Beschreibung
Eine Ehekrise nach zehn gemeinsam verlebten Jahren veranlasst eine Journalistin, ihre Ehe auf ungewöhnliche Weise zu überprüfen. Sie verlässt ihren Mann, um mit ethisch-moralischen, beruflichen und intimen Fragestellungen zu wechselseitig tieferem Verstehen zu finden: »Ich bin nicht weggelaufen, um die Ehe zu beenden, sondern damit sie dauern kann.«Elisabeth Schulz-Semrau lässt in dieser Erzählung durch psychologisches Ausloten - selbst des individuell Unterbewussten, das in der Lebenspraxis eine nicht unwichtige Rolle spielt - die Möglichkeiten eines neuen Zusammenlebens auf einer neuen Stufe intimer Gemeinsamkeit und gesellschaftlicher Verantwortlichkeit deutlich werden. Die Autorin fordert den Leser ständig zum Mitdenken und Mitentscheiden bei dieser Überprüfung auf, und gerade das macht die Lektüre des Buches zu einem besonderen Gewinn.
Autorenportrait
Am 14.7.1931 als Tochter eines Beamten im ehemaligen Königsberg/Preußen (heute Kaliningrad) geboren. Mädchenname: Elisabeth Appe.Vier Jahre konfessionelle Grundschule, drei Jahre Lyzeum. 1945 Flucht in die Altmark, Tangermünde. Oberschule ohne Abschluss.1948 bis 1949 Lehrerbildungsinstitut, ab November 1949 Lehrerin.Fernstudium für 1. und 2. Lehrerprüfung, Fernstudium an der Pädagogischen Hochschule Potsdam.Bis Ende August 1967 Lehrerin in Rangsdorf bei Berlin. Während dieser Zeit Gedichte geschrieben.Von 1967-1970 Studium am Institut für Literatur Johannes R. Becher in Leipzig. Zwei Jahre freischaffend, danach 14 Jahre Lehrtätigkeit im Fach Prosa (bei Fernstudenten) an diesem Institut, zuletzt als Dozentin.Von 1986-1990 für vier Jahre vom Hochschuldienst beurlaubt, in dieser Zeit freischaffend.Verwitwet, zwei Söhne.Wohnhaft in Leipzig, Berlin, Rangsdorf, jetzt wieder Berlin. Sie ist am 10. September 2015 in Berlin verstorben.
Leseprobe
Vielleicht war es doch nicht so schlecht, war Steffan versucht zu denken. Dachte dann, nein, mein Junge, so fang erst gar nicht an, dann biste nämlich am Ende.Ich muss einfach meine Methoden ändern, grübelte er. Ich will es hinkriegen! Auch das! Sie, Susanne durfte nicht recht behalten.Das Auto, gestoppt durch die Verkehrsampel, ließ einen Menschenschwarm an sich vorbeipassieren, Schulkinder, einkaufende Frauen, weniger Männer.Irgendwie hoffte Steffan immer wieder, Frau und Kind plötzlich aus Menschenansammlungen auftauchen zu sehen.Wenn dir die Sache so wichtig erscheint - habe ich gesagt, erinnerte er sich, tippte Kummer in jähem Entschluss auf die Schulter: »Bitte rasch noch einmal bei mir zu Hause vorbei, ich habe etwas vergessen!«»In einer halben Stunde müssen wir zur Enthüllung des Denkmals«, glaubte Irmgard ihn erinnern zu müssen.»Eben darum«, sagte Steffan nur.Als er fünfzehn Minuten später in seinem Büro auf Paul Breede traf, riss er den Gesprächsbeginn an sich, hastig, sich verhaspelnd, als müsste er nach schnellem Lauf wieder zu Atem kommen. Aber - er war ja nicht gelaufen.»Ich finde es großartig«, sagte er, »dass du dir Gedanken, Sorgen um uns machst. Um Susanne, die Ehe, meine Funktion. Wirklich großartig! Nur glaube ich, du siehst es gefährlicher, als es ist. Meine Frau Susanne nämlich kann auf die seltsamsten Ideen kommen. Beweis: Ich habe dir hier einen Brief von Daheim geholt aus den ersten Tagen unserer Ehe. Lies ihn dir langsam durch, bis ich von meiner Denkmalsenthüllung zurück bin. Wirst dich wundern, wie sich da etwas wiederholt!« Er hielt seinem früheren Parteisekretär ein Briefpacken hin, zwang ihn beinahe in einen Sessel.Und der alte Mann, überrumpelt oder überrascht, zumindest aber verwundert, dass Wiegand sich so emsig vor einem Gespräch bewahrte, begann zu lesen, umständlich und genau, wie er es gewohnt war, öfter eine Textstelle wiederholend, denn war ihm auch die Schrift bekannt, die Schreibende hatte ihre Gedanken, Empfindungen und Erlebnisse ja nicht für so alte Augen wie die seinen aufs Papier gegeben. Nein, das nun überhaupt nicht, musste er öfter denken, während er las:... Du bist doch sonst ein so kluger Mann und kennst mich zwei Jahre, nein, länger. Manchmal sagst du, es sind hundert. Du weißt schon, das mit Schon-immer-Gekannt und Immer-schon-füreinander-Bestimmt, wir haben es uns oft gesagt und irgendwo ist das so erschütternd wahr, um irgend anderswo nicht mehr zu stimmen.Denn du hast vor »unserem Leben« schon gelebt, gut und sicher, nach meinen Begriffen sogar für dich zu sicher. Manchmal fürchte ich, den Hauch eines verbürgerten Sozialisten auch bei dir zu spüren. Aber wunderbarerweise lassen sich die guten Karten noch alle aufdecken.Ja, und da lebte auch ich vor diesem »Unseren« solche Jahre ... Und man scheint gewillt, sie einfach als umsonst gelebt abzutun. Aber es war ja nicht umsonst, Steffan, wie nichts im Leben umsonst ist oder gar umsonst verschenkt wird.Ich wollte es eigentlich im Vergessenen lassen, aber nun - Es gab vor uns einen Menschen, das heißt, ich kannte ihn schon lange, ehe es ihn gab, man war ja nicht leichtsinnig.Da färbten sich die Träume bunt, die Blumen hatten eine Sprache, und alle Kinder waren schön bis - ja, bis das große Wunder Mann zu einem Häufchen Angst vor Konsequenzen, zu einem Verfechter der Gewöhnung wurde. Und nun hätte man ... Du hast es mir einmal gesagt, eine Frau müsse um den Mann kämpfen, aber siehst du, da eben zeigt sich bei mir eine gewisse Unfähigkeit oder vielleicht ein falscher Stolz, doch das weiß ich nicht einzuschätzen.Und da hatte einem dieser Bemitleidenssüchtige, den man auch pflichtschuldigst tröstete, man liebte ihn ja, monatelang versichert: Ich weiß, Liebste, wir werden zusammengehören, ich weiß es bestimmt!
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