Beschreibung
Rom-Mysteries: Spannend, packend, mitreißend Wir schreiben das Jahr 79 nach Christus. Die Freunde Flavia, Jonathan, Nubia und Lupus sind unzertrennlich. Zusammen lösen sie mysteriöse Kriminalfälle und erleben aufregende Abenteuer - im Auftrag der Wölfin, der Schutzherrin über die Ewige Stadt, Rom.
Autorenportrait
Die in London geborene Amerikanerin Caroline Lawrence zog schon früh mit ihren Eltern in die USA und wuchs in Kalifornien auf. Als sie ein Stipendium für Cambridge bekam, ging sie nach England zurück und studierte dort klassische Archäologie, anschließend
Leseprobe
SCHRIFTROLLE I
Lupus trommelte vor sich hin.
Er saß auf dem Holzfußboden des kleinen Zimmers und spielte auf seiner mit Ziegenleder bespannten Trommel: einen Rhythmus mit der rechten, einen mit der linken Hand. Er hatte die Augen geschlossen, aber das Muster, das er webte, sah er ganz deutlich vor sich. Die Schläge waren kleine schwarze Kieselsteine, die Pausen dazwischen weiße Steine. Er trommelte das Muster und baute immer mehr weiße und schwarze Steine auf, bis sie sich zu einem Geflecht verwoben. So wie die schwarzen und weißen Mosaikteilchen im Fußboden des Trikliniums im Erdgeschoss.
Immer wenn er solche Trommelmuster webte, verflogen alle anderen Gedanken. Und das war gut so. Der Mosaikrhythmus hob ihn empor und trug ihn mit sich. Das Einzige, was er wahrnahm, waren der Schmerz in seinen Unterarmen, das Kribbeln in den Fingerspitzen und das Muster, das sich in seinem Kopf verflocht.
'Lupus!'
Die Stimme hatte schon ein paarmal nach ihm gerufen. Er öffnete die Augen.
Jonathan saß auf seinem niedrigen Bett und stimmte sein syrisches Barbiton.
'Genug vorgetrommelt', sagte sein Freund grinsend. 'Lass uns spielen.'
Lupus nickte und starrte Jonathan an. Manchmal hatte er beim Trommeln das Gefühl zu träumen. Und wenn er dann aufhörte, war ihm, als erwachte er aus einer Art Trance: Alles kam ihm so sonderbar vor.
Auch sein Freund Jonathan sah sonderbar aus.
Vielleicht lag das an seinem Haar. Früher war es dicht und lockig gewesen, aber jetzt war es zu einer glatten dunklen Stoppelfrisur geschoren. Vielleicht lag es aber auch daran, dass er abgemagert war und seine dunklen Augen in seinem Gesicht so riesig wirkten. Oder es lag an dem Brandmal auf seiner linken Schulter, das immer noch rot und geschwollen war.
Jonathan ben Mordecai war vor kurzem elf geworden, aber er sah älter aus. Auch Lupus fühlte sich älter als achteinhalb. Seit man ihm die Zunge herausgeschnitten hatte, fühlte er sich nicht mehr wie ein Kind.
Lupus sah zu, wie Jonathan den glatten hölzernen Klangkörper seines Instrumentes zwischen seine nackten Füße klemmte und den langen Hals dabei vorn und hinten mit den Händen stützte.
Er hörte den tiefen Ton, als Jonathan die dickste Saite anzupfte. Er klang lieblich und voll. Der Ton brauchte einen Trommelschlag, der sich nicht wie Steine anhörte, sondern weicher, voller und gedämpfter klang.
Lupus hob den neuen Trommelschlägel auf, den er bei Flavia gefunden hatte.
Er klopfte damit versuchsweise auf die Trommel und nickte zufrieden. Perfekt. Er fand den Rhythmus und begann, unter Einsatz des Trommelschlägels und der linken Handfläche ein neues Muster zu weben.
'Lupus!' Jonathan starrte ihn entsetzt an.
Lupus hörte auf zu trommeln und warf Jonathan seinen typischen fragenden Blick zu: Was ist?
'Um Himmels willen, womit trommelst du denn da?'
Lupus hielt den Stock mit dem Schwamm am Ende hoch und zuckte mit den Schultern, als ob er sagen wollte: Mit einem Schwammstock, was sonst?
'Woher hast du den?'
Lupus neigte den Kopf in Richtung Nachbarhaus, wo Flavia wohnte.
'Lupus. Weißt du denn nicht, wofür der ist? Ich meine, wozu er benutzt wird?'
Lupus schüttelte den Kopf.
Jonathan seufzte. 'Ich weiß, du warst mal ein halb verwilderter Bettlerjunge', sagte er. 'Aber jetzt lebst du doch schon seit fast vier Monaten bei uns. Da müsstest du doch inzwischen ein zivilisierter Römer sein. Und du weißt ganz bestimmt nicht, wozu dieser Schwammstock benutzt wird?'
Lupus schüttelte erneut den Kopf. Und runzelte die Stirn.
Jonathan beugte sich vor und grinste. 'Damit wischt man sich den Hintern ab, nachdem man die Latrine benutzt hat.'
'Flavia!', brüllte jemand aus der Latrine. 'Wo ist der Schwammstock?'
Flavia Gemina blickte ihr früheres Sklavenmädchen Nubia fragend an. Beide zuckten mit den Schultern, standen auf und gingen hinaus auf den Balkon ih ...