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Menschheit am Nullpunkt

Aus dem Abgrund des 20.Jahrhunderts

Erschienen am 31.12.2001
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783608935479
Sprache: Deutsch
Umfang: 300 S., 4 Karten, 21 schw.-w. u. 9 farb. Abb.
Format (T/L/B): 2.8 x 21 x 13.3 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Peter Englunds 'Menschheit am Nullpunkt' ist eine Sammlung historischer Essays, die auf unterschiedlichste Art das dunkle 20. Jahrhundert behandeln. Die Themen der einzelnen Kapitel reichen vom Ersten Weltkrieg, Ausgangspunkt und Urkatastrophe des Jahrhunderts, über den ebenso zerstörerischen Zweiten Weltkrieg bis hin zur totalitären Erfahrung in stalinistischer wie nationalsozialistischer Gestalt. Um 11.02 Uhr am 9. August 1945 detonierte die Atombombe über der Urakami-Kathedrale in Nagasaki. Ein blendend weißes Licht, ein Feuerball, eine verzehrende Hitze, eine Druckwelle, die sich in alle Richtungen vom Zentrum der Explosion ausbreitete, und dann die nicht wahrnehmbare Strahlung - anschließend eine unfaßbare Zerstörung. Der Autor ist an die alten Schauplätze zurückgekehrt; packend und detailliert schildert er Personen und Ereignisse, Phänomene und Orte des historischen Geschehens. So erfährt der Leser, wie es zuging, als Hitler und Stalin darum kämpften, das größte Gebäude der Welt zu erbauen; von den Erlebnissen eines englischen Künstlers in den Schützengräben des Jahres 1917, die einige der erschütterndsten Gemälde des Jahrhunderts hervorbrachten; vom ersten Feuersturm und von der verdrehten Logik des atomaren Winters; vom Holocaust und dem SS-Mann, der im Verborgenen versuchte, ihn zu stoppen. Kurz gesagt: eine Begegnung mit Helden und Feiglingen, Handlangern und Zuschauern, Opfern und Henkern in diesem gewaltsamsten und tragischsten Jahrhundert in der Geschichte der Menschheit.

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Autorenportrait

Peter Englund lehrt Geschichte an der Universität Uppsala. Gleichzeitig ist er als Journalist unterwegs, vor allem in Krisengebieten wie jüngst im Bosnienkrieg. Sein Buch Die Verwüstung Deutschlands wurde 1993 von der schwedischen Verlegervereinigung als Bestes Sachbuch des Jahres ausgezeichnet.

Leseprobe

Wir schaffen eine neue Welt 1. Anfangs liebte er die Schützengräben. Voller Erwartung und Neugierde war er an die Front gereist, in jener freundlichen, aber etwas trügerischen Gemütsverfassung, die das Belanglose gerne wichtig und das Banale grandios erscheinen läßt. Auf dem Weg nahmen seine Sinne deshalb eine ganze Reihe trivialer Details auf: Mal folgte er einem nichtssagenden Gespräch, mal fiel ihm das seltsam geformte Dach einer Hütte auf, ein anderes Mal, wie ein älterer Franzose seine Serviette trug. Aber dies lag nur zum Teil an seiner Ungeduld. Zwar hatte er sich bereits im Frühherbst 1914 anwerben lassen und somit über zwei Jahre auf diesen Moment warten müssen. Aber er war auch Künstler und als solcher ausgestattet mit einem ausgesprochenen Sinn für Details und einem großen Bedarf an neuen Eindrücken. Sein Name war Paul Nash. Der Krieg erwartete ihn in St. Eloiis, einer kleinen Wegkreuzung gut vier Kilometer südlich von Ypern im südwestlichen Flandern. Dort stand sein Verband, das Hampshire-Regiment, so als hätte man es in ein unüberschaubares Labyrinth aus Verbindungsgräben, Schutzwällen und Erdlöchern geschüttet - ein kleines Bruchstück jenes graubraunen Bands der Zerstörung, das sich in diesem Frühjahr 1917 von der Kanalküste bis hinab zur Schweizer Grenze schlängelte. Nash war 27 Jahre alt, hochgewachsen und schlank, hatte dichtes, schwarzes, nach hinten gekämmtes Haar, eine Adlernase, große, abstehende Ohren und einen kleinen, geschwungenen Mund, der seine sensible und nervöse Natur andeutete. Er ist durchaus typisch: noch einer von diesen enthusiastischen und am College ausgebildeten jungen Männern, die mit Homer oder einer Sammlung französischer Lyrik des 18. Jahrhunderts im Rucksack an die Front reisten, bereit für das große Abenteuer. Für sie wie für Nash war der Krieg eine große persönliche Herausforderung. "Wenn es etwas gibt, wonach ein Mann hier beurteilt wird", schrieb er in einem Brief an seine Frau, "und für tauglich oder nutzlos erklärt wird, dann ist es sein Verhalten in Gefahr." Nicht zu überhören ist auch die Erleichterung, die er empfand, als er begriff, daß er den Belastungen gewachsen sein würde. Tatsächlich war Nash mehr als nur erleichtert, er war begeistert. "Ich bin in diesen Tagen sehr glücklich", schrieb er später, "ich glaube in der Tat, daß ich in den Schützengräben glücklicher bin als sonstwo hier draußen. Das klingt absurd, aber das Leben hat hier einen größeren Sinn und einen neuen Schwung bekommen, und die Schönheit ist durchdringender." Er wollte so gerne diese paradoxe Schönheit sehen und meinte sie auch zu finden. Wir, die wir heute leben, haben uns daran gewöhnt, den Ersten Weltkrieg als eine Prozession schemenhafter, dunkelgrauer Gestalten mit schlechtsitzenden Wickelgamaschen und bemüht tapferen Mienen, die sich chaplinesk in einer ebenso schemenhaften, dunkelgrauen Landschaft bewegen, zu sehen. In Nashs Briefen gibt es zumindest die Farben, und man merkt, daß er eigentlich Landschaftsmaler war. Der Lehm hatte begonnen zu trocknen und eine rosa Färbung anzunehmen, schreibt er, und auf der Brustwehr des Schützengrabens und in den aufgeplatzten Sandsäcken sproß frisches, grünes Gras empor und wiegte sich im Wind, an manchen Stellen blühten gelber Löwenzahn, lila Flieder und weiße Apfelblüten. Auch die Granatexplosionen übten eine ganz besondere Anziehungskraft auf Nash aus. Unablässig berichtet er von "großen Fontänen aus Schwarz, Braun und Orange, die inmitten einer Masse aus weißem Rauch in die Luft schießen" - sowie von den allgegenwärtigen Ruinen - "diesen wundervollen, zerstörten Formen, die mich so begeistern". Er zeichnete, sobald er Zeit dazu fand. Es waren in der Regel eigentümlich idyllische Studien, in denen die Natur buchstäblich im Vordergrund steht und der Krieg zu einer Nebensache wird. Die Zerstörung sticht einem nicht ins Auge, verneint deshalb nicht die Schönheit, verstär

Schlagzeile

'Gerade unser hartnäckiger Glaube an die Vernunft macht den Wahnsinn erst möglich.'