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Wolke und Weide

Marcel Reich-Ranickis polnische Jahre

Erschienen am 25.03.2009
23,95 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783608941777
Sprache: Deutsch
Umfang: 287 S., 24 S. überwieg. farb. Tafelteil
Format (T/L/B): 3.5 x 21.1 x 13.3 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Jahre der Todesangst: Ausweisung nach Polen 1938, Warschauer Ghetto 1940, Flucht auf dem Weg zur Deportation 1943, Unterschlupf bis September 1944. In höchster Not entkommen Marceli Reich und seine Frau Teofila; sie tauchen unter und können ein neues Leben beginnen. Er arbeitet ab Oktober 1944 für den polnischen Geheimdienst in Kattowitz, Berlin, London, Warschau. 1958 verlässt er seine erste Heimat Polen in Richtung Bundesrepublik, wo ihm eine unvergleichliche Karriere als Literaturkritiker gelingt. Seither nennt er sich Marcel Reich-Ranicki. Mit 'Wolke und Weide' ist dem Warschauer Journalisten Gerhard Gnauck ein einfühlsames Porträt geglückt: Facettenreich skizziert er eine Jahrhundertgestalt und erzählt von Polen in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, einem Land, in dem sich die europäische Geschichte wie kaum an einem anderen Ort kristallisiert. Auf Anregung Gerhard Gnaucks hin erhielt die Familie Gawin, bei denen Marcel Reich-Ranicki und seine Frau untertauchen konnten, die Auszeichnung 'Gerechte unter den Völkern' und eine Rente der Bundesrepublik.

Autorenportrait

Gerhard Gnauck, geboren 1964, ging 1999 als Korrespondent für die »Welt« nach Polen. Er lebt in Warschau und recherchiert seit 1999 über die polnischen Jahre von Marcel Reich-Ranicki. Auf seine Anregung hin erhielt die Familie Gawin, bei denen Marcel Reich-Ranicki und seine Frau untertauchen konnten, die Auszeichnung »Gerechte unter den Völkern« des Instituts Yad Vashem.

Leseprobe

Anstelle eines Vorworts Wer hat sich nicht daran ergötzt: an den Sendungen des 'Literarischen Quartetts'? Wer hat nicht darüber diskutiert: über die Autobiografie 'Mein Leben'? Die Figur Marcel Reich-Ranickis hat in Deutschland Spuren hinterlassen. Sie hat in Polen, selbst in Israel zu Seufzern Anlass gegeben: 'Schade, dass wir nicht auch so einen haben.' Nachdem er in Deutschland bereits 'Literaturpapst' war, wurde er ein Medienstar, ja eine Symbolfigur; manche sehen in ihm sogar einen Ge schichtslehrer und eine moralische Instanz. Eine Jahrhundertgestalt. Über diese Figur wollen wir alles wissen - auch jede Frage an sie richten dürfen. Die ersten Fragen stellte ich dem Literaturpapst im Jahre 2002, nachdem Polen - nach deutschem Vorbild - seine 'Gauck-Behörde' gegründet hatte, das Institut des Nationalen Gedenkens (IPN). Zuvor hatte ich dort angefragt, ob es eine Akte über Reich-Ranicki gebe; es gibt sie in der Tat. Inzwischen haben etliche deutsche und polnische Kollegen sie eingesehen. Seitdem habe ich für die 'Welt' immer wieder über Reich-Ranickis polnische Jahre - fast drei Jahrzehnte - geschrieben. Ich habe weitere Archive besucht, Zeitzeugen gesucht und gefunden, auch ihn selbst mehrfach befragen können - wofür ich Reich-Ranicki an dieser Stelle danken möchte. Doch die Zeit reichte nie für alle Fragen. Allmählich wurde immer deutlicher, dass man durch das Prisma dieses Lebens unendlich viel über polnische, jüdische und deutsche Geschichte erfährt, diese Geschichte als Kontext seines Lebens erzählen kann. Als ebenso wichtige Aufgabe trat hinzu, sein Leben nicht nur aus der Sicht Marcel Reich-Ranickis, sondern auch aus der Perspektive seiner Zeitgenossen zu erzählen, seiner Freunde und Weggefährten, Kollegen und Gegner; audiatur et altera pars. Endlich würde das, was die Quellen in Polen erzählen, einfl ießen in den Strom der Erinnerung in Deutschland. Damit käme man auch dem Ziel näher, zu rekonstruieren, wie dieses Leben eigentlich gewesen ist - dort, wo Reich-Ranicki, ein begnadeter Selbstdarsteller, das eine oder andere verschwiegen oder anders erzählt hat. 'Mein Leben', die nicht nur in Deutschland gern gelesene Autobiografie, hat dafür viel Stoff und wichtige Anregungen geliefert. Doch sollten sich die Nachgeborenen nicht verpflichtet fühlen, sich dem Weltbild und Selbstbild ihres Autors zu unterwerfen. Wie man gerade dieses Leben, diese Autobiografie kritisch lesen kann, hat die Schriftstellerin Petra Morsbach in ihrer scharfsinnigen Analyse mustergültig vorgeführt. 1 Verzerrungen in Selbstbild und Fremdbild sollten nicht übersehen werden. Wo wird Reich-Ranicki von anderen etwas unterstellt? Wo frisiert der Kritiker seinen Lebenslauf ? Biegt er sich im eigenen Interesse die Geschichte zurecht - die deutsche, die polnische, die europäische? 'Eine Beschreibung seines Lebens kann nur dann nützlich sein und ihre Aufgabe erfüllen, wenn sie aus der direkten oder indirekten Polemik gegen sein Autoporträt hervorgeht.' 2 Marcel Reich-Ranicki hat diese Worte geschrieben; sie galten Thomas Mann. Dürfen sie auch für den Kritiker gelten? Der 'Herr der Bücher' hat - wer wollte es leugnen - mit seinen Biografen Glück gehabt. Mein Kollege Uwe Wittstock hat sein Verhältnis zu ihm in seinem Buch in die Worte gefasst: 'Kurz, ich mag ihn. Und außerdem: Was immer von seinen Gegnern gegen Reich-Ranickis Vergangenheit in Polen vorgebracht wurde oder wird, es ändert nichts an seinen Verdiensten um die deutsche Literatur.' 3 Völlig richtig. Aber man wird die Perspektive auch umkehren dürfen und sagen: Seine Verdienste um die Literatur, vor allem die deutsche, ändern nichts an seiner Vergangenheit in Polen. 'Mein Leben' über liefert für diese Jahrzehnte nicht die ganze Wahrheit. Man muss nicht 'Gegner' Reich-Ranickis sein, um das auszusprechen. Doch kann es hilfreich sein, wenn man mit ihm, wie es der Theaterkritiker Friedrich Luft ausgedrückt hätte, bei allem Respekt nicht ' Leseprobe

Schlagzeile

Eine Darstellung von Marcel Reich-Ranickis Zeit in Polen anhand unbekannter Fotos und bisher unzugänglicher Dokumente