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Der Mensch, der schießt

Berichte aus dem Gerichtssaal

Erschienen am 23.06.2014
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783940357274
Sprache: Deutsch
Umfang: 400 S.
Format (T/L/B): 3.6 x 21.1 x 13.4 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Warum hat die Gräfin Bothmer all diese kleinen Diebstähle begangen? Ist der Archivdieb Dr. Hauck ein Dokumentenfetischist? Hat Sanitätsrat Boehme alle seine Ehefrauen umgebracht? Und durfte Frau Huhn Frau Knill eine Ohrfeige geben wegen der Behauptung, sie habe etwas mit ihrem Gatten Herrn Knill? Von der Verleumdungsklage unter Nachbarn, dem Erbschaftsstreit im Hochadel, über Glücksspielbetrug, Meineidsverfahren, aufgedeckte Korruption sowie geniale Fälschungen bis hin zum Verdacht auf Gattinnenmord, zu erschossenen Söhnen, tödlichen Eifersuchtsdramen und müden Richtern: Die Gerichtsreportagen von Sling führen mitten hinein in das Leben, wie es sich vor den Schranken der Gerichte sammelt, mitten hinein in die Welt der zwanziger Jahre. Das Kürzel "Sling" stand dabei für eine neuartige Berichterstattung, die geprägt war von einem menschenfreundlichen Humor und ihren Urheber zu einem der berühmtesten Journalisten der Weimarer Republik und zum Vorbild für viele nach ihm machte. Hans Holzhaider, als Gerichtsreporter der Süddeutschen Zeitung ein "Nachfahre" Slings, trägt das Nachwort bei.

Autorenportrait

Paul Felix Schlesinger, geboren 1878 in Berlin, wurde erst in seinem letzten Lebensjahrzehnt berühmt. Nach einer Kaufmannslehre studierte er, gehörte dann in München der Künstlerboheme an und trat bei den "Elf Scharfrichtern", dem ersten politischen Kabarett Deutschlands, auf. Musikkritiken von ihm erschienen in der "Schaubühne" (ab 1918 "Die Weltbühne"), literarische Texte u.a. im "Simplicissimus". Er wurde Korrespondent für den Ullstein Verlag und arbeitete 1911/12 in Paris, im Krieg ab 1915 in der Schweiz. 1920 berief ihn Ullstein in die Redaktion der "Vossischen Zeitung", wo er sich unter dem Kürzel "Sling" neu erfand und dann vor allem als Gerichtsreporter berühmt, beliebt und zu einem der einflußreichsten Publizisten der Zeit wurde. Daneben erschienen Romane und Kinderbücher und die erfolgreiche Komödie "Der dreimal tote Peter" (uraufgeführt 1927 mit Therese Giehse und Heinz Rühmann). Sein früher Tod durch Herzversagen 1928 führte zu einer Welle der Anteilnahme.

Leseprobe

Das Schicksal schenkte ihm eine schlanke Gestalt, ein hübsches Gesicht mit zärtlichen grauen Augen, eine bewegliche Intelligenz und außerdem noch den herrlichen Namen Brokat. Das war zuviel auf einmal und mußte schiefgehen. Die Verhandlung endete für ihn trübselig, aber man kann nicht leugnen, daß er seinen Richtern zwei höchst vergnügliche Stunden bereitet hat. Im Sommer vorigen Jahres lief nämlich Brokat auf die verschiedensten Standesämter Berlins, meldete die Geburt (zumeist) eines Sohnes an, bekannte sich vielfach zur unehelichen Vaterschaft, ging mit einer gefälschten Arbeitsbescheinigung der angeblichen Wöchnerin zur Krankenkasse und erhob Entbindungs- und Stillgelder. Namentlich von den Stillgeldern lebte dieser längst Entwöhnte einige Wochen ganz vorzüglich, bis schließlich eine Reihe von jungen Damen die Mitteilung erhielten, daß sie entbunden hätten. Diese Neuigkeit erweckte bei ihnen und ihren Familien vielfaches Erstaunen. Was die Namen der Kinder betrifft, so zeigte er eine gewisse Phantasie und doch auch wieder Konsequenz. Jeder seiner Knaben hieß Heinz; aber gewöhnlich in Verbindung mit einem anderen Vornamen. So brachte er zwei Heinz-Günther zur Welt, daneben einen Heinz-Gerhard, einen Albert Fritz Heinz und einen Heinz Paul Heinrich. Vor Gericht versucht Brokat vergeblich, die Verhandlung abzukürzen, indem er alles zugesteht. Der Vorsitzende aber schenkt ihm keine Zeugin, und so vollzieht sich der Vorbeimarsch der jungen Mütter, die bei dieser Gelegenheit zum ersten Male den geistigen Erzeuger ihrer Kinder persönlich kennenlernen und ihn vielfach nicht ohne Wohlwollen betrachten.

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