Beschreibung
Kapitalismuskritik von Robert B. Reich Der Kapitalismus zerstört sich selbst, wenn er auf den Profit der wenigen setzt, sagt Robert B. Reich, Ikone der amerikanischen Linken. Dabei geht es nicht um die Frage, ob wir mehr Markt oder mehr Staat brauchen, sondern wer welche Spielregeln setzt. Denn die Marktregeln, die sich eine Gesellschaft gibt, spiegeln, was sie für gut und fair hält. Amerika, das kurz vor der Präsidentschaftswahl steht, ist ein zweifelhaftes Vorbild, denn der Unmut in der Bevölkerung über die immer stärkere Machtkonzentration wächst. Sie spaltet Establishment und Anti-Establishment, Arm und Reich. Doch es ist nicht zu spät, den Kapitalismus zu retten: für alle, nicht für 1 Prozent. Reich warnt ins seinem Buch vor einer gegenwärtigen Entwicklung, die weder ökonomisch noch politisch nachhaltig ist. Reich ist überzeugt: Politische Ökonomien, die den größten Teil ihrer Gewinne einer kleinen Gruppe an der Spitze zuteilen, sind ihrem Wesen nach instabil. "Reich liefert den schlagenden Beweis dafür, dass die zunehmende Ungleichheit politische Entscheidungen spiegelt, die auch in eine ganz andere Richtung hätten gehen können Rettet den Kapitalismus ist in unserer gegenwärtigen Lage ein sehr guter Lotse." The New York Review of Books
Autorenportrait
Robert B. Reich ist Professor für öffentliche Politik an der Goldman School of Public Policy der University of California, Berkeley. Er war von 1993 bis 1997 USArbeitsminister unter Präsident Bill Clinton. Bei Campus erschienen "Superkapitalismus" (2008) und "Nachbeben" (2010).
Leseprobe
Vorwort zur deutschen Ausgabe Stagnierende oder gar sinkende Löhne für die Masse gepaart mit schwindender Arbeitsplatzsicherheit und zunehmender Ungleichheit; Aktiengesellschaften, Bankenriesen und Milliardäre kontrollieren einen wachsenden Anteil von Wirtschaft und Staat; eine vehemente Feindseligkeit gegenüber Fremden und Zuwanderern findet ihren Ausdruck in populistischem Zorn. Kommt Ihnen das bekannt vor? Für die Amerikaner jedenfalls wird das zunehmend zur politisch-ökonomischen Normalität. Steht diese neue Normalität unausweichlich auch den Deutschen ins Haus? Sicher, seit Ende der 1990er-Jahre sind die Einkommen fast aller Deutschen gestiegen. Man sollte dabei jedoch nicht übersehen, dass die Einkommen ganz oben in weit höherem Maße gestiegen sind. Und dass sich längst viele Deutsche Kräften ausgeliefert fühlen, auf die sie keinen Einfluss zu haben meinen - was dieselbe Art von populistisch-nationalistischem Gären zur Folge hat, wie wir es hier in den Vereinigten Staaten sehen. Die gängigen Erklärungen für den wirtschaftlichen Druck, dem Beschäftigte in den Vereinigten Staaten während der letzten Jahrzehnte ausgesetzt waren (und immer noch sind), konzentrierten sich auf die Globalisierung und den Verlust von Arbeitsplätzen durch Technologie. Nur: So ganz alleine vermag die Tatsache, dass schlechter bezahlte Beschäftigte in Entwicklungsländern oder computergesteuerte Maschinen heute Arbeit billiger verrichten, die umrissene Entwicklung nicht zu erklären. Vor allem übersehen diese Erklärungen die zunehmende Konzentration politischer Macht in den Händen von Konzerneliten und Hochfinanz, die neben den Superreichen einen überproportionalen Einfluss auf das Regelwerk gewonnen haben, nach dem unsere Wirtschaft spielt. Die anhaltende Debatte zwischen der politischen Rechten und Linken um die Verdienste des sogenannten "freien Marktes" lenkt von der Tatsache ab, dass der Markt in den Vereinigten Staaten wie in Deutschland heute anders organisiert ist als noch vor 30 Jahren und dass seine gegenwärtige Organisation nicht - wie damals - zu breit angelegtem Wohlstand und existenzieller Sicherheit zu führen vermag. Der wesentliche Grund für diese Entwicklung ist die besagte Konzentration politischer Macht und ihr Einfluss auf die Spielregeln. Allein sie hat dafür gesorgt, dass die Vergütungspakete für die Chefetagen der Konzernriesen derart fantastische Höhen erreicht haben - während sich die Löhne und Berufsaussichten von Collegeabsolventen in letzter Zeit verschlechtert haben und die Arbeitsplätze der Mittelschicht sowohl in Deutschland als auch in den Vereinigten Staaten weniger sicher sind als noch vor 30 Jahren. So haben, um nur ein Beispiel vorwegzunehmen, die Eliten von Konzernwelt und Hochfinanz sowohl für eine Ausweitung als auch für eine Verlängerung der Rechte an geistigem Eigentum - Patenten, Schutzmarken und Copyrights - und dadurch für höhere Profite bei Pharma-, Hightech-, Biotech- und Entertainmentkonzernen gesorgt. Diese Profite gehen in Form höherer Preise zulasten der Durchschnittsverbraucher, was einer teilweisen Umverteilung ihres Einkommens nach oben - an Top-Executives und Großaktionäre - gleichkommt. Viele große Aktiengesellschaften haben darüber hinaus genügend Marktmacht erlangt, um die Preise höher zu treiben, als sie unter normalen Wettbewerbsbedingungen sein müssten. In den Vereinigten Staaten gehören zu diesen Konzernen Lebensmittelriesen, Fluglinien, Internet-Serviceprovider, Krankenkassen und Hightech-Unternehmen - die Eigentümer der Software-Plattformen, die heute de facto zu Industriestandards geworden sind (Amazon, Facebook und Google). Getrieben durch die besagte Umverteilung vom durchschnittlichen Verbraucher hin zu Top-Executives und Großaktionären, schlägt eine solche Marktmacht in Form von höheren Profiten zu Buche. Über die gesetzliche Regelung des geistigen Eigentums hinaus hat diese Macht auch für eine Änderung des Insolvenzrechts zugunsten von Großkonzernen und Finanzinstituten gesorgt. So können in den Vereinigten Staaten die Reichen als Privatpersonen Insolvenz anmelden, um ihr Vermögen vor missglückten Investments zu schützen, und Konzerne können sich der Insolvenz bedienen, um lästige Verpflichtungen aus Tarifverträgen außer Kraft zu setzen. Ehemaligen Studenten hingegen, die mit der Tilgung ihres Studienkredits Probleme bekommen, oder Besitzern eines Eigenheims, die im Sog einer schlimmen Rezession ihre Hypothek nicht mehr zahlen können, ist es nicht erlaubt, ihre Schulden durch eine Insolvenz zu sanieren. Auch hier ist die Folge eine versteckte Umverteilung nach oben. Parallel dazu verhinderte das politische Wirken von Großkonzernen und Finanzinstituten sowohl in den USA als auch in Deutschland das Steigen der Löhne im Verhältnis zu den Produktivitätszugewinnen. Handelsabkommen leisten dem Outsourcing von Arbeit ins Ausland Vorschub, sorgen aber sehr wohl für einen besseren Schutz des geistigen Eigentums und auch der Finanzanlagen im betreffenden Land. Die Budgets von Staaten wie Deutschland und den USA konzentrieren sich auf den Abbau des Haushaltsdefizits anstatt auf die Schaffung von Arbeitsplätzen, wodurch sie die Verhandlungsmacht des Durchschnittsarbeiters weiter unterminieren. Zunehmend grobmaschige Sicherheitsnetze und ein verminderter Arbeitsschutz haben in beiden Ländern die Arbeitsplatzuntersicherheit des durchschnittlichen Arbeiters weiter erhöht - und damit seine Bereitschaft, geringere Löhne zu akzeptieren. Darüber hinaus spiegelt sich die Macht von Konzernen und Großfinanz in der schwindenden Macht der Gewerkschaften. Vor 50 Jahren, als General Motors Amerikas größter Arbeitgeber war, verdiente der typische Arbeiter bei GM - nach heutigem Geldwert - $?35 die Stunde. Vor zwei Jahren, 2014, war Amerikas größter Arbeitgeber Walmart und der typische Beschäftigte dort brachte $?9 die Stunde nach Hause. Das liegt größtenteils daran, dass die Arbeiter bei GM vor einem halben Jahrhundert eine starke Gewerkschaft im Rücken hatten - während Walmarts Beschäftigte überhaupt nicht organisiert sind. Walmart hat sich bislang allen entsprechenden Versuchen seiner Beschäftigten erfolgreich widersetzt. Dieses Muster lässt sich allenthalben in der amerikanischen Wirtschaft feststellen: In den 1950er-Jahren gehörte ein Drittel aller Beschäftigten in Amerikas privatem Sektor einer Gewerkschaft an - heute sind es weniger als 7 Prozent. Es dürfte angesichts dessen nicht weiter überraschen, dass die Konzernprofite als Teil der amerikanischen Gesamtwirtschaft angezogen haben, während der Anteil der Löhne gesunken ist. In den USA wie in Deutschland sind dabei alle diejenigen, deren Einkommen direkt oder indirekt von Profiten abhängen - Konzernchefs, Finanzmakler und Aktionäre - ausgesprochen gut gefahren. Was man von den Leuten, die in erster Linie von Löhnen abhängig sind, nicht sagen kann. Sicher, Deutschland hat noch ein Stück zu gehen bis zum oligarchischen Kapitalismus amerikanischer Prägung, aber lassen Sie sich nicht täuschen: Deutschland folgt Amerikas zweifelhaftem Vorbild. Es gibt keine Märkte ohne Regeln. Und wenn Konzernriesen, Großbanken und Superreiche überproportionalen Einfluss auf diese Regeln haben, wird der Markt sie nach und nach begünstigen - was zu ihrem Reichtum beiträgt und damit wiederum ihren Einfluss erhöht. Wenn man sich um diese Entwicklung nicht kümmert, ihr nicht Einhalt gebietet, kann dieser Teufelskreis sich nur noch beschleunigen. Ich kann den Deutschen nur raten, sich in Acht zu nehmen. Die gegenwärtige Entwicklung ist nicht nachhaltig, weder ökonomisch noch politisch. Keine Wirtschaft der Welt kann ohne die Kaufkraft einer starken, wachsenden Mittelschicht die nötige Fahrt beibehalten - es ist dies einer der Gründe dafür, dass die US-Wirtschaft sechs Jahre nach einem ökonomischen Aufschwung kaum wieder dort ist, wo sie vor der Talfahrt in die Große Rezession war. Und es ist einer der Gründe, weshalb Zorn und Frustration ei...