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Leseprobe
Die Mutter aller Wissenschaft Es will mich bedünken, Sancho, es gibt kein Sprichwort, das nicht die Wahrheit sagt; denn alle sind sie Sprüche, die aus der Erfahrung selbst, der Mutter aller Wissenschaft, entnommen sind. (Miguel de Cervantes, Don Quichotte) Die Menschheit besteht aus Familienmitgliedern, die sich keine große Mühe geben, einander kennenzulernen. Wir sind Menschen aus verschiedenen Kulturen, aufgeteilt in Männer und Frauen, wie können wir einander begegnen, ohne uns bereits von vornherein auszuschließen? Wir müssen lernen, miteinander zu kommunizieren1 und uns damit vertraut machen, was andere über sich selbst und über uns gedacht, gesagt und geschrieben haben. Das Wissen über die anderen ist ein Schlüssel, der uns hilft, in allen Bereichen friedlich miteinander zu leben. Sich zu fragen, was wir miteinander teilen, ist heute dringender als je zuvor. Jedenfalls ist das ein besserer Ausgangspunkt, als immer auf ein »wir« gegen »die« zu beharren oder darauf, wer zu »uns« gehört und wer nicht. Sprichwörter über Frauen beharren ebenfalls auf ein »wir« gegen »die«, allerdings werden hier nicht die Unterschiede zwischen den Kulturen zum Ausgangspunkt genommen, sondern der Unterschied zwischen Mann und Frau. Wer sich auf die Suche nach Unterschieden begibt, wird immer auch welche finden, doch wer Übereinstimmung sucht, wird entdecken, was die Menschen miteinander teilen. Was wir miteinander gemein haben, ist nicht nur einer Globalisierung zu verdanken, wie manche offensichtlich meinen, sondern auch den alten menschlichen Universalien (allgemeingültigen Aussagen). Seit Menschengedenken teilen wir nicht nur die Form unseres Körpers miteinander, sondern auch die Grundbedürfnisse und Grunderfahrungen, trotz aller lokalen kulturellen Unterschiede und historischen Veränderungen, die natürlich auch dazugehören. Gedanken, die vor über 4000 Jahren im heutigen Irak mit Keilschrift in sumerische Tontafeln geritzt wurden, zeigen gemeinsames Gedankengut mit dem späteren Sanskrit oder dem Chinesischen auf. Es finden sich auch Ähnlichkeiten mit griechischen oder lateinischen Betrachtungen und manchmal auch mit afrikanischen oder südamerikanischen Ideen, die man in Sprichwörtern wiederfinden kann, welche noch immer mündlich überliefert werden. Es stimmt, dass in unserer Zeit zum ersten Mal in der Geschichte Männer und Frauen im Prinzip den gleichen Zugang zu denselben Unterrichtsmöglichkeiten und dieselben Berufsmöglichkeiten haben, doch weltweit betrachtet, trifft das nur auf eine Auswahl von Privilegierten in bestimmten Ländern zu. Diese wenigen Auserkorenen vergessen schnell die unglaublichen Barrikaden, die über die Jahrhunderte hinweg überall errichtet wurden, um gerade diese neue Entwicklung zu verhindern. Es sagt schon genug aus, dass viele Sprichwörter den gleichberechtigten Zugang für Männer wie Frauen zum Unterricht und zu öffentlichen Funktionen als ein Horrorszenario beschreiben. Die vorliegende Studie, das Ergebnis einer langen, atemraubenden Forschungsreise, mündete schließlich in einer kleinen Kulturgeschichte der Menschheit. In den vergangenen Jahren habe ich an verschiedenen Orten von New York bis London, von Paris bis Peking Vorträge darüber gehalten, und auch das Publikum war sehr unterschiedlich. So habe ich zum Beispiel in einer Synagoge in Leiden gesprochen, in einer Moschee in Nairobi, vor dem Europäischen Parlament in Brüssel, vor der Niederländischen Vereinigung von Professorinnen oder vor taufenden Frauen im niederländischen Radio. Ein Gespräch über Sprichwörter ist eine besondere Erfahrung und kann auf jedem Niveau in allen Kulturen stattfinden. Jeder hat etwas dazu beizutragen, denn dieses Gespräch handelt von der menschlichen Existenz und damit von uns selbst. Sprichwörter über Frauen sagen auch viel über Männer aus und deswegen hat ein Buch wie dieses mit uns allen zu tun. Menschen verstehen mühelos Sprichwörter, die aus Kulturen kommen, von denen sie noch nie etwas gehört haben. Sprichwörter und Redensarten über wesentliche Aspekte des Lebens sind offenbar ein ausgezeichneter Ausgangspunkt dafür, nicht nur die anderen (und damit auch sich selbst) besser kennen zulernen, sondern auch die Entwicklung von Mann und Frau zu verstehen. Gemeinsam, auf ganz konkrete Weise, einen Blick auf unser kulturelles Erbe zu werfen, ohne Verdächtigungen, ohne Feindseligkeiten oder Polarisierung, das ist offensichtlich ein ausgezeichneter Weg, um Brücken zwischen den Kulturen zu bauen.