Autorenportrait
Charlotte Roche wurde 1978 in High Wycombe, England, geboren und wuchs in Deutschland auf. 2008 veröffentlichte sie ihren ersten Roman, 'Feuchtgebiete', der eine gesellschaftliche Debatte auslöste und zum erfolgreichsten Buch des Jahres avancierte. Charlotte Roche lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Köln.
Leseprobe
für Martin DIENSTAG Wie immer vor dem Sex haben wir beide Heizdecken im Bett eine halbe Stunde vorher angemacht. Mein Mann hat ganz hochwertige Heizdecken gekauft, die reichen auf beiden Seiten vom Scheitel bis zur Sohle. Für mich muss man da etwas mehr investieren. Ich habe wahnsinnige Angst, dass so ein Ding anfängt zu glühen und ich nach dem Einschlafen bei lebendigem Leibe verbrenne oder am Rauch ersticke. Unsere Heizdecken schalten sich angeblich nach einer Stunde automatisch ab. Wir legen uns in das vierzig Grad warme Bett nebeneinander hin und starren an die Decke. Der Körper entspannt sich in der Wärme. Ich fange da schon an, tief zu atmen, und grinse in mich rein, in erregter Vorfreude. Dann drehe ich mich um und küsse ihn, meine Hand fährt sofort in seine XXL-Yogahose. Kein Reißverschluss oder so, wo sich Haare oder Vorhaut verfangen könnten. Erst fasse ich seinen Schwanz nicht an, sondern rutsche weiter in die Hose zu den Eiern. Die halte ich wie einen Beutel voll Gold und wiege sie leicht in der Hand. Ab hier betrüge ich meine männerhassende Mutter. Die hat versucht mir beizubringen, dass Sex etwas Schlechtes ist. Hat bei mir aber nicht gewirkt. Tief einatmen und ausatmen. Das ist der einzige Moment am Tag, wo ich richtig durchatme. Sonst hab ich nur flache Schnappatmung. Immer auf der Lauer, immer kontrolliert, immer aufs Schlimmste gefasst. Beim Sex verändere ich komplett meine Persönlichkeit. Meine Therapeutin Frau Drescher meint, ich würde mich unbewusst abspalten, weil meine feministische Mutter mich zum asexuellen Wesen erziehen wollte. Und nur um sie nicht zu verraten, müsste ich im Bett jemand anderer werden. Das funktioniert sehr gut. Dann bin ich völlig frei. Mir ist nichts peinlich. Die Geilheit auf zwei Beinen. Ich fühle mich dann nicht mehr wie ein Mensch, eher wie ein Tier. Ich vergesse alle Pflichten und Probleme, bin nur mein Körper und nicht mehr mein anstrengender Geist. Ich rutsche langsam mit dem Gesicht in seinen Schritt. Und rieche seinen männlichen Geruch. Ich finde, der ist nicht sehr weit weg vom weiblichen. Wenn er sich nicht direkt vorm Sex geduscht hat, und wann macht man das schon, wenn man so lange zusammen ist wie wir, hat der eine oder andere Urintropfen schon angefangen zu gären zwischen Eichel und Vorhaut. Es riecht wie die Küche meiner Oma, nachdem sie auf dem Gasherd Fisch gebraten hat. Augen zu und durch. Es ekelt mich ein wenig, gleichzeitig aber erregt mich dieser Ekel. Wenn ich schnell alles sauber gelutscht hab, riecht da nichts mehr. Wie eine Kuh ihr Kalb sauber leckt. Ich vergrabe mein Gesicht schnuppernd im weichen Hodensack, reibe meine Wange den hochgestreckten Schaft entlang. Steif wird er schon beim Küssen auf den Mund. Mein Mann Georg ist viel älter als ich, bin mal gespannt, wie lange das noch so gut funktioniert mit der Erektion. Ich küsse die Leisten, oder wie das heißt, wo die Beine am Rumpf festgewachsen sind. Spätestens da höre ich ihn leicht stöhnen und nach mehr verlangen. Im Moment geht es nur ums Bedienen. Ich überlege genau, welchen Rhythmus was haben muss, um ihn in den Wahnsinn zu treiben. Erst mal nur ärgern. Bei den Leisten bleiben, die Eier immer noch fest mit der Hand umschlossen. Vom Küssen langsam ins Lecken übergehen. Ich mache laute Schmatzgeräusche, damit er nicht nur fühlt, sondern auch hört, was ich da mache. Unter dem Sack ertaste ich die Verlängerung des Schwellkörpers, der bis zum Damm geht. Sagt man beim Mann überhaupt Damm? Dort ist eine Linie zu erkennen, die aussieht wie zusammengewachsene Schamlippen, ja, ja, alles das Gleiche. Eigentlich befriedige ich ihn, wie ich es gerne mag, ich stelle mir vor, er hätte eine Vagina. Nur eben so lang gezogen und rausstehend, weit rausstehend! Ich drücke fester auf den Sack und massiere den Schwellkörper dahinter. Damit ich auch was davon habe, reibe ich meine Vagina an seinem Knie. Wenn ich etwas den Rücken wölbe, passt das zentimetergenau. Von den Leisten wandert meine Zunge langsam
Schlagzeile
'Eine ehrliche, differenzierte und packende Auseinandersetzung mit der Frage, was eine gute Ehe ausmacht.' Frankfurter Allgemeine Zeitung