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Europäische Betriebsräte

Grenzüberschreitende Koordination in der Automobilzulieferindustrie, Arbeit - Interessen - Partizipation 13

Erschienen am 17.08.2015, 1. Auflage 2015
52,00 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593503288
Sprache: Deutsch
Umfang: 364 S.
Format (T/L/B): 2.5 x 21.5 x 14 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Der Strukturwandel der Automobilindustrie erfordert zunehmend transnationale Aushandlungen zwischen Arbeitnehmervertretungen und Management. Der Band zeigt, dass Europäische Betriebsräte trotz formal schwacher Rechtsgrundlagen ein beachtliches Maß an grenzüberschreitender Koordination und Regulation entwickeln können.

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Autorenportrait

Axel Hauser-Ditz ist wiss. Mitarbeiter für Soziologie an der Universität Bochum. Ludger Pries ist dort Professor für Soziologie. Valentina Mählmeyer ist wiss. Mitarbeiterin am WZB.

Leseprobe

Einleitung Europäische Betriebsräte (EBRs) haben in den letzten Jahren eine wach-sende Aufmerksamkeit in der wissenschaftlichen Debatte wie in der betriebs- und gewerkschaftspolitischen Diskussion um die Möglichkeiten grenzüberschreitender Regulierung von Arbeit erfahren. Die zunehmend grenzüberschreitende Organisation von konzerninternen Wertschöpfungs-ketten und der damit einhergehende Standortwettbewerb verlangen gera-dezu nach Möglichkeiten auch für die Arbeitnehmervertreter, in einen effektiven, grenzüberschreitenden Dialog mit dem Management wie auch untereinander einzutreten. Diese Möglichkeit wurde formalrechtlich durch die EBR-Richtlinie von 1994 und ihre im Juni 2011 in Kraft getretenen Novelle gelegt. Dass grenzüberschreitende Interessenregulierung auch praktisch möglich ist, zeigen gerade Beispiele aus der hochgradig vernetzten und vom Standortwettbewerb geprägten Automobilindustrie (Hauser-Ditz et al. 2010), wo Europäische Betriebsräte - wie etwa der EBR bei Volkswagen, das EEF bei GM und der EFB bei Ford - in der Vergangenheit durchaus ein beachtliches Maß grenzüberschreitender Koordination und Regulierung entwickeln konnten. Auch wenn einige dieser Gremien in der jüngsten Automobilkrise empfindliche Niederlagen zu verkraften hatten, wird an diesen Beispielen doch das Potenzial der Institution EBR deutlich. Vor dem Hintergrund fortschreitender länderübergreifender Produk-tionsverlagerungen in der Automobilzulieferindustrie war es - ausgehend von den Erkenntnissen über die Automobilendhersteller (OEMs) - das Ziel des Forschungsprojektes "Europäische Betriebsräte als Akteure im Strukturwandel der Automobilzulieferindustrie" zu untersuchen, welche Rolle Europäische Betriebsräte unter den erschwerten Wettbewerbsbedin-gungen der Zulieferbranche im Hinblick auf die Sicherung von Unter-nehmensstandorten und den Erhalt von Beschäftigung spielen. Anhand von fünf Fallstudien in ausgewählten Zulieferunternehmen wurde der Frage nachgegangen, inwiefern die EBRs die Konzernstrategien bezüglich der Verteilung von Produktionsvolumina beeinflussen und dabei die Inte-ressen der abhängig Beschäftigten zur Geltung bringen können. Im Ein-zelnen wurden folgende Fragen untersucht: Inwiefern unterscheiden sich die Internationalisierungsstrategien der Zulieferunternehmen und welche Restrukturierungsprozesse und Standortverlagerungen sind damit verbun-den? Wie sind die EBR-Strukturen ausgestaltet und inwiefern sind sie an das jeweilige Unternehmen angepasst? Inwiefern gelingt es den EBRs, Einfluss auf Restrukturierungsprozesse und Standortentscheidungen zu nehmen oder deren Folgen abzumildern? Von welchen Faktoren hängt der Erfolg der EBR-Arbeit in diesem Kontext ab? Stärker als bisherige EBR-Studien setzte das Projekt dabei auf die Analyse der Unternehmensstrukturen und der Passgenauigkeit der jeweiligen EBR-Strukturen mit diesen. Hierzu wurde, basierend auf einer Internationalisierungstypologie, in den Fallstudien jeweils ein detailliertes Profil sowohl der Untersuchungsunternehmen als auch der entsprechenden EBRs erstellt. Die leitende Annahme, die aus anderen Forschungskontexten gewonnen worden war (Hauser-Ditz et al. 2010), kann dabei als organisational-fit-Hypothese zusammengefasst werden: Bei der Beurteilung der Aktivitäten von EBRs kommt es nicht nur auf deren Struktur, Politiken und Beziehungen zu den anderen Akteursgruppen (Management, Gewerkschaft, nationale Interessenvertretungen et cetera) an, sondern vor allem auch auf die Kompatibilität der EBR-Organisation mit der (europäischen) Unternehmensorganisation. Dabei zeigt sich gerade im Vergleich zu den Autoendherstellern, dass die Unternehmen der Automobilzulieferindustrie in Europa im Hinblick auf Produkte, Produktionsprozesse, divisionale Organisationsstruktur und Verteilung der Standorte wesentlich vielfältiger sind. Dies gilt auch für die Interessenlagen und Vertretungsstrukturen nach Standorten und Produktionsbereichen. Eine wesentliche Erkenntnis der hiermit vorgelegten Studie ist, dass EBRs der Autozulieferindustrie mit dem Management dieser Vielfalt nicht selten strukturell überfordert sind. Der nachfolgende Bericht ist wie folgt aufgebaut: Nach einem problemzentrierten Abriss der Branchenbesonderheiten der Automo-bilzulieferindustrie folgt einer Darstellung des Forschungsstands zu Europäischen Betriebsräten, bevor im Anschluss das Untersuchungs-modell, dessen methodische Umsetzung und die Fallauswahl der Untersu-chung erläutert werden. Kern des Berichts ist die Analyse der oben formulierten Fragestellungen anhand von fünf Fallstudien führender Tier-1-Automobilzulieferer (direkt die Endhersteller beliefernde Unternehmen), in denen jeweils die Struktur- und Arbeitsweise sowie der Interessenvertretungs-Output des EBR vor dem Hintergrund der spezi-fischen Internationalisierungskonfiguration des Unternehmens behandelt werden. Anschließend werden in einem Quervergleich die wichtigsten Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Untersuchungsfälle herausgear-beitet und auf die Erklärungsfaktoren des Untersuchungsmodells bezogen. Am Ende werden die zentralen Ergebnisse zusammengefasst und Schlussfolgerungen für die weitere Forschung angeboten. Die Autozulieferindustrie und ihre Europäischen Betriebsräte Struktur und Entwicklungen der Automobilzulieferindustrie Die Automobilindustrie ist einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige in Deutschland: Im Jahr 2013 erwirtschafte sie einen Umsatz von 362 Milliarden Euro, davon etwa 127 Milliarden Euro im Inland, was ungefähr einem Fünftel der gesamten Industrieproduktion entspricht (VDA 2014: 16). Die Automobilproduktion ist zusammen mit dem Maschinenbau hauptverantwortlich für den hohen Außenhandelsüberschuss Deutschlands. Mit 720.000 Beschäftigten (2011) stellt die Branche 14 Prozent aller Industriebeschäftigten. Davon entfallen 405.000 Beschäftigte auf die Endhersteller (OEMs) und 284.000 auf die Automobilzulieferer. In den Jahren 1995-2005 hatte die deutsche Automobilindustrie einen Beschäftigungsaufbau von insgesamt 110.000 Stellen zu verzeichnen, davon etwa 80.000 bei den Zulieferern. Zwischen 2010 und 2013 entstanden bei Herstellern und Zulieferern der Automobilindustrie etwa 54.000 neue Arbeitsplätze, insgesamt wurden 756.000 feste Arbeitsverhältnisse (ebd.: 18). Die Branche erweist sich damit im Umfeld eines allgemeinen Trends zum Abbau von industriellen Arbeitsplätzen in Deutschland als erstaunlich beschäftigungsstabil. Wie Abbildung 1 zeigt, sinkt beziehungsweise stagniert die Zahl der Beschäftigten in der Zulieferindustrie allerdings seit Mitte des letzten Jahrzehnts wieder. Während die Endhersteller über 70 Prozent ihrer Umsätze durch Ausfuhren erzielen, haben die Zulieferer überwiegend Abnehmer in Deutschland. Hier werden zwei Drittel des Umsatzes erwirtschaftet. Der Anteil der Ausfuhren der deutschen Zulieferindustrie hat sich jedoch in den letzten Jahren stetig erhöht. Die naheliegende Vermutung, die stark exportorientierten Endhersteller würden sich überwiegend aus der einheimischen Zuliefer-Basis versorgen, ist jedoch zu vereinfacht. Zum einen importieren die Zulieferer Vorprodukte und Halberzeugnisse aus dem Ausland und verlagern im Rahmen eines Fertigungsverbundes arbeitsintensive Montageschritte in die Niedriglohnländer Osteuropas. Zum anderen importieren die OEMs selbst Produkte, die in den ausländischen Werken deutscher Zulieferer hergestellt wurden. Veränderte Arbeitsteilung zwischen Zulieferern und Endherstellern und Internationalisierung der Produktion Seit den 1990er Jahren befindet sich die automobile Wertschöpfungskette in einem tiefgreifenden Umbruch. Einerseits hat sich die Arbeitsteilung zwischen den Automobilendherstellern (OEMs) und Zulieferern in Deutschland wie in den übrigen Industrieländern nachhaltig verändert. Seit jeher besteht, stärker als in anderen Branchen, eine enge Verflechtung zwischen den Endherstellern und Zulieferern, die sich durch weitere Prozessoptimierung ...

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