 57
Man darf nicht trennen, was zusammengehört 58
Die Macht der Bilder: Kompetenz oder Maskerade 61
Intuition braucht Initiative 68
Wenn das Bauchgefühl trügt 71
Entscheiden
Selbst denken statt Ideologien 77
Ideologien verhindern Individualität 79
Die freiwillige Selbstaufgabe 82
Krampf statt Unternehmenskultur 84
Wer auftritt, muss spielen 91
Entscheiden heißt Abschied nehmen 93
Das Zögern der Kultivierten 97
Wenn man das Ruder loslässt 100
Die Auswahl der Mitspieler 103
Kompetenz durch Distanz 106
Entscheidungsfindung im Team 109
Die Kunst der Improvisation 117
Techniken der Improvisation 118
Der moralische Kontext 121
Innere Dynamik statt Überraschungscoup 123
Improvisation braucht Realitätsbezug 126
Handeln
Umsetzungshürden 133
Keine Motivation ohne Information 134
Künstliche Organigramme behindern 137
Selbstmotivation ist aller Arbeit Anfang 140
Wenn Marketing Innovationen verhindert 145
Verantwortung, Druck, Ängste 151
Stress und die Kunst der Abgrenzung 151
Beharrlichkeit erzeugt Gegendruck 156
Wie aus Ängsten Selbstvertrauen wird 160
Wenn Manager mit Ängsten spielen 165
Der Stil des Handelns 171
Inhalt statt Ego 171
Führung braucht Klarheit 176
Kleiner Fehler, großer Schaden 179
Leidenschaft braucht Träume 188
Schlagzeile
Ein neuer Ton im Management
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