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Das Wolfskind auf der Flucht

Biographischer Roman

Erschienen am 15.08.2010
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783902647306
Sprache: Deutsch
Umfang: 156 S., 15 farbige Illustr.
Format (T/L/B): 1.2 x 22 x 14 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Im Winter fanden wieder die Zirkelabende von der FDJ statt. Aber die meisten Dinge dort berührten mich überhaupt nicht, so zum Beispiel Marx und Engels, Liebknecht und Luxemburg, Lenin und Stalin. Ich hatte andere Sorgen: Wie überleben wir das alles, war meine wichtigste Frage. Von mir wollten die Anderen oft wissen, was ich in Königsberg und Litauen erlebt hatte. Manchmal habe ich gesagt, dass ich nicht immer darüber sprechen kann, weil all die furchtbaren Erinnerungen wieder in mir hochkamen und ich alles nachts wiedererlebte. Aber ich schwieg auch aus einem anderen Grund: Es war offiziell verboten, über 'Flüchtlinge', 'Heimatvertriebene' oder gar 'Wolfskinder' zu sprechen. Der Staat bezeichnete uns als 'Übersiedler' und betonte, dass wir freiwillig in die DDR gekommen seien. * Nach ihrem Buch "Ich war ein Wolfskind aus Königsberg" berichtet die 1935 in Königsberg (Ostpreußen) geborene Ursula Dorn nun über die Fortsetzung ihrer tragischen Geschichte. Dem Krieg entronnen bleibt sie auch in der DDR fremd und nutzt 1953 die Chance zur Flucht in die Bundesrepublik. Doch auch im "goldenen Westen" ist das Leben als Flüchtling äußerst beschwerlich. Durch ihre zupackende Art gelingt es Ursula allen Schwierigkeiten zum Trotz, sich nach vielen harten Jahren eine glückliche Existenz aufzubauen. Das Wolfskind "Ulla" kommt als junge Frau endlich wirklich in dem von ihr ersehnten Leben an.

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Autorenportrait

Über sechs Jahrzehnte sind vergangen, bis die 1935 in Königsberg (Ostpreußen) geborene Ursula Dorn den Mut fasste, das zu erzählen, was sie als 10-jähriges Kind erfahren musste. Sie lebt heute mit ihrer Familie in der Nähe von Göttingen. In ländlicher Abgeschiedenheit hat sie die Ruhe gefunden, ihre Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg zu bewältigen. Die Erinnerungen an ihr Dasein als Wolfskind hat sie in einer packenden Geschichte verarbeitet.

Leseprobe

*** Zwischen Hitler und Stalin *** In der Firma wurden wir Lehrlinge viel in der Produktion eingeteilt. Ich rackerte, so viel ich nur konnte, um immer über 100 Prozent zu erreichen. Die Frauen in der Produktion meckerten oft, weil ich ihnen die Akkordsätze kaputtmachen würde. Ich habe es aber aus der Not heraus gemacht, damit mir die Prämie sicher war. Ich brauchte doch das Geld. In der Berufsschule wurden am Ende der Ausbildung viel mehr Arbeiten geschrieben, aber da kam ich ganz gut mit. Dass meine Zensuren gut ausfielen, hieß, dass sich die Mühe für mich gelohnt hatte. In Gegenwartskunde beschäftigten wir uns des Öfteren mit Amerika und dem Kapitalismus. Da ging es hoch her, denn vom Kapitalismus wollte natürlich in der Stalinzeit keiner was wissen. Unser Lehrer Albrecht sagte: "Es wird eines Tages so kommen, dass sich der Kapitalismus an seinem eigenen Reichtum zerfleischt, so wahr ich hier stehe.a¿oe Dann ging ich zu Inge, erzählte ihr alles und sie sagte: "Ulla, jetzt überlegen wir beide mal, was Kapitalismus ist.a¿oe Dann fingen wir in unserem Dorf an. Es gab Leute, die mussten beim Bauern arbeiten, um zu überleben, dann gab es hier ein Gut, deren Besitzer noch mehr als die Bauern hatten, und Firmeninhaber hatten mehr als die Handwerkerstätten. Und dann ging es immer höher, bis zum Beispiel in der DDR der Staat alles hatte. Also war es doch Staatskapitalismus, oder? Inge meinte: "Mensch, Ulla, wie hast du das rausbekommen?a¿oe Ich hatte einfach bei mir selber angefangen, denn ich besaß gar nichts, noch nicht mal ein eigenes Bett. Wir gingen zu Inges Mutter und erzählten ihr unsere Theorie und sie lachte darüber. Es kamen noch viele solcher Themen und ich habe mir meine eigenen Gedanken gemacht. Eines Tages gab es den Spruch a¿sButter statt Kanonen¿ für das Volk. Das konnte ich mal vorbehaltlos unterstützen, denn Butter gab es nur auf Marken für jeden zugeteilt, weil alles nach Russland ging. Von Eiern bis Heu für die Kühe, es ging alles weg. Nur mit Parolen konnte man ein Land nicht aufbauen. Überall in der DDR sah man Stalinbilder, in jeder öffentlichen Einrichtung - Schulen, Firmen, Kaufläden, Gaststätten, Kindergärten. Stalin war allgegenwärtig und nicht wegzudenken. Da hatten wir gerade das mit den Hitlerbildern hinter uns gebracht, und nun? So kann es mit hochgefeierten Staatsmännern enden. Aber langsam begann man jetzt Ordnung im Staat zu spüren. Die Jugendlichen und Kinder gingen meist begeistert zur FDJ und den Pionieren, aber die Erwachsenen wollten sich weniger politisch betätigen. Ich unterhielt mich zum Beispiel mit meiner Mutter, aber die sagte nur: "Da will ich nichts von wissen.a¿oe In den Städten wurden nun zunehmend unschöne Betonbauten errichtet, Hauptsache, die Menschen kamen irgendwo unter. Und in den Geschäften wurde es immer leerer. So kam es, dass immer mehr Ware gegen Ware getauscht wurde. Meine Hoffnung auf eine bessere Zeit ging mehr und mehr verloren. [...] *** Aufruhr *** Als ich mal ein paar Jugendliche, die ich von der Lehre kannte, in Schmölln auf dem Marktplatz traf, sagten sie zu mir: "Ulla, bei uns in der Firma, da sind die Leute ganz aufgebracht und tuscheln immer.a¿oe Unruhe läge in der Stadt und im ganzen Land. Mir fiel wieder ein, dass ich das am Ende der Lehrzeit ja ebenfalls bei unseren Leuten bemerkt, es aber wieder verdrängt hatte. Als ich das nächste Mal in Weißbach war, berichtete ich Inge davon. Sie meinte, auch in ihrer Firma, einer Schuhfabrik, ginge es so zu, aber alles würde ganz geheimnisvoll behandelt. Irgendwie kam bei uns ein beklemmendes Gefühl auf, aber wir konnten uns keinen Reim darauf machen. Es sollte aber nicht lange verborgen bleiben: Am 17. Juni 1953 frühmorgens begann der Aufruhr in der Stadt. Die Straßen füllten sich mit Menschenmassen, alle versammelten sich auf dem Marktplatz. Eine aufrührerische Gruppe holte die Mitarbeiter aus allen Betrieben. Da wir ganz in der Nähe vom Marktplatz das Cafe hatten, hielt es auch ...

Inhalt

Das Wolfskind aus Königsberg: Was bisher geschah8 Das Wolfskind auf der Flucht11 Zu alt für die Schule13 Gute und schlechte Nachrichten16 Ein starker Wille18 Nur Zoselsuppe19 Mein erstes Zeugnis21 Nur nichts vergessen23 Glücklich überstanden25 Weihnachten 194929 Nehmt euch mal ein Beispiel!31 Ein zufriedener Pastor35 Nicht mal ein Bett39 Wenigstens zuschauen42 In blauer Bluse45 Sport frei!48 Vorfreude, schönste Freude51 Ein armes Menschenkind54 Tanzstunden bei der FDJ56 Erwachsenwerden59 Die Lauflokomotive61 Zwischen Hitler und Stalin63 Bau auf, bau auf, bau auf65 Zwei Florentiner67 Wie ein Donnerschlag71 Aufruhr74 Fluchtpläne76 Ins Ungewisse80 Schwarze Menschen82 Über und unter den Wolken86 Im goldenen Westen89 Das erste Paar Schuhe92 Amtsdeutsch94 Aufbegehren95 Wozu habe ich Dich denn in die Welt gesetzt?98 Ersatzmutter101 Von morgens bis abends auf Trab103 Ein Sonntagsbraten für Alona104 Nicht nur Trauer haben107 Dreistufenröcke und Petticoats108 Liebe auf den ersten Blick?110 Versöhnung113 Eine Zukunft für uns116 Gemeinsam statt einsam118 Endlich angekommen120 Fotos und Dokumente von 1948 bis 1958123 Begriffe der ehemaligen DDR139 Ein ganz normales (Flüchtlings-)Leben oder Vom pädagogischen Wert des Unspektakulären Ein Kommentar von PD Dr. Winfrid Halder141