Beschreibung
Mein Name ist Klara wird von 2 Stimmen erzählt. Zunächst berichtet Klara aus ihrem Leben mit beginnender Demenz, solange sie noch aktiv schreiben und erzählen kann. Klara nimmt uns mit in ihre Welt, sodass ein Einfühlen in die Gefühlswelten von Demenzerkrankten möglich wird. Irgendwann übernimmt ihre Tochter, um ihrer Mutter weiter eine Stimme zu geben und um uns das Erleben einer demenziellen Erkrankung aus Sicht der Angehörigen und deren Nöten zu ermöglichen. So können wir am Lebensweg ihrer Mutter bis in die fortgeschrittene Demenz teilhaben. Die Erzählungen werden durch Nummern im Text begleitet, die auf den zweiten Teil des Buches verweisen, in dem Sie zahlreiche fachliche Erklärungen, Tipps für sich oder für andere von dieser Diagnose betroffene Menschen oder deren Ansprechpartner, finden.
Autorenportrait
Marion Jettenberger ist Heilerziehungspflegerin, Kunsttherapeutin, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Palliativfachkraft und Autorin für die Fachbereiche Gerontopsychiatrie und Palliativ Care. Sie engagiert sich seit Jahren für Menschen im Alter, mit Demenz und schwerkranken Sterbenden. Seit 2010 ist sie Referentin für Pflege & Betreuung und gibt ihr Fachwissen in der Fort-, Weiterbildung und Beratung weiter.
Leseprobe
Vorwort Was bedeutet Demenz? Wie fühlt es sich an? Wie geht es den Betroffenen? Wie erleben Betroffene die Erkrankung vom ersten Symptom bis in die fortgeschrittene Demenz? Wie geht es den Angehörigen? Wie sterben Menschen mit Demenz? Wie kann man als Angehöriger auch diese letzte Phase begleiten? Davon handelt dieses Buch, die Geschichte von Klara Kreuz. Es ist das Tagebuch einer betroffenen Lehrerin namens Klara, welches ihre Tochter Christa weiterführt. Betroffene und ihre nächsten Angehörigen wissen häufig am besten, was es bedeutet, an Demenz zu erkranken und mit der Erkrankung Schritt für Schritt zu verschwinden, und wie es ist, ein demenzerkranktes Familienmitglied bis zum Tode zu begleiten. Die Tochter schildert, wie sie die Krankheit der Mutter erlebt, auch rückwirkend, weil die Mutter die Erkrankung lange versteckt. Die Tochter berichtet von Höhen und Tiefen der Erkrankung, dem langsamen, leisen Verschwinden der eigenen Mutter. Angehörige sind für mich häufig die wahren Experten in Sachen Demenz, denn während der Erkrankte mehr und mehr in seine Welt abgleitet, versuchen sich diese in der Parallelwelt zu kümmern, zu betreuen, alles zu organisieren. Wie Christa das gelungen ist, welche Bemühungen sie in Liebe zur Mutter auf sich nahm, auch davon erzählt die Tochter in diesem ihrem ganz persönlichen Erfahrungsbericht. Ein ausführlicher Sachteil von den ersten Symptomen bis zur Diagnosestellung der immer weiter fortschreitenden Erkrankung bis hin zur Sterbebegleitung schließt sich am Ende des Buches an. Endnoten markieren entsprechende Stellen. Dies bietet LeserInnen parallel zur erzählten Geschichte erste sachliche Informationen, zum Beispiel Erklärungen zu bestimmten Symptomen, Verhaltensweisen, zum Verlauf der Erkrankung sowie zahlreiche Tipps und Hilfsangebote. Hinweise: Aus Gründen der Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen die männliche Form gewählt, es ist jedoch auch immer die weibliche Form mitgemeint. Mein Name ist Klara beruht auf einer wahren Begebenheit. Die Namen der Personen und Orte sind jedoch frei erfunden. Ähnlichkeiten mit bestehenden Namen, Orten und Situationen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Lebensrückblick Mein Name ist Klara, Klara Kreuz. Ich bin schon 74 Jahre alt. Ich war Lehrerin für Deutsch und Hauswirtschaft, bin inzwischen jedoch in Rente. Vor einem Jahr ist mein Mann Martin gestorben. Dabei war er doch auch erst 75 Jahre. Viel zu jung, um zu sterben. Das war sehr schlimm und traurig für mich, auch deswegen, weil er doch kaum was von seiner Rente gehabt hat. Bis 67 hat er gearbeitet, er war ein Handwerker, und zusätzlich ist er manchmal für einen Bekannten auch noch Fern gefahren. Er hat wirklich viel gearbeitet, um uns, seine Familie, nicht nur zu ernähren, sondern uns auch was bieten zu können. Ich vermisse ihn sehr. Es ist, als hätten sie mir einen Teil meines Körpers amputiert.[i] Unglaublich, das hätte ich mir als junge Frau damals nicht vorstellen können. Wir hatten eine gute Ehe, 55 Jahre waren wir verheiratet. Wer kann das heute noch von sich und seiner Ehe sagen? Heutzutage trennen und scheiden sich Paare viel schneller, wenn sie sich denn überhaupt noch trauen, eine Ehe zu schließen. Sich trauen, die Begrifflichkeit ist schon eine sehr schöne Sache, dann die Trauung, der kirchliche Segen, das Fest mit der Familie Eine Verbindung auf immer einzugehen, bis dass der Tod einen scheidet, das bedeutete damals noch was. So war es bei Martin und mir, tja, mein Martin und ich, ach, wie ich ihn vermisse! Ich erinnere mich noch genau an die Hochzeit. Ja, und an seinen Antrag und wie er meinen Vater ganz altmodisch um meine Hand bat. Und dann kamen auch schon die Kinder. Wir haben zwei Kinder. Zwei Mädchen. Christa und Ruth. Bei meiner ersten Geburt, also bei Christa, musste ich noch lange im Krankenhaus bleiben, denn ich wäre fast verblutet. Das war wirklich eine schwere Geburt. Damals war es auch noch nicht üblich, dass der Mann dabei sein konnte. Da haben die Frauen es heute schon viel einfacher. Wenn ich da meine Töchter anschaue! Da gab es richtige Vorbereitungskurse, an denen der moderne Mann teilnehmen konnte, um seine Frau im Kreißsaal zu unterstützen. Ruth kam auf natürlichem Wege, die Geburt ging von alleine. Zwischen Christa und Ruth hätten wir eigentlich noch ein Kind bekommen, es wäre ein Junge geworden, doch ich habe ihn verloren. Im siebten Monat habe ich den kleinen Buben tot geboren. So hätte ich eigentlich drei Kinder, vor allem noch einen Buben. Das wäre, gerade für meinen Mann, denke ich, schön gewesen. Auch wenn man immer sagt Hauptsache gesund. Schön wäre es schon gewesen. Na ja, es hat nicht sollen sein. Schließlich kamen Schwiegersöhne ins Haus und da ließen die Enkel nicht lange auf sich warten. Inzwischen bin ich sechsfache Großmutter. Das muss man sich mal vorstellen, sechs Enkelkinder! Da können sie sich ausmalen, was an einem Geburtstag hier alles so los ist. Mit zwei eigenen Kindern, deren Männern und sechs Enkelkindern, Donnerwetter! Zwei unserer Enkel sind Buben. Andreas und Thomas. Auch wie mein Mann mit ihnen umgegangen ist, er hatte seine wahre Freude, mehr als mit den Mädchen. Da spätestens merkte ich, wie sehr er sich durchaus über einen Jungen gefreut hätte. RentnerStress[ii] Nun bin ich aber alleine. Mein Mann ist verstorben, meine Töchter gehen ihre eigenen Wege mit ihren Familien, doch langweilig ist mir trotzdem nicht. Ich bin eine aktive und vielseitig interessierte Frau, auch viel beschäftigt. Denn gerade nach dem Tod meines Mannes, um nicht in ein Loch zu fallen, habe ich begonnen, mich im Dorf zu engagieren. Montag Morgen engagiere ich mich beim Frühstück an der Grundschule, ein Projekt, um Schülern ein gesundes Frühstück näherzubringen. Dienstag Nachmittag treffe ich mich mit meinen Kegelfreundinnen, so bleiben wir auch körperlich fit. Mittwoch geh ich Karten spielen mit einer Runde netter Damen, den meisten sind auch schon die Männer verstorben. Donnerstag kommt immer meine Christa zu Mittag zu Besuch, wenn sie ihre Kinder in der Nähe abgeholt hat. Wir essen gemeinsam zu Mittag, bevor sie den Buben Thomas wieder zum Fußball, ebenfalls in der Nähe, bringt. Freitags geh ich ehrenamtlich zum Bingo ins nahegelegene Seniorenheim, spiele mit einer Gruppe Bingo und besuche noch zwei alleinstehende ältere Damen, die geistig nicht mehr so ganz fit sind und nur sehr wenig Besuch bekommen. Manchmal finde ich es wirklich erschreckend, wie verwirrt die beiden schon sind. Die eine erkennt mich nur ab und an, sagt dann manchmal: Grüße Sie, Frau Doktor, wenn ich zu Besuch komme. Ich spiel dann einfach mit, denn es bringt nichts dagegenzureden und zu erklären, dass ich keine Frau Doktor sei. Das hab ich bei meinen Besuchen schnell gelernt. Die andere Frau sitzt im Rollstuhl und brabbelt nur noch einzelne Silben vor sich hin. Auch sie nehme ich, wie sie ist, fahre sie in den Park mit dem Rollstuhl oder singe Kinderlieder mit ihr, denn die Texte kann sie alle noch erstaunlich gut und so singt sie laut mit. Samstags kommt Christa mit ihrem Mann und den Kindern vorbei. Da essen wir immer Weißwürste mit Brezen, herrlich! Damit halten wir eine Tradition aufrecht, wie ich es mit Martin auch immer machte. Samstag ist einfach Weißwursttag. Sonntags gehe ich zum Gottesdienst und dann kommt Ruth mit Familie zum Sonntagskaffee. Tja, langweilig wird es mir nie, ich habe eine volle kunterbunte Woche und immer zu tun. Der Metzger ruft meine Tochter Christa an Meine Tochter Christa kam unangemeldet zu mir, um etwas zu besprechen. Ich dachte mir schon, dass das eigenartig ist, freute mich aber und bereitete uns Tee zu. Sie begann herumzudrucksen, indem sie sagte, sie müsse mich jetzt unbedingt etwas fragen: Mama, wie oft kaufst du beim Metzger ein? Ich wundere mich über so eine Frage und fragte zurück: Wieso? Na ja, also ehrlich gesagt, die Metzgerei Fischer hat mich angerufen und gesagt, du kommst oft mehrmals am Tag und kaufst Unmengen an Frischwurst, die du n...