Beschreibung
Bonuszahlungen auch in der Krise und unverhohlene Klientelpolitik machen deutlich: Die Eliten in Wirtschaft und Politik werden ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht mehr gerecht. Vor diesem Hintergrund entwickelt Eike Bohlken eine philosophisch-normative Theorie, die den Eliten aufgrund ihrer Macht eine besondere Verantwortung zuschreibt. Er stellt den Begriff des Gemeinwohls ins Zentrum der politischen Ethik und arbeitet auf dieser Grundlage konkrete Gemeinwohlpflichten der Eliten in Politik, Wirtschaft, Medien, Kunst und Bildungswesen heraus.
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InhaltsangabeInhalt Vorwort11 Einleitung13 I Grundlagen einer philosophisch-normativen Elitentheorie 1 Die Etablierung des Elitebegriffs in der Soziologie und der Politikwissenschaft 21 1.1 Entstehung und Entwicklung des Elitebegriffs 22 1.2 Die ältere Elitetheorie 23 1.3 Paradigmenwechsel in der jüngeren Elitentheorie 47 1.4 Von der Funktions- zur Verantwortungselite - die Konzeption einer philosophisch-normativen Elitentheorie 73 II Die Bedeutung des Gemeinwohlgedankens für die politische Ethik 2 Geschichte und Entwicklung des Gemeinwohlgedankens 85 2.1 Der Gemeinwohlgedanke in der griechisch-römischen Antike 86 2.2 Der Gemeinwohlgedanke im Mittelalter 92 2.3 Die Entwicklung des Gemeinwohlgedankens von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart 98 2.4 Zusammenfassung 150 3 Systematische Auffassungen und Verwendungsweisen des Gemeinwohlbegriffs 162 3.1 Apriorische versus aposteriorische Auffassungen des Gemeinwohls 162 3.2 Materiale versus formale Auffassungen des Gemeinwohls 164 3.3 Substanzielle versus prozedurale Auffassungen des Gemeinwohls 167 3.4 Moralische versus funktionale Auffassungen des Gemeinwohls - Gemeinwohl und Gemeinsinn 171 3.5 Positivpräskriptive versus negativkritische Verwendungsweisen des Gemeinwohlbegriffs die Rhetorik des Gemeinwohls 176 4 Einwände gegen den Gemeinwohlbegriff als zentrale Kategorie der politischen Ethik 180 4.1 Der Einwand der Unterbestimmtheit 180 4.2 Der Ideologievorwurf 186 4.3 Der Partikularismuseinwand 188 4.4 Der Paternalismuseinwand 196 4.5 Auswertung 199 5 Möglichkeiten einer philosophisch-systematischen Bestimmung des Gemeinwohlbegriffs 202 5.1 Das basale Gemeinwohl 204 5.2 Das meliore Gemeinwohl 207 6 Eine Theorie der Gemeinwohlpflichten 210 6.1 Das Übereinstimmungskriterium 211 6.2 Das Kriterium der Verrechtlichungsfähigkeit 213 6.3 Das Kriterium der Einklagbarkeit 214 6.4 Das Kriterium des Ausmaßes der Verbindlichkeit 216 6.5 Das Kriterium verschiedener Dimensionen der Sittlichkeit 224 6.6 Auswertung 227 III Der Beitrag der Eliten zum guten Gemeinwesen 7 Die Gemeinwohlpflichten politischer Eliten 234 7.1 Die Sphäre des Politischen 237 7.2 Die Identifizierung der politischen Eliten 239 7.3 Die Gemeinwohlpflichten der regierenden Elite 242 7.4 Die Gemeinwohlpflichten der Führungsspitzen der parlamentarischen Opposition 262 7.5 Die Gemeinwohlpflichten der Führungsspitzen von Interessengruppen 266 7.6 Die repräsentative Sittlichkeit der politischen Eliten 279 8 Die Gemeinwohlpflichten wirtschaftlicher Eliten 286 8.1 Die Identifizierung der wirtschaftlichen Eliten 287 8.2 Das Aufgabenprofil der wirtschaftlichen Eliten 290 8.3 Die basalen Gemeinwohlpflichten der wirtschaftlichen Eliten 299 8.4 Zwischenfazit 327 8.5 Die melioren Gemeinwohlpflichten der wirtschaftlichen Elite 329 8.6 Die wirtschaftsethischen Konzepte von Corporate Citizenship und Corporate Social Responsibility im Vergleich mit der Theorie der Gemeinwohlpflichten 337 9 Die Gemeinwohlpflichten geistig-kultureller Eliten 347 9.1 Teilbereiche kultureller Autonomie 350 9.2 Die Gemeinwohlpflichten der Eliten im Bildungswesen 355 9.3 Die Gemeinwohlpflichten der Medienelite 382 9.4 Die Gemeinwohlpflichten der Eliten im Kunstbetrieb 406 9.5 Die Gemeinwohlpflichten religiöser Eliten 415 Schlussbetrachtung 419 Literatur 422 Sachregister 437 Personenregister 441
Leseprobe
Einleitung Das Thema der Eliten und ihrer Verantwortung für das Gemeinwohl ist zwar schon seit einigen Jahren Gegenstand öffentlicher Debatten, die Philosophie hat sich dabei bislang aber eher zurückgehalten. Dies ist insofern erstaunlich, als die Frage der guten oder gerechten Herrschaft ein Kernproblem der politischen Ethik darstellt, das sich - wie auch der Begriff eines "gemeinsamen Nutzens" - schon bei Platon und Aristoteles findet und seitdem durch die Philosophiegeschichte zieht. Mangelnde Expertise kann also kaum der Grund für die philosophische Zurückhaltung sein. Allerdings ist "Elite" kein philosophischer Begriff. Seiner wissenschaftlichen Herkunft aus der Soziologie und der Politikwissenschaft gemäß wird er vorwiegend in empirisch-deskriptiven Untersuchungen verwendet, in denen man zu ermitteln sucht, welche Personen auf der Grundlage welcher Voraussetzungen und Leistungen zu einer gesellschaftlichen Führungsgruppe zu zählen sind. Hinzu kommt, dass der Begriff der Elite aufgrund seiner affirmativen Verwendung im Faschismus und Bolschewismus gerade in Deutschland bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts als nicht mehr gesellschaftsfähig galt. Seit den 1990er Jahren ist allerdings eine Renaissance des Begriffs zu beobachten, die eng mit der neoliberalen Aufwertung des Konkurrenzprinzips verknüpft ist und sich nicht zuletzt in den hochschulpolitischen Vorzeigeprojekten der Exzellenzcluster sowie in der informellen Rede von Eliteuniversitäten niedergeschlagen hat. Die philosophische Zurückhaltung gegenüber dem Elitenbegriff ist ohne Zweifel dadurch zu erklären, dass er quer zu einigen Themen steht, welche die Debatten der politischen Philosophie in den letzten Jahrzehnten bestimmt haben. "Elite" wird nahezu emblematisch - und nicht zu Unrecht - mit Ungleichheit verbunden. Wer sich "gleiche Freiheit", "partizipative Demokratie" oder einfach nur "soziale Gerechtigkeit" auf die Fahnen geschrieben hat, wird daher in der Regel wenig Positives mit dem Elitenbegriff verbinden. Entgegen allen egalitären und radikaldemokratischen Wunschvorstellungen sind Eliten jedoch nicht nur mächtig und einflussreich, sondern auch schon aus organisatorischen Gründen in modernen Großgesellschaften nicht wegzudenken. Wenn diese Diagnose zutrifft, ist es sinnvoll, im Rahmen der politischen Ethik eine Theorie zu entwickeln, die danach fragt, wie das besondere Gestaltungspotenzial politischer, wirtschaftlicher und geistig-kultureller Eliten gesellschaftlich nutzbar gemacht oder eingehegt werden kann. Eine solche Theorie versucht diese Arbeit zu liefern. Sie fragt nach dem guten Gemeinwesen und meint damit einen gesamtgesellschaftlichen Zustand, der durch ein wohlgeordnetes komplexes In- und Gegeneinanderwirken gut gestalteter Institutionen und sich am Gemeinwohl orientierender personaler Akteure gekennzeichnet ist. An dieser Stelle ist es wichtig, einem Missverständnis entgegenzutreten, zu dem der Titel verleiten könnte. Wenn dort nur die Eliten genannt sind, so ist dies der thematischen Eingrenzung geschuldet, die ein Buch zu einer komplexen Materie verlangt. Ich gehe keineswegs davon aus, dass es allein die Eliten sind, in deren Händen das Gemeinwohl liegt. Allerdings können sie einen unverzichtbaren Beitrag zur Realisierung desselben leisten, der es rechtfertigt, sie ins Zentrum einer eigenen Untersuchung zu stellen. Um deutlich zu machen, dass es sich hier tatsächlich nur um eine Konzentration auf einen Teil des Geschehens handelt, gebe ich an vielen Stellen Hinweise auf die korrespondierenden Gemeinwohlpflichten der nicht zu einer Elite gehörenden Mitglieder des Gemeinwesens. Die im Folgenden entwickelte Elitentheorie bildet somit nur ein Teilstück einer Theorie des guten Gemeinwesens. Eine weitere, teils methodische, teils thematische Einschränkung besteht darin, dass sich die in dieser Arbeit entwickelte Theorie des guten Gemeinwesens zunächst auf den Rahmen (national-) staatlich verfasster Gemeinwesen beschränkt. Der erste Teil des Buches entwickelt eine philosophisch-normative Elitentheorie, die ihren Ausdruck in dem Begriff einer Verantwortungselite findet. Im Anschluss an eine begriffsgeschichtliche Klärung des Elitebegriffs und eine kritische Diskussion der Theoreme der älteren Elitetheorie (Mosca, Michels, Pareto) werden die paradigmatischen Konzeptionen der jüngeren Elitentheorien nach dem Zweiten Weltkrieg (Machtelite, Wertelite, Leistungs- und Funktionselite) systematisch verglichen und auf ihre Anschlussfähigkeit für eine philosophisch-normative Elitentheorie überprüft. Die Diskussion führt auf theoretische wie praktische Defizite (Stichwort: Elitenversagen) der seit den 1960er Jahren die sozialwissenschaftliche Forschung dominierenden Konzeption der Funktionselite. Als Gegenkonzeption wird der Begriff einer Verantwortungselite entwickelt, der zwar an der funktionalen Differenzierung bereichsspezifischer Eliten und damit an einem Elitenpluralismus festhält, den Eliten der verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereiche aber aufgrund ihrer Macht und ihres Einflusses hinsichtlich der sozialen Gestaltung und einer gesamtgesellschaftlichen Vorbildwirkung eine besondere Verantwortung zuschreibt. Die postulierte Verantwortung der Eliten wird aber erst dann greifbar, wenn man einen Wertmaßstab benennen kann, der als Verpflichtungsgrund fungiert und Aussagen über den Grad ermöglicht, in dem sie wahrgenommen oder missachtet wird. Als Wertmaßstab der Verantwortung der Eliten wird in dieser Arbeit der Begriff des Gemeinwohls eingesetzt. Der zweite Teil lotet die Tragfähigkeit des Gemeinwohls als Grundbegriff der politischen Ethik aus. Eine historische Rekonstruktion des Gemeinwohlgedankens von der griechischen Antike bis in die Gegenwart liefert die Basis für eine systematische Klassifizierung und kritische Gegenüberstellung vier dichotomischer Auffassungen (apriori/aposteriori; substanziell/prozedural; material/formal; moralisch/funktional) und zweier Verwendungsweisen (positiv-präskriptiv/negativ-kritisch) des Gemeinwohls. Diese Vorarbeit ermöglicht eine fundierte Diskussion einer Reihe von Einwänden gegen den Gemeinwohlbegriff. Das Gemeinwohl sei ein vages und hoffnungslos unterbestimmtes Konstrukt und lade zu einer ideologischen Verbrämung ungerechter Verhältnisse ein. Des Weiteren bleibe es zwangsläufig im Bereich des Partikularen und liefere die Rechtfertigung für paternalistische Denk- und Regierungsformen. Wie sich zeigen lässt, treffen diese Einwände einige, aber nicht alle der systematischen Auffassungen. Übrig bleibt ein zweistufiger Gemeinwohlbegriff, der als basales Gemeinwohl die Produktion, Bereithaltung und langfristige Sicherung derjenigen (Gemeinwohl-)Güter betrifft, die sich in einer transzendentalphilosophischen Reflexion als die Bedingungen der Möglichkeit der Existenz des Menschen als Natur-Kultur-Wesen ergeben. Die ergänzende Stufe des melioren Gemeinwohls umfasst darüber hinaus diejenigen Güter, auf deren Produktion, Bereithaltung und langfristige Sicherung sich die Mitglieder eines Gemeinwesens in demokratischer Abstimmung verständigen. Der basale Gemeinwohlbegriff formuliert ein strikt inklusives Anspruchsverhältnis für jedes einzelne Mitglied des Gemeinwesens und schließt damit ein kollektivistisch-utilitaristisches Verständnis aus, das Verletzungen auch der Grundrechte Einzelner zulässt, sofern dies dem Wohl der "Allgemeinheit" nützt. Der letzte Abschnitt des zweiten Teils liefert eine Theorie der Gemeinwohlpflichten als Spezifizierung einer Verantwortungsethik. In Abgrenzung zu den Kantischen Begriffen der Rechts- und Tugendpflichten aus der Metaphysik der Sitten erweisen sich Gemeinwohlpflichten als eigener Pflichttypus, der zwischen den anderen beiden Typen zu verorten ist. Gemeinwohlpflichten sind positions- und rollenspezifisch, sie beziehen sich auf ein äußeres Handeln und sind daher grundsätzlich verrechtlichungsfähig. Vor allem aber - und dies unterscheidet sie von Tugendpflichten - können sie auch aus Eigeni...
Inhalt
Inhalt Vorwort11 Einleitung13 I Grundlagen einer philosophisch-normativen Elitentheorie 1 Die Etablierung des Elitebegriffs in der Soziologie und der Politikwissenschaft 21 1.1 Entstehung und Entwicklung des Elitebegriffs 22 1.2 Die ältere Elitetheorie 23 1.3 Paradigmenwechsel in der jüngeren Elitentheorie 47 1.4 Von der Funktions- zur Verantwortungselite - die Konzeption einer philosophisch-normativen Elitentheorie 73 II Die Bedeutung des Gemeinwohlgedankens für die politische Ethik 2 Geschichte und Entwicklung des Gemeinwohlgedankens 85 2.1 Der Gemeinwohlgedanke in der griechisch-römischen Antike 86 2.2 Der Gemeinwohlgedanke im Mittelalter 92 2.3 Die Entwicklung des Gemeinwohlgedankens von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart 98 2.4 Zusammenfassung 150 3 Systematische Auffassungen und Verwendungsweisen des Gemeinwohlbegriffs 162 3.1 Apriorische versus aposteriorische Auffassungen des Gemeinwohls 162 3.2 Materiale versus formale Auffassungen des Gemeinwohls 164 3.3 Substanzielle versus prozedurale Auffassungen des Gemeinwohls 167 3.4 Moralische versus funktionale Auffassungen des Gemeinwohls - Gemeinwohl und Gemeinsinn 171 3.5 Positiv-präskriptive versus negativ-kritische Verwendungsweisen des Gemeinwohlbegriffs - die Rhetorik des Gemeinwohls 176 4 Einwände gegen den Gemeinwohlbegriff als zentrale Kategorie der politischen Ethik 180 4.1 Der Einwand der Unterbestimmtheit 180 4.2 Der Ideologievorwurf 186 4.3 Der Partikularismuseinwand 188 4.4 Der Paternalismuseinwand 196 4.5 Auswertung 199 5 Möglichkeiten einer philosophisch-systematischen Bestimmung des Gemeinwohlbegriffs 202 5.1 Das basale Gemeinwohl 204 5.2 Das meliore Gemeinwohl 207 6 Eine Theorie der Gemeinwohlpflichten 210 6.1 Das Übereinstimmungskriterium 211 6.2 Das Kriterium der Verrechtlichungsfähigkeit 213 6.3 Das Kriterium der Einklagbarkeit 214 6.4 Das Kriterium des Ausmaßes der Verbindlichkeit 216 6.5 Das Kriterium verschiedener Dimensionen der Sittlichkeit 224 6.6 Auswertung 227 III Der Beitrag der Eliten zum guten Gemeinwesen 7 Die Gemeinwohlpflichten politischer Eliten 234 7.1 Die Sphäre des Politischen 237 7.2 Die Identifizierung der politischen Eliten 239 7.3 Die Gemeinwohlpflichten der regierenden Elite 242 7.4 Die Gemeinwohlpflichten der Führungsspitzen der parlamentarischen Opposition 262 7.5 Die Gemeinwohlpflichten der Führungsspitzen von Interessengruppen 266 7.6 Die repräsentative Sittlichkeit der politischen Eliten 279 8 Die Gemeinwohlpflichten wirtschaftlicher Eliten 286 8.1 Die Identifizierung der wirtschaftlichen Eliten 287 8.2 Das Aufgabenprofil der wirtschaftlichen Eliten 290 8.3 Die basalen Gemeinwohlpflichten der wirtschaftlichen Eliten 299 8.4 Zwischenfazit 327 8.5 Die melioren Gemeinwohlpflichten der wirtschaftlichen Elite 329 8.6 Die wirtschaftsethischen Konzepte von Corporate Citizenship und Corporate Social Responsibility im Vergleich mit der Theorie der Gemeinwohlpflichten 337 9 Die Gemeinwohlpflichten geistig-kultureller Eliten 347 9.1 Teilbereiche kultureller Autonomie 350 9.2 Die Gemeinwohlpflichten der Eliten im Bildungswesen 355 9.3 Die Gemeinwohlpflichten der Medienelite 382 9.4 Die Gemeinwohlpflichten der Eliten im Kunstbetrieb 406 9.5 Die Gemeinwohlpflichten religiöser Eliten 415 Schlussbetrachtung 419 Literatur 422 Sachregister 437 Personenregister 441