Beschreibung
Im Bologna-Vertrag von 1999 haben 29 europäische Staaten vereinbart, bis 2010 einen einheitlichen Europäischen Hochschulraum zu verwirklichen. Darin sahen viele eine ganz große Gelegenheit, eine Hochschulreform an Haupt und Gliedern durchzuführen. Doch statt besser ist es viel schlechter geworden. Für mich war die Studienzeit, die schönste Zeit meines Lebens. Von den heutigen Studenten höre ich, dass das Studium ein Massenbetrieb und verschulter als eine Oberschule ist. Wir werden über viele Missstände sprechen; und uns vor allem überlegen, wie es wieder anders werden kann: ohne Zulassungsbeschränkungen, mit Studienfreiheit und einschätzbaren staatlichen Abschlussprüfungen, wie ich sie bei meinen beiden juristischen Staatsexamen erlebte. Die Hochschulen sollen die Bedürfnisse der Studenten und der Gesellschaft verbinden. Beide wollen und brauchen eine berufstaugliche Ausbildung. Dazu müssen die Abschlüsse (Bachelor und Master), die Hochschulen (Fachhochschulen, Universitäten, Forschungsstätten) und die Hochschullaufbahnen aufeinander abgestimmt werden. Alles muss zusammenpassen. Heute herrschen Wirrwarr und Undurchschaubarkeit bei den Zuständigkeiten, den Studiengängen und den Abschlüssen. Deutsche Hochschulen bieten 16.000 Studiengänge an, heißt es im Handelsblatt. Welcher Student, welcher künftige Arbeitgeber weiß da noch, was für ihn richtig ist oder was nur exotische Hobbyfächer von Professoren sind. Das Leben muss auch ein bissel Spaß machen. Wir brauchen überschaubare und persönliche Hochschulen und Hochschulorte, vernetzte Hochschullandschaften mit persönlichen Begegnungen. Dazu kommen die Verflechtung von Praxis und Theorie, die Verbindung der Hochschulen mit der örtlichen Bürgerschaft und Wirtschaft. Die Hochschulen sollen Teil unseres Bürgerstaates sein, der sie finanziert. Sie verlieren den Boden unter den Füßen, wenn sie nur noch abgehobene Teile einer virtuellen, wolkigen scientific community (Wissenschaftsgemeinde) sind, die am Leben vorbeilebt.
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Autorenportrait
Gerhard Pfreundschuh, geb. 1941 in Heidelberg, ist Historiker (Promotion), Jurist (1. Staatsprüfung in München, 2. in Stuttgart) und Diplom-Volkswirt (Universität Mannheim). An der Universität Speyer promovierte er mit einem verfassungsgeschichtlichen Thema zum Dr. rer. publ. ("Entstehung und Merkmale des frühen Rechtsstaats"). Nach Wehrdienst (Major d.R.) und Studium trat er in die Innenverwaltung Baden-Württemberg ein. Danach war er Erster Bürgermeister in Wertheim und von 1981 bis 1997 Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises in Mosbach/Baden. Von 1998 bis 2008 war er in Heidelberg Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Kommunales Management der Steinbeis-Stiftung Baden-Württemberg. Schwerpunkt war die Untersuchung öffentlicher Sozialer Hilfen in Kommunen und Ländern. Dazu wurde der Lehrgang "Fachanwalt Sozialrecht" erfolgreich abgeschlossen. Er ist seit 1966 mit Birgit, geb. Kellmann, verheiratet. Sie haben vier Kinder und drei Enkelkinder.