Beschreibung
Ein Schriftsteller wird zu einer Kreuzfahrt eingeladen, nicht als zahlender Passagier, sondern als sogenannter 'Gastkünstler'. Lohn sind ein anständiges Honorar, die Außenkabine mit Balkon, freie Verpflegung und andere Annehmlichkeiten. Doch in der umfangreichen Anlage lauert das Kleingedruckte, das genau gelesen sein will. Der Eingeladene macht es sich mit einer Antwort an die Agentin der Reederei nicht leicht - einer Antwort, in der ebenso scharfsinnig die Situation des Schriftstellers in Zeiten einer weltweiten Vergnügungssucht auf den Punkt kommt wie auch die stille Sehnsucht nach einer Vollmondnacht in der Karibik zu zweit.
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Hersteller:
Frankfurter Verlagsanstalt GmbH
Anika Germann
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Arndtstraße 11
DE 60325 Frankfurt am Main
Autorenportrait
Bodo Kirchhoff, geboren 1948, lebt in Frankfurt am Main und am Gardasee. Zuletzt erschienen in der Frankfurter Verlagsanstalt seine von Kritik und Publikum gleichermaßen gefeierten Romane 'Die Liebe in groben Zügen' (2012) und 'Verlangen und Melancholie' (2014). Im Herbst 2016 wurde Kirchhoff für seine Novelle 'Widerfahrnis' mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Das Gesamtwerk Bodo Kirchhoffs erscheint in der Frankfurter Verlagsanstalt.
Leseprobe
Sehr geehrte Frau Faber-Eschenbach, haben Sie Dank für Ihre Einladung zu einer zweiwöchigen Kreuzfahrt durch die Ka-ribik in einer Außenkabine mit Balkon unter der Bedingung mehrerer Lesungen aus meinen Werken, jeweils zur 'prime time', wie es in Ihrem Schreiben heißt, verbunden mit der Möglichkeit, eine Begleitperson meiner Wahl mit auf die Reise zu nehmen, ebenfalls samt Hin- und Rückflug nach Havanna auf Kosten der Reederei 'Arkadia-Line' - was soll ein Mensch dazu anderes sagen als Ja? Dennoch erlaube ich mir einige Gedanken vor einer Zusage, die, wie Sie hervorheben, möglichst umgehend erfolgen soll, auch wenn die Kreuzfahrt auf einem Ihrer Schiffe erst für die Zeit um die Jahreswende geplant ist, wir uns aber erst im Frühling befinden. Und die Eile, zu der Sie mahnen (Ihr Angebot traf während meines Abendspaziergangs ein, mit einem Anhang, der noch zu lesen wäre) wirft sogleich die Frage auf, wie Sie gerade auf meine Person kommen, sich also von Lesungen aus einem Werk, mit dem Sie sicher vertraut sind, für die Passagiere auf dem Schiff etwas versprechen, das ihnen die Reise wenigstens nicht verdirbt. Und daraus ergibt sich Frage zwei: Ob ich in der Auswahl der zu lesenden Stellen freie Hand hätte oder mich mit Ihnen abstimmen müsste; letzteres erschiene mir im Grundsatz falsch, wäre aber noch kein Hindernis für eine Zusage. Grundsätze, wenn ich das hier anmerken darf, soll man sich für Wichtiges aufheben; für eine Kreuzfahrt reicht die Nächstenliebe, die ja ohnehin nötig wäre, wenn ich in Betracht ziehe, dass auf jedem Ihrer Schiffe, wie man nachlesen kann, fünftausend Passagiere befördert werden, plus zweitausend Frauen und Männer der Besatzung (darunter möglicherweise auch Leser, man weiß es nicht), das heißt, eine für mich ungewohnte Anzahl von Menschen, mit denen das Reiseerlebnis zu teilen wäre.