Beschreibung
Die globale Wirtschaftselite gibt es nicht Die internationale Superelite, die die Fäden zieht und von den Großkonzernen aus die Welt regiert, gibt es nicht. Michael Hartmann entzaubert einen Mythos: Der Elitenforscher hat sich die 1000 größten Unternehmen der Welt über 20 Jahre hinweg angesehen, ebenso wie die weltweit 1000 reichsten Personen. Das Ergebnis: Wirtschaftseliten rekrutieren sich eher national, der globale Markt für Topmanager ist eine Legende. Stattdessen leben wir in einer zunehmend multipolaren Welt, in der die Interessen der Länder und Regionen auseinanderfallen. So ist China in puncto Internationalität das Schlusslicht, die Schweiz ein Vorreiter. Hartmann zeigt, dass die Sprache, kulturelle Traditionen, Ausbildungswege und nicht zuletzt die Steuerpolitik für diese Entwicklung verantwortlich sind.
Autorenportrait
Michael Hartmann ist Deutschlands renommiertester Elitenforscher. Er steht für die These, dass Herkunft maßgeblich über den Erfolg entscheidet. Bis Herbst 2014 war Hartmann Professor für Soziologie an der TU Darmstadt. Bei Campus sind von ihm mehrere Bücher zum Thema Elite erschienen, zuletzt "Die globale Wirtschaftselite. Eine Legende" (2016).
Leseprobe
1. EINLEITUNG Im Juni 2015 wurde der Brite John Cryan, als dritter Ausländer in Folge, zum Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank berufen. Seine Vorgänger waren der Schweizer Josef Ackermann, der von 2002 bis 2012 amtierte, dann der indisch-stämmige Brite Anshu Jain. Zwar stand Cryan, wie zuvor Jain, der Deutsche Jürgen Fitschen bis Mai 2016 als zweiter Vorsitzender zur Seite, die eigentliche Entscheidungsmacht lag jedoch schon bei ihm. Dass dieser Konzern, der über lange Jahrzehnte wie kaum ein anderes deutsches Unternehmen als fest in deutschen Traditionen verankert galt, seit über einem Jahrzehnt von Ausländern geleitet wird - das ist für viele Beobachter ein klarer Beleg für die unaufhaltsame und schon weit fortgeschrittene Globalisierung der Wirtschaftselite. Untermauert wird dieser Eindruck durch die Tatsache, dass aktuell weitere fünf DAX-Konzerne, nämlich Adidas, Fresenius Medical Care, Henkel, RWE und SAP, von Ausländern geführt werden, zwei US-Amerikanern, einem Belgier, einem Dänen und einem Niederländer. Die große Zahl an reichen Deutschen, die aus steuerlichen Gründen die Schweiz als ihren Wohnsitz gewählt haben, deutet in dieselbe Richtung. Von den 300 im Jahr 2015 in der Schweiz wohnenden reichsten Personen ist nach Angaben des Schweizer Wirtschaftsmagazins Bilanz immerhin fast jede fünfte Deutscher. Dem breiten Publikum bekannt sein dürften vor allem die Formel 1-Rennfahrer Michael Schumacher und Sebastian Vettel. Sie rangieren mit einem Vermögen von 750 Millionen (Schumacher) bzw. 125 Millionen Schweizer Franken (Vettel) unter den 300 reichsten Deutschen in der Schweiz allerdings nur auf einem mittleren Platz bzw. sogar in der Schlussgruppe. Allein 26 dieser Deutschen verfügen dagegen über mehr als eine Milliarde Euro Vermögen. An der Spitze liegen laut Bilanz die Familie Liebherr und Klaus Michael Kühne mit acht bis neun Milliarden Franken. Unter den weiteren in der Schweiz residierenden Milliardären finden sich ebenfalls viele bekannte Namen, von den Familien Jacobs, Engelhorn und von Finck über Theo Müller und Bettina Würth bis hin zu Georg von Opel und Rolf Gerling. Der Soziologe Ulrich Beck hat es so formuliert: Die reichen Eliten praktizieren eine "Polygamie des Ortes", weil sie über das erforderliche ökonomische und kulturelle Kapital verfügen, "um den optimalen Kontext für deren Verwertung selbst zu wählen". Damit scheint er den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben (Beck 2008: 316). Die bekannte Wirtschaftsjournalistin und frühere stellvertretende Chefredakteurin der Financial Times, Chrystia Freeland, spricht in ihrem 2012 in den USA erschienenen, 2013 auf Deutsch veröffentlichten und hier wie jenseits des Atlantik medial viel beachteten Buch Die Superreichen denn auch durchgehend von einer globalen oder internationalen Superelite. Diese Menschen teilen laut Freeland die gleichen oder zumindest ähnliche Interessen, Konsumgewohnheiten und Lebensstile, sie gehen auf die gleichen Ausbildungsinstitutionen und sie betrachten sich in erster Linie als Weltbürger. Freeland illustriert diese These mit zahlreichen Beispielen wie etwa dem von Lakshmi Mittal. Mittal ist einer der reichsten Inder, errang seine ersten beruflichen Erfolge in Indonesien, lebt seit Jahren in London und ist Haupteigner und CEO des juristisch in Luxemburg angesiedelten Stahlkonzerns ArcelorMittal. Solche sehr plastischen und auf den ersten Blick auch überzeugenden Einzelbeispiele und -eindrücke prägen große Teile ihres Buchs. An die Stelle von einzelnen Beispielen und Eindrücken eine systematische Analyse der weltweit einflussreichsten Topmanager und Milliardäre zu setzen, ist das Ziel des vorliegenden Buchs. Anhand von mehreren tausend Spitzenmanagern und über tausend Milliardären soll geklärt werden, wie global, international oder transnational diese Menschen wirklich sind. Transnationalität stellt dabei die niedrigste Stufe dar. Sie gibt an, in welchem Umfang die Personen über Auslandserfahrungen in Studium oder Ber