Beschreibung
Drei Damen auf dem Weg in den Süden. Die eine ist ganz frisch schwanger und möchte in Barcelona ihren spanischen Geliebten heiraten. Die andere ist unglücklich verliebt. Die dritte will sich auf Kosten der beiden anderen amüsieren. Und flirten will sie auch. Was die Damen nicht wissen: zwei Herren reisen ihnen nach.
Produktsicherheitsverordnung
Hersteller:
Heyne, Wilhelm Verlag Penguin Random House Verlagsgruppe Gmb
ann.schnoor@penguinrandomhouse.de
Neumarkter Str. 28
DE 81673 München
Autorenportrait
Simon Borowiak, geboren 1964, war sieben Jahre Redakteur bei dem Satireblatt "Titanic" und ist Autor des Bestsellers "Frau Rettich, die Czerni und ich" (verfilmt mit Iris Berben). 2007 erschien bei Heyne "ALK-fast ein medizinisches Sachbuch", laut Spiegel
Leseprobe
Frau Rettich steht am Fenster und sieht den Schwalben nach. Ich lese und lese den Text. Ich werde einfach nicht schlau daraus. Im Gegenteil. Ich werde dümmer und dümmer. In Frau Czernis Aufgabenheft will ich spitzen, aber die Kuh hält ihre Hand wie ein Haltestellenhäuschen über die Lösungssätze. Wenn sie überhaupt auf Lösungen gekommen sein sollte. Presiento que tras la noche vendrá la noche más larga. Die Czerni gilt, völlig zu Recht, als die Unbegabteste in unserem kleinen Sprachkurs. Sie bringt weder Eifer noch Vorkenntnisse mit, kein kleines Latinum, vom großen gar nicht zu reden. Auch lebt sie allein, was ihre Konzentrationsfähigkeit doch sehr mindert. Wahrscheinlich denkt sie in jeder einsamen Minute daran, wie es wäre, nicht einsam zu sein. Präzise gesagt ist sie nicht ganz alleine auf der Welt; manchmal besucht sie ein alter Mann mit grauem Bart. Noch präziser gesagt ist der Mann nicht so unnatürlich alt, er setzt aber alles daran, in Gesprächen vergreist und arthritisch zu wirken; er trägt seinen Bart wie einen Schild gegen Leichtsinn; egal, welche Themen anstehen - sei's Kirmes, sei's Todesstrafe, sei's Quiche Lorraine oder Menschenrechte -, stets macht er besonnen vom Bart Gebrauch, zwirbelt denselben kurz an, streicht noch mal mit der ganzen Hand nach und relativiert dann alles in Grund und Boden. Dabei ist er eventuell doch erst 35 bis 40 Jahre alt, also im besten Mannesalter, um auf dem Nachhauseweg Autoantennen abzuknicken oder im Vollrausch nachts Plätzchen zu backen, oder was andere Männer im besten Alter so treiben, wenn sie richtig ausgelassen sind. Nichts dergleichen bei ihm. Ich vermute, dass er spätestens 20 Uhr 15 den Bart abschraubt und sich zur Ruhe begibt, bis der nächste sachliche Tag heraufdämmert, morgengrau wie sein Temperament. Das färbt natürlich stark auf die Czerni ab; in seiner Gegenwart artikuliert sie wohlerzogen und bräsig uralte, pensionierte Ideen, und ihre altersschwachen Zusammenkünfte sehen nicht nach großer wahrer Liebe aus, nicht nach leidenschaftlich loderndem Trieb, eher nach Haftcreme für die Dritten. Sollte es dennoch zwischen den beiden versehentlich zum einen oder anderen Koitus kommen, wird's wohl von sehr eigener Pikanterie sein und etwa so feurig wie Essen auf Rädern. Wenn der Alte endlich gegangen ist, wird Frau Czerni umgehend mürrisch und einsam und füllt ihr Stimmungsloch mit trockenem Weißwein auf. Ja, es muss einmal offen gesagt werden, dass die Frau Czerni eine rechte Sickergrube ist, in die viel Flüssigkeit hineinpasst, aber nicht eine fremde Vokabel. Manchmal denke ich, dass sie unseren kleinen Kurs nur der Ansprache wegen besucht. Interesse für Fremdsprachen ist es bestimmt nicht; die Czerni hält eisern an dem fest, was sie auf der Fuldaer Grundschule gelernt hat. Alles darüber hinaus ist ihr Nötigung. Bei mir ist das ganz anders, und deshalb nennt mich unsere Kursleiterin Rettich gerne 'mein Goldstück'. 'Frau Rettich', sage ich eifrig, 'ist das so richtig: Presiento que tras la noche vendrá la noche más larga - Ich fühle und ahne, dass nach dieser Nacht wird kommen die ganz lange Nacht?' Frau Rettich schaut mich liebevoll an: 'Das hast du sehr schön kaputtübersetzt, mein Goldstück.' Und wieder verschwindet sie mit ihren Gedanken aus dem Kurs, in Richtung Madrid, dem Verlobten entgegen. Der Resttext ergibt keinen Sinn. Im Gegenteil. Er wird immer sinnloser, wie das Leben um mich herum: Die Czerni kratzt sich mit dem linken Fuß an ihrem neuen Wildlederschuh. Ständig kauft sie neue Schuhe - wohl aus sexuellen Gründen -, ein Paar hässlicher als das andere, mit Troddeln, Quasten und Schnickschnack. Der eigenhändig bemalte Bauernschrank ist voll davon; alle topmodisch, alle der letzte Schrei - behauptet sie jedenfalls. Doch die Schuhe der Czerni sind schon der letzte Schrei. Und zwar der letzte Schrei des guten Geschmacks, bevor er abgestochen und zu Schuhen für Czerni verarbeitet wurde. Frau Rettich beachtet uns inzwischen gar nicht mehr. Sie scheint sich Leseprobe