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Die Show

Roman

Erschienen am 01.09.2008
Auch erhältlich als:
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783453675124
Sprache: Deutsch
Umfang: 524 S.
Format (T/L/B): 3.5 x 18.6 x 12 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Eigentlich ist es ein ganz normaler Tag im August des Jahres 1963: Der kleine Ort Grandville ächzt unter der Sommerhitze, während zugleich eifrig Vorbereitungen für die große 'Vampirshow' - eine Art Dracula-Musical - getroffen werden, die am Abend stattfinden soll. Doch es ist der Tag, der das Leben dreier Jugendlicher für immer verändern wird. Denn obwohl sie eigentlich zu jung sind, scheuen sie keine Mühen, um die Show zu sehen. Ein fataler Fehler, wie sich nur allzu bald herausstellt

Leseprobe

Als ich sechzehn Jahre alt war, kam im Sommer eine reisende Vampirshow in unseren Ort. Ich hörte es von Rusty und Slim, meinen besten Freunden. Rusty hieß eigentlich Russell, aber er mochte den Namen nicht. Und Slim hieß in Wirklichkeit Frances, aber sie ließ sich nur von ihren Eltern und den Lehrern so nennen. 'Frances ist ein Name für einen sprechenden Esel', sagte sie immer, und wenn man sie fragte, wie sie denn stattdessen genannt werden wollte, hing ihre Antwort meistens davon ab, was sie gerade las. 'Nancy', sagte sie dann zum Beispiel, oder 'Holmes' oder 'Scout' oder 'Zock' oder 'Phoebe'. Im Sommer zuvor hatten wir sie Dagny nennen müssen und in jenem Sommer eben Slim. Ich glaubte daraus erkennen zu können, dass sie gerade irgendwelche Western las, aber ich fragte nicht nach. Ich selbst heiße übrigens Dwight. Benannt nach Dwight D. Eisenhower, dem Oberkommandierenden der Alliierten Streitkräfte in Europa - zum Präsidenten hatte man ihn erst nach meiner Geburt und Taufe gewählt. Wie dem auch sei, jedenfalls war es ein heißer Augustmorgen, wir hatten noch einen ganzen Monat Ferien vor uns, und ich musste im vorderen Teil des Gartens den Rasen mähen. Wir waren damals vermutlich die einzige Familie in Grandville, die noch keinen motorbetriebenen Rasenmäher hatte. Dabei hätten wir uns locker einen leisten können, denn mein Dad war der Polizeichef der Stadt und meine Mom Englischlehrerin an der Highschool. Finanziell gesehen wäre sogar ein kleiner Gartentraktor drin gewesen, aber mein Dad lehnte so was aus Prinzip ab. Schon bevor es den Begriff akustische Umweltverschmutzung gab, tat er alles in seiner Macht Stehende, um solchen 'verfluchten Lärm' zu vermeiden. Außerdem war er ohnehin gegen Gerätschaften aller Art, die mir oder meinen zwei Brüdern das Leben leichter gemacht hätten. Er wollte, dass wir hart arbeiteten, und weil er die Weltwirtschaftskrise und den Zweiten Weltkrieg mitgemacht hatte, hatte er eine ziemlich rigide Auffassung davon, was harte Arbeit war. Seiner Meinung nach hatte es 'die heutige Jugend' viel zu leicht, und deshalb tat er alles, um uns das Leben so schwer wie möglich zu machen. Und so kam es, dass ich an jenem heißen, diesigen Vormittag, an dem sich die Sonne hinter einer grauen Wolkendecke verborgen hielt und man die Abkühlung durch das aufziehende Gewitter geradezu herbeisehnte, beim Schieben des Handrasenmähers im halbhohen Gras gehörig ins Schwitzen kam. Ich hatte mein T-Shirt ausgezogen und über das Geländer der Veranda geworfen, und fühlte mich, als ich Rusty und Slim durch den Garten auf mich zu kommen sah, mit meinem nackten Oberkörper ein wenig unbehaglich. Das war ziemlich seltsam, denn eigentlich gingen wir jeden Tag miteinander zum Baden, aber trotzdem wäre ich am liebsten losgelaufen und hätte mir mein T-Shirt geholt. Doch ich blieb, wo ich war, und wartete in Turnschuhen und Jeans, bis die beiden bei mir waren. 'Hallo, Leute', rief ich. 'Hallo, Dwight', antwortete Rusty. 'Geht dir dabei einer ab?' Ihm gefiel diese Art zu sprechen, voller lahmer sexueller Anspielungen. 'Wohl kaum', gab ich zurück. 'Arbeitest du wirklich oder tust du nur so?', fragte Rusty weiter, während Slim mit einem Blick auf meinen schwitzenden Oberkörper meinte: 'Ist doch viel zu heiß zum Rasenmähen.' 'Das solltest du lieber meinem Dad sagen.' 'Gern. Wo ist er?' 'In der Arbeit.' 'Dann hat er Glück, sonst hätte ich ihn mir mal ordentlich zur Brust genommen.' Wir alle grinsten, weil wir wussten, dass sie nur Spaß machte. Slim mochte meinen Dad - und meine Mom -sehr, auch wenn ihre Sympathie für meine Brüder sich in Grenzen hielt. 'Wie lang brauchst du denn noch?', fragte Rusty. 'Ich kann's mir einteilen', entgegnete ich. 'Hauptsache, der Rasen ist gemäht, wenn Dad heute Abend nach Hause kommt.' 'Dann komm mit uns', sagte Slim. Ich nickte rasch und rannte ins Haus. Dort war niemand, denn meine Mom war zum wöchentlichen Einkauf im Supermarkt und meine Brüder - einer von ihnen war bereits verheirate Leseprobe