Beschreibung
China im Spiegel eines dramatischen Schicksals Schanghai 1938: Der Wiener Jude Robert Sokal hat das von den Nazis beherrschte Europa in letzter Minute verlassen und kommt mit seinen Eltern als Flüchtling in den Moloch am anderen Ende der Welt. Inmitten der exotischen Gangsterstadt trifft Robert auf Julie, eine christlich getaufte Chinesin und Tochter aus gutem Hause. Allen Widerständen und Barrieren zum Trotz werden die beiden ein Paar, und eine wunderbare Liebesgeschichte nimmt ihren Lauf . Ein ergreifendes Memoir, das Gefühl und Geschichte vereint!
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Leseprobe
Wenn den Bewohnern von Ningpo etwas ausgesprochen Seltenes und Kostbares begegnet, eine kapitale Rarität, dann nennen sie das einen "großen gelben Fisch". Gemeint ist ein begehrter und entsprechend teurer Vertreter aus der Familie der Adlerfische. Zwar gehen gewöhnliche Exemplare davon den Fischern ab und zu ins Netz, ein wirkliches Prachtstück aber zappelt nur selten darin. Die Liebesgeschichte zwischen Julie Chenchu Yang, Tochter einer angesehenen Familie aus Ningpo, und Robert Reuven Sokal, einem jungen jüdischen Flüchtling aus Wien, ist so ein großer gelber Fisch. Ein faszinierender Einzelfall, eine Romanze gegen alle Wahrscheinlichkeit und Erfahrung. Nicht von ungefähr ereignet sie sich mitten im 20. Jahrhundert, zu einer Zeit, in der das Unerhörte vorherrscht, und in einer fernen Stadt, in der Ausnahmen die Regel sind: in Schanghai. Rund 18000 jüdische Emigranten, vorwiegend aus Deutschland und Österreich, finden dort Ende der Dreißigerjahre Zuflucht. Sie haben sich diesen Ort nicht ausgesucht; er wäre wohl sogar die letzte Wahl für sie gewesen, wenn sie denn eine gehabt hätten. Ein Moloch am anderen Ende der Welt, Gangsterstadt und Sündenpfuhl, geprägt von einem mörderischen Klima und einer kaum begreiflichen Kultur. Ein Ort auch, an dem bereits Krieg herrscht. Aber als sich nach dem so genannten Anschluss Österreichs und den Novemberpogromen beinah alle in Frage kommenden Staaten hinter bürokratischen Barrikaden verschanzen, bleibt als letzter Ausweg nur die ferne Hafenstadt im Jangtse-Delta. Zu viele und zu verschiedene Mächte rivalisieren dort um die Vorherrschaft, so dass es keine Zentralgewalt gibt, die ein Visum verlangt. Eine Laune der Geschichte: Hätten stattdessen Panama oder Dschibuti freie Einreise gewährt, so wären die Flüchtlinge eben dort gestrandet. Kaum einer von ihnen hatte sich bis dahin je mit China befasst. Und selbst während ihres fast zehn Jahre währenden Zwangsaufenthalts bleibt der Kontakt auf das Nötigste beschränkt. Bestenfalls kommt es zum Austausch von Missverständnissen. Chinas wahre Mauer, die Sprache, zu überwinden gelingt nur wenigen. Viele essen nicht ein einziges Mal chinesisch und pflegen mit den Einheimischen kaum Umgang. Geschweige denn, dass sie sich in einen oder eine von ihnen verlieben. Von den 18 000 heiraten vielleicht zehn einen chinesischen Partner. Während heute kaum ein westlicher Junggeselle in Schanghai lange allein bleibt, scheint eine solche Verbindung für die mittellosen, verstörten, sich in diesem Provisorium nur widerwillig einrichtenden Emigranten schlicht abwegig. Eine flüchtige Liebschaft vielleicht, ein Techtelmechtel mit einer Tänzerin aus einem Nachtklub, das mag gelegentlich vorkommen. Doch an eine ernsthafte Verbindung, eine Ehe gar mit einer Asiatin, einem Asiaten, daran ist kaum zu denken. Robert Sokal wagt es gleichwohl. Der aufstrebende, wissbegierige Biologiestudent verliebt sich an der Universität in eine hübsche junge Chinesin. Eine tastende, unverhoffte und kuriose Romanze nimmt ihren Lauf. Sehr zum Unbehagen beider Familien, die darin, gelinde gesagt, nur eine Mesalliance sehen können. Julies Eltern fürchten, ihre Tochter an einen "Bettelstudenten" und "Barbaren" zu verlieren; Roberts Eltern erscheint seine Verbindung mit einer "Asiatin" als skandalöser Irrweg. Doch hartnäckig halten beide aneinander fest, an ihrer stillen, stolzen, ja verwegenen Liebe, die ihnen wohl niemand aus ihrer Umgebung zugetraut hat. Es ist, rein äußerlich betrachtet, keine leidenschaftliche Liebesgeschichte, was auch an den asiatischen Gepflogenheiten, der jugendlichen Scheu und am nüchternen Naturell der beiden angehenden Naturwissenschaftler liegen mag. Die Umstände aber lassen ihre Liebe dennoch zum Abenteuer werden, und trotz dieser Umstände, den gewaltsamen, weltumspannenden Umwälzungen jener Zeit, wird sie ein Leben lang halten. Obwohl die beiden erst um die zwanzig sind, als sie einander kennenlernen, haben sie zu diesem Zeitpunkt schon so viel erlebt, dass es für Leseprobe