Beschreibung
"Streiflichter aus Amerika" - das sind die hinreißend komischen Impressionen eines Heimkehrers, der voller Staunen auf sein Land blickt!
"Eines Tages beschloß ich, meine Frau beim nächsten Einkauf in den Supermarkt zu begleiten. Denn mit dem, was sie nach Hause brachte, war sie nicht ganz auf der Höhe der amerikanischen Eßkultur. Nun lebten wir schon in dem Land, das der Welt Käse in Sprühdosen beschert hat, und sie kaufte immer noch frischen Broccoli und Knäckebrot. Dort angekommen, eilte ich in die Junkfoodabteilung - es war der Himmel auf Erden! Allein mit den sogenannten Frühstückscerealien hätte ich mich für den Rest des Nachmittags beschäftigen können. Jede Substanz, die man nur irgendwie trocknen, aufpuffen oder mit Zucker glasieren kann, war vertreten. Ich schnappte mir von allem eine Packung und eilte zurück zum Einkaufswagen. "Was ist das denn?" fragte meine Frau mit diesem speziellen Tonfall. "Das Frühstück für die nächsten sechs Monate", keuchte ich im Vorbeiflitzen. Ich mußte weiter - zu Wackelpeterbutterkremküchlein, Kräuterlimonadentalern und einem schaumig geschlagenen Marshmallow - Brotaufstrich namens Fluff, der in einem Wännchen verkauft wird, in dem man ein Kleinkind baden könnte!"
Autorenportrait
Bill Bryson wurde 1951 in Des Moines, Iowa, geboren. 1977 zog er nach Großbritannien und schrieb dort mehrere Jahre u.a. für die Times und den Independent. Mit seinem Englandbuch "Reif für die Insel" gelang Bryson, der zuvor bereits Reiseberichte geschrieben hat, auch international der Durchbruch. Heute ist Bill Bryson in England der erfolgreichste Sachbuchautor der Gegenwart. Seine Bücher werden in viele Sprachen übersetzt, stürmen stets die englischen und amerikanischen Bestsellerlisten und haben auch in Deutschland im Hardcover wie im Taschenbuch einen festen Platz auf den Listen. 1996 kehrte Bill Bryson mit seiner Familie in die USA zurück, wo er heute in Hanover, New Hampshire, lebt.
Leseprobe
Wieder zu Hause In einem meiner Bücher habe ich einmal gewitzelt, daß man drei Dinge im Leben nie schafft. Man gewinnt nie einen Streit mit der Telefongesellschaft, man bringt einen Kellner nicht dazu, einen zu sehen, bevor er nicht bereit ist, einen zu sehen, und man kann nie wieder nach Hause zurückkommen. In den letzten Monaten habe ich Punkt drei stillschweigend, ja sogar gern einer Revision unterzogen. Im Mai vor einem Jahr bin ich nach fast zwei Jahrzehnten in England zurück in die Staaten gezogen, mit Frau und Kindern. Nach so langer Zeit wieder nach Hause zu kommen ist eine unerwartet verstörende Angelegenheit, ein bißchen, wie wenn man aus einem langen Koma erwacht. Man entdeckt nämlich bald, daß die Zeit Änderungen mit sich gebracht hat, angesichts derer man sich ein wenig blöde und von gestern vorkommt. Man zückt hoffnungslos unangemessene Geldscheine, wenn man kleine Einkäufe tätigt, steht kopfschüttelnd vor Verkaufsautomaten und öffentlichen Telefonen und stellt erstaunt fest - spätestens dann, wenn man fest am Ellenbogen gepackt wird -, daß es Straßenkarten an Tankstellen nicht mehr gratis gibt. In meinem Fall wurde das Problem dadurch erschwert, daß ich als Jugendlicher weggegangen war und als Mann mittleren Alters zurückkehrte. Alles, was man als Erwachsener tut - Hypotheken aufnehmen, Kinder kriegen, Rentenversicherungen abschließen, ein Interesse für Stromleitungen im eigenen Heim entwickeln -, hatte ich nur in England getan. Fliegengitterfenster und all die anderen Dinge, die typisch amerikanisch waren, betrachtete ich stets als Domäne meines Vaters. Als ich dann plötzlich für ein Haus in Neuengland verantwortlich war und mich mit den mysteriösen Leitungen, Rohren und Thermostaten, dem Müllschlucker mit seinen Mucken und der lebensgefährlichen automatischen Garagentür herumschlagen mußte, fand ich das sowohl furchterregend als auch spannend. Und genau das ist es in mancherlei Hinsicht, wenn man nach vielen Jahren im Ausland wieder nach Hause zieht - man trifft auf eine merkwürdige Mischung aus tröstlich Vertrautem und seltsam Unbekanntem und gerät schon mal aus der Fassung, wenn man sich gleichzeitig derart in seinem Element und fehl am Platze fühlt. Ich kann die unmöglichsten Kleinigkeiten hersagen, an denen man sofort erkennt, daß ich Amerikaner bin - welcher der fünfzig Staaten eine Einkammerlegislative hat, was ein »squeeze play« im Baseball ist, wer Captain Kangaroo im Fernsehen gespielt hat -, und ich kenne sogar zwei Drittel des Textes der amerikanischen Nationalhymne, des Star-Spangled-Banner, mithin mehr als die meisten Leute, die sie in aller Öffentlichkeit gesungen haben. Aber schicken Sie mich in einen Heimwerkerladen, und ich bin selbst jetzt noch hilflos und verloren. Monatelang führte ich mit dem Verkäufer in unserem hiesigen True Value Gespräche, die in etwa so verliefen: »Hi, ich brauch was von dem Zeugs, mit dem man Löcher in der Wand stopft. In der Heimat meiner Frau heißt das Polyfilla.« »Ah, Sie meinen Spackle.« »Sehr gut möglich. Und ich brauche ein paar von den kleinen Plastikdingern, mit denen man Schrauben in der Wand verankert, wenn man Regale aufhängen will. Ich kenne sie als Rawlplugs.« »Na, wir nennen sie Dübel.« »Gut, das werd ich mir merken.« Wirklich, ich hätte mich auch nicht fremder gefühlt, wenn ich in Lederhosen dort aufgekreuzt wäre. Es war ein Schock. Obwohl ich mich in Großbritannien immer sehr wohl gefühlt hatte, hatte ich doch stets Amerika als meine Heimat im eigentlichen Sinne betrachtet. Von dort kam ich, dieses Land verstand ich wirklich, das war die Grundlage, von der aus ich alles andere beurteilte. Ulkigerweise fühlt man sich nirgendwo mehr als Kind seines eigenen Landes, als dort, wo fast alle anderen Menschen Kinder dieses anderen Landes sind. Amerikaner zu sein war zwanzig Jahre lang das, was mich definierte. Es gehörte zu meiner Persönlichkeit, dadurch unterschied ich mich. Einmal bekam ich deshalb sogar einen Job. In einem Anfall jugendlichen Übermuts hatte ich nämlich gegenüber einem Redakteur der Times behauptet, ich würde als einziges Redaktionsmitglied »Cincinnati« richtig schreiben können. (Was dann auch der Fall war.) Gott sei Dank hat meine Rückkehr in die usa auch ihre guten Seiten. All das, was schön ist in meiner alten Heimat, hatte etwas bezaubernd Neues für mich. Wie jeder Ausländer war ich regelrecht benommen von der berühmten Lockerheit der Leute, der schwindelerregenden Überfülle an allem und jedem, der schier grenzenlosen, wundersamen Leere eines amerikanischen Kellers, dem Entzücken, gutgelaunte Kellnerinnen zu erleben, der seltsam erstaunlichen Erfahrung, daß Eisessen kein Luxus ist. Außerdem widerfuhr mir ständig die unerwartete Freude, den Dingen wiederzubegegnen, mit denen ich aufgewachsen war, die ich aber großteils vergessen hatte: Baseball im Radio, das zutiefst befriedigende Boing-bäng einer zuschlagenden Fliegengittertür im Sommer, lebensgefährliche Gewitterstürme, richtig hohen Schnee, Thanksgiving und der Vierte Juli, Glühwürmchen, Klimaanlagen an unerträglich heißen Tagen, Jell-o-jelly, (Wackelpeter mit echten Fruchtstückchen, den zwar keiner ißt, der aber hübsch aussieht, wenn er einfach so auf dem Teller vor einem schwabbelt), der angenehm komische Anblick, sich selbst in Shorts zu sehen. Eigenartig, das bedeutet einem doch alles sehr viel.