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Die Europäisierung Russlands

Moskau zwischen Modernisierungspartnerschaft und Großmachtrolle

Erschienen am 19.04.2012, 1. Auflage 2012
42,00 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593395296
Sprache: Deutsch
Umfang: 284 S.
Format (T/L/B): 1.7 x 21.2 x 14.1 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

InhaltsangabeInhalt Einleitung Die Europäisierung Russlands: Anspruch und Wirklichkeit Gernot Erler9 1.Auf dem Weg zur gebremsten Modernisierung11 2.Vom "eigenen Weg" zur offenen Tür14 3.Das Trauma NATO-Osterweiterung17 4."Nicht vom Gas allein.": Partnerschaft mit der EU22 5.Zwischen Bluff und Blickwendung: die eurasische Karte25 6.Im Dickicht der Optionen29 Kapitel 1 Genesis und Perspektiven des politischen Systems in Russland Peter W. Schulze33 1.Glasnost, Perestroika und der postsowjetische Aufbruch33 2.Strukturdefizite der Umbruchphase38 3.Das System Putin49 4.Die Grundlagen der Machtsicherung55 5.Das Modernisierungsprojekt66 6.Eine Mittelschicht entsteht77 7.Die Agenda der Modernisierung - Glasnost und Perestroika à la Medwedew96 8.Alea iacta est: Putins dritte Amtszeit101 9.Eine Gesellschaft in Bewegung107 10.Ausblick111 Kapitel 2 Russland und die NATO: dauerhaft getrennt gemeinsam? HansJoachim Spanger115 1.Die NATO als Drehachse der europäischen (Un-)Sicherheit118 2.Russland, der virtuelle Partner132 3.Was ist zu tun?143 Kapitel 3 Zwischen Partnerschaft und Konkurrenz: Die Entwicklung der EU-Russland-Beziehungen Hans Martin Sieg150 1.Die Entwicklung der Beziehungen bis zur ersten Präsidentschaft Putins150 2.Von der EUErweiterung 2004 bis zur Modernisierungspartnerschaft157 3.Die Energiebeziehungen163 4.Konkurrenz im GUS-Raum170 5.Sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland175 6.Ausblick185 Kapitel 4 Gestörte Leitungen: Russland und die Gasversorgung der EU Gerhard Mangott189 1.Die Rolle von Erdgas als Energieträger in der EU189 2.Die Erdgaswirtschaft Russlands193 3.Interessenkonflikte zwischen der EU und Russland im Erdgassektor196 4.Zusammenfassung213 Kapitel 5 Russlands Ambitionen einer Eurasischen Union Uwe Halbach214 1.Die Sowjetunion in neuem Gewand?215 2.Stationen auf dem Weg zur "neuen Integration"216 3.Ein neues Integrationsprojekt?220 4.Russlands Stellung im GUS-Raum222 5.Integration nach europäischem Vorbild?225 6.Ausblick227 Kapitel 6 Eurasien: Option oder Illusion? Christian Wipperfürth229 1.Die postsowjetische Option229 2.Die chinesische Option236 3.Die europäische Option245 4.Ein Ausblick in die Zukunft249 5.Schluss252 Anmerkungen254 Literatur263 Zu den Autoren280

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Autorenportrait

Gernot Erler, Dr. h. c., Historiker und Slawist, war von 1987 bis 2017 für die SPD Mitglied des Bundestags; von 2005 bis 2009 war er Staatsminister beim Bundesminister des Auswärtigen, von 2014 bis 2018 Russland-Beauftragter. Peter W. Schulze, PD Dr. pol., war Honorarprofessor am Seminar für Politikwissenschaft der Universität Göttingen; von 1992 bis 2003 leitete er die Friedrich-Ebert-Stiftung in Russland.

Leseprobe

Die Europäisierung Russlands ? das ist insofern ein mutiger Titel, als er die These enthält, dass Russland sich tatsächlich europäisiere oder sich gar schon europäisiert habe. Der Begriff "Europäisierung" mit all seinen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Implikationen suggeriert Annäherung durch Veränderung. Aber was bedeutet Annäherung an Europa, wenn die Rede ist von diesem größten östlichen Nachbarn der Europäischen Union, der geographisch seinen unverrückbaren Platz auf dem Boden zweier Kontinente einnimmt und ihn schwerlich verändern wird? Die Russische Föderation, 1990 entstanden im Prozess der Auflösung der Sowjetunion, bedeckt mit ihren über 17 Millionen Quadratkilometern große Landflächen Europas und Asiens. Das schafft Optionen. Wohin sich ausrichten? Diese Frage beschäftigt das Land seit dem begeisterten und brutal entschlossenen Westler Peter dem Großen über die auch kulturell und reli­giös geprägten Kontroversen zwischen Slawophilen und Zapadniki im 19. Jahrhundert bis zu dem heutigen Führungsduo Putin und Medwedew. Die Idee von "Ewrazija" (Eurasien) unterstellt, eine eindeutige Festlegung könne auch vermieden werden, und sucht Russlands Rolle als Brückenbauer zwischen den Kontinenten. Solche Gedanken haben mal mehr, mal weniger Konjunktur, prägen aber meist eher die Leitartikel als die Politik. In der realen russischen Entwicklung dominiert, was sich dann als "Europäisierung" zusammenzufassen rechtfertigen lässt, wenn man eine breit gefächerte Definition wählt. Danach würde Europäisierung im Fall Russlands folgende Tendenzen umfassen: Intensivierung der politischen Beziehungen EU-Russland, Gemeinsamkeiten mit Europa bei der Wahrnehmung von Sicherheitsverantwortung, Erweiterung der wirtschaftlichen Kooperation mit Europa unter Wahrung der Interessen beider Seiten, Partnerschaft mit Europa in globalen Fragen wie Klimaschutz, Energieversorgung, Wassermanagement und Sicherstellung von Nahrungsmittelverteilung und schließlich eine Weiterentwicklung von Politik und Gesellschaft im Sinne gemeinsamer europäischer Werte wie Demokratie, Geltung der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft sowie Teilhabe und Mitverantwortung einer mit eigenen Rechten und Wirkungsmöglichkeiten ausgestatteten Zivilgesellschaft. Europäisierung schließt in diesem Kontext auch die Beachtung wichtiger Erfahrungen aus der Entwicklung der Europäischen Union selbst ein. Deren Aufwuchs zu einem Zusammenschluss von 27 Staaten, mit der vorbereiteten Aufnahme von Kroatien im Jahr 2013 als 28. Staat sowie der Beitrittsper­spektive für weitere sieben an der Integration interessierter Staaten - das alles belegt (trotz der ernsthaften Finanz- und Verschuldungskrise der Jahre 2011/2012) die anhaltende Attraktivität einer Staatenunion, in der Interessen- und Nachbarschaftskonflikte gewaltlos und zivilisiert gelöst werden, in der von dem gemeinsamen Wirtschafts- und Rechtsraum alle beteiligten Länder profitieren und in der Prinzipien gegenseitiger Solidarität gelten, die eine Wahrung annähernd vergleichbarer Lebensstandards einschließen. Im Zuge der Vergemeinschaftung ihrer Außen- und Sicherheitspolitik wächst die EU auch schrittweise in die Rolle eines Global Players hinein, die für keinen der einzelnen Mitgliedsstaaten allein erreichbar wäre. Dass die EU es vermochte, nach den Weltkriegskatastrophen des 20. Jahrhunderts eine kontinentale Neuordnung der Stabilität, des friedlichen Zusammenlebens und der nachhaltigen Prosperität aufzubauen, wird weltweit anerkannt. Für die Russische Föderation lautet daher die politische Botschaft dieser Erfolgsgeschichte ihrer westlichen Nachbarn: Es könnte sich lohnen, im Großraum der ehemaligen Sowjetunion mit den zwölf verbliebenen Einzelstaaten Beziehungen auf der Basis der europäischen Erfahrungen aufzubauen. Europäisierung würde dann heißen, dies nach den Prinzipien der gewaltlosen und friedlichen Lösung von Nachbarschafts- und Interessenkonflikten und der Bildung von gemeinsamen Wirtschaftsräumen auf der Basis von gleichen Rechten und wechselseitigem Vorteil anzustreben, unter Verzicht auf eine klassische Vormachts- und Einflusspolitik, deren Zukunftslosigkeit sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehrfach erwiesen hat. Eine solche Neuordnung regionaler Beziehungen müsste dann nicht nur für den GUS-Raum gefunden werden, sondern auch für westliche Nachbarstaaten wie die baltischen, die als frühere Sowjetrepubliken seit 2004 der EU zugehören, und die heutigen osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten, die einst zum Warschauer Vertragssystem zählten. Dabei ließen sich die verschiedenen EU-Regionalstrategien nutzen, die jeweils gemeinsame Programme für GUS- und EU-Staaten anbieten, besonders die "Östliche Partnerschaft", aber auch die Ostseeraumstrategie und die Schwarzmeerkooperation. Dieser Band schreitet nicht alle Politikfelder für eine Europäisierung Russlands im beschriebenen Sinne in gleicher Intensität ab. Zu manchen Stichworten und Themen wünschte man sich weitere Ausführungen oder gar zusätzliche Kapitel. Im Ergebnis gibt es Bereiche, wo sich russische Europäisierungsschritte klar abzeichnen, und andere, wo diese eher Optionen für die Zukunft darstellen. Im Folgenden will ich versuchen, eine Übersicht zu den Ergebnissen der jeweiligen Fragestellungen zu gewinnen und resümierend darzustellen. Dem soll sich eine Betrachtung der aktuellen Ereignisse in Russland nach den Dumawahlen vom 4. Dezember 2011 im Lichte der Europäisierungsthese anschließen.