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Stiften, Schenken, Prägen

Zivilgesellschaftliche Wissenschaftsförderung im Wandel

Erschienen am 04.10.2011, 1. Auflage 2011
29,00 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593394831
Sprache: Deutsch
Umfang: 206 S.
Format (T/L/B): 1.3 x 21.3 x 14 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Die Förderung von Forschung und Lehre durch nicht-staatliche Stiftungen und Zuwendungen nimmt zu. Sie ist unverzichtbar, aber umstritten, denn Wissenschaftsförderung ist bei uns eine öffentliche Aufgabe, hauptsächlich in staatlicher Regie. In diesem Band werden deren Ausmaß und Formen, Effektivität und Innovationskraft zivilgesellschaftlicher Wissenschaftsförderung im historischen Überblick, im historischen Vergleich und an konkreten Beispielen diskutiert.

Autorenportrait

Jürgren Kocka war von 1973 bis 1988 Professor für Allgemeine Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Sozialgeschichte an der Universität Bielefeld und von 1988 bis 2009 Professor für die Geschichte der industriellen Welt an der FU Berlin. Günter Stock ist Physiologe; er war von 2006 bis 2015 Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, von 2008 bis 2015 Präsident der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften.

Leseprobe

Gegenstand dieses Bandes ist die zivilgesellschaftliche Wissenschaftsförderung. Im Mittelpunkt stehen Stiftungen, Schenkungen, Spenden, Initiativen und andere Engagements, die weder von staatlichen Stellen nach politischen Zielsetzungen noch von Wirtschaftsunternehmen nach marktwirtschaftlichen Erwägungen initiiert und getragen werden, sondern in dem großen Bereich zwischen Staat, Markt und Privatsphäre wurzeln, den man als zivilgesellschaftlich oder bürgergesellschaftlich bezeichnet. Zwar sind die Unterscheidungslinien zwischen Zivilgesellschaft, Staat und Markt in der Realität nicht immer scharf durchgezogen. Bei der hier gemeinten "zivilgesellschaftlichen Wissenschaftsförderung" soll es primär um nichtstaatliche und zugleich nichtkommerzielle Engagements gehen, bei denen Stiftungen, Vereine, Familien und Einzelpersonen selbstständig und selbstorganisiert private Ressourcen für öffentliche Belange einsetzen, die der Entwicklung der Wissenschaft dienen. Zivilgesellschaftliches Engagement hat im Allgemeinen die unterschiedlichsten Ziele. Es dient sozialen Zwecken, der Förderung von Kunst und Kultur, dem Naturschutz und der Umwelt, politischen Zielen auf lokaler, nationaler und transnationaler Ebene und anderem mehr. Hier soll es um Wissenschaftsförderung gehen, um die zivilgesellschaftliche Förderung wissenschaftlicher Forschung und Lehre. Der Forschungsstand zum Thema ist disparat. Die Zivilgesellschaft ist in den letzten Jahrzehnten zu einem wichtigen Gegenstand der Sozial- und Geschichtswissenschaften geworden (z. B. WZB-Jahrbuch 2003, Adloff 2005). Vielfältige Untersuchungen liegen zum Thema Stiftungen vor (z. B. Strachwitz/Mercker 2005, Adloff 2010, Anheier/Hammack 2010). Auch über das Verhältnis von Wissenschaft und Zivilgesellschaft, speziell über zivilgesellschaftliche Wissenschaftsförderung, ist gearbeitet worden. Einerseits liegen Forschungen zur jahrhundertelangen Geschichte von Mäzenatentum und Stiftungen vor, auch soweit diese der Förderung von Bildung und Wissenschaft dienten. Besondere Aufmerksamkeit fanden in Deutschland das bürgerliche Mäzenatentum als Alternative und Ergänzung zur staatlichen Förderung, beispielsweise in Preußen, die frühe Blüte zivilgesellschaftlicher Wissenschaftsförderung im Deutschen Kaiserreich, ihr Niedergang in der Zeit der Weltkriege und Diktaturen sowie ihr allmählicher Wiederaufschwung in der Bundesrepublik, der sich in den letzten Jahren beschleunigt hat (z. B. Braun/Braun 1993, Gaehtgens/Schieder 1998, Sprengel 2001, Kocka/Lingelbach 2007, Adam/Frey/Strachwitz 2009, Krull 2010, Spenkuch 2010). Der internationale Vergleich interessiert oft unter der Frage, ob und gegebenenfalls was über Grenzen hinweg von anderen Ländern gelernt werden kann (Anheier/Toepler 1998, Anheier/Daly 2004). Über die Effektivität und Legitimität von Stiftungen, auch von Wissenschaftsstiftungen, wird kontrovers diskutiert (Fleishman 2007, Schuler 2010, Strachwitz 2010). Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat Erhebungen zu Stiftungsprofessuren in Deutschland durchgeführt und damit einen wichtigen Teilaspekt der zivilgesellschaftlichen Wissenschaftsförderung untersucht (Frank u.a. 2009). Das sind nur Beispiele ausgewählter Literatur zum Thema. Weitere Hinweise finden sich in der angefügten Literaturliste. Die hier zusammengefassten Artikel dokumentieren Beiträge, die zu einer Tagung an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften im Herbst 2010 erarbeitet wurden. Ziel der Tagung war, Wissenschaftler, Wissenschaftsförderer und Wissenschaftsorganisatoren gemeinsam zum Thema diskutieren zu lassen. Angestrebt war eine Bestandsaufnahme, jedoch zugleich mit dem Ziel, Probleme zu identifizieren und zu deren Lösung beizutragen. Es seien hier jene Fragen und Themen zusammengefasst, die die Veranstalter bei der Vorbereitung besonders im Auge hatten. Es sollte deutlich werden, wie es um die zivilgesellschaftliche Wissenschaftsförderung heute in Deutschland steht - im Vergleich zu früheren Epochen und im Vergleich zu anderen Ländern, wobei der deutsch-amerikanische, zum Teil der europäisch-amerikanische Vergleich besonders interessierte. Wir wollten über Motive und Formen der zivilgesellschaftlichen Förderung diskutieren, aber auch über ihre Ursachen und Folgen, dies vor dem Hintergrund der stark dominierenden staatlichen Wissenschaftsförderung, die im Blick bleiben sollte. Wir wollten nach den Stärken der zivilgesellschaftlichen Wissenschaftsförderung fragen, um sie weiter zu entwickeln; aber auch nach ihren Schwächen und Problemen mit dem Ziel, sie zu mildern. Die Frage der Legitimität zivilgesellschaftlicher Wissenschaftsförderung sollte thematisiert werden. Viele setzen sich für eine weitere Verstärkung der zivilgesellschaftlichen Wissenschaftsförderung ein und werben dafür. Das gilt auch für die Veranstalter der Tagung, aus der dieser Band hervorging. Manche stehen ihr aber auch misstrauisch und kritisch gegenüber. Dient sie nicht nur als Notstopfen und zu kompensatorischen Zwecken, weil der Staat seine Aufgaben nicht hinreichend erfüllt? Öffnet sie nicht partikularen Interessen das Tor zur Ausübung sozialer, politischer und kultureller Einflussnahme auf einem Gebiet, dessen Gestaltung eine genuin öffentliche, staatliche Aufgabe ist und demokratischer Kontrolle zu unterliegen hat? Auf welcher Legitimationsgrundlage werden solche Einflüsse ausgeübt? Und was spricht für, was gegen die staatlichen Hilfestellungen, die - etwa in Form steuerlicher Begünstigungen - solcher Umsetzung privater Ressourcen in politischen Einfluss regelmäßig zugutekommen? Ist zivilgesellschaftliche Wissenschaftsförderung nicht ein Elitenprojekt in Konkurrenz zum demokratischen Staat?

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