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Die Sonne im Gesicht

Ein Mädchen in Afghanistan

cbj
Erschienen am 01.04.2003
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783570212141
Sprache: Deutsch
Umfang: 128 S., 2 s/w Illustr., 1 farbige Illustr.
Format (T/L/B): 1.2 x 18.3 x 12.5 cm
Lesealter: 11-99 J.
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Nur als Junge verkleidet kann Parvana die Herrschaft der Taliban überleben! Als ihr Vater verhaftet wird, nimmt die elfjährige Parvana seinen Platz auf dem Markt in Kabul ein. Hier hatte er den vielen Analphabeten ihre Post vorgelesen. Wegen der restriktiven Gesetze der Taliban kann sie sich jedoch nur als Junge verkleidet in der Öffentlichkeit zeigen. Und begibt sich so in große Gefahr.Top-Thematik: Frauen unter dem Taliban-Regime

Autorenportrait

Deborah Ellis ist Schriftstellerin und Psychotherapeutin in Toronto, wo sie die Organisation 'Frauen für Frauen in Afghanistan' gründete. 1999 verbrachte sie viele Monate in afghanischen Flüchtlingslagern in Pakistan und Russland, wo ihre vielbeachtete Afghanistan-Trilogie "Die Sonne im Gesicht"/"Allein nach Mazar-e Sharif"/"Am Meer wird es kühl sein" entstand.

Leseprobe

"Ich kann diesen Brief genauso gut lesen wie Vater", flüsterte Parvana in die Falten ihres Tschadors. "Zumindest fast so gut." Sie wagte nicht, diese Worte laut auszusprechen. Der Mann, der neben ihrem Vater saß, wollte ihre Stimme gewiss nicht hören. Keiner auf dem großen Markt von Kabul wollte ihre Stimme hören. Denn Parvana war nur deshalb hier, weil sie ihrem Vater dabei helfen musste, zum Markt zu kommen und nach der Arbeit wieder zurück nach Hause. Sie saß gut verborgen auf ihrer Decke. Ihr Kopf und der Großteil ihres Gesichtes waren von ihrem Tschador bedeckt. Eigentlich sollte Parvana überhaupt nicht auf der Straße sein. Die Taliban hatten befohlen, dass alle Mädchen und Frauen in Afghanistan in ihren Häusern bleiben sollten. Sie hatten den Mädchen sogar verboten, zur Schule zu gehen. Parvana hatte die sechste Klasse Grundschule verlassen müssen und ihre Schwester Nooria durfte nicht mehr in die Mittelschule gehen. Ihre Mutter, die bei einem der Radiosender von Kabul als Journalistin gearbeitet hatte, war von einem Tag zum anderen entlassen worden. Seit über einem Jahr waren sie nun mit der fünfjährigen Maryam und dem zweijährigen Ali alle zusammen in einem einzigen Zimmer gefangen. Parvana konnte fast jeden Tag für ein paar Stunden ins Freie, weil sie ihren Vater beim Gehen stützen musste. Sie war immer froh hinauszukommen, auch wenn das hieß, dass sie dann viele Stunden auf einer Decke auf dem harten Boden des Marktes sitzen musste. Sie hatte sich sogar daran gewöhnt, den Mund zu halten, ganz still zu sitzen und ihr Gesicht zu verstecken. Für ihre elf Jahre war Parvana sehr klein. Und als kleines Mädchen konnte sie sich normalerweise auf der Straße aufhalten, ohne dass die Taliban unangenehme Fragen stellten. "Ich brauche das Mädchen, damit sie mich beim Gehen stützt", sagte der Vater jedem Soldaten, der wissen wollte, was Parvana auf der Straße verloren hatte. Und er zeigte dann auf sein Bein. Der Vater hatte einen Fuß verloren, als die Mittelschule, an der er unterrichtet hatte, von einer Bombe getroffen worden war. Er hatte damals auch innere Verletzungen davongetragen und war nun oft sehr müde. "Und ich habe keinen Sohn zu Hause, der mir helfen kann, nur ein Kleinkind", erklärte der Vater. Parvana duckte sich dann noch mehr zusammen und versuchte, noch kleiner auszusehen. Sie hatte Angst, den Soldaten aufzufallen. Sie hatte schon oft mit angesehen, wie sie Menschen, besonders Frauen, behandelten. Sie schlugen und peitschten alle aus, die ihrer Meinung nach aus irgendeinem Grund eine Strafe verdienten. Wenn Parvana so Tag für Tag auf dem Markt saß, konnte sie eine Menge sehen. Aber wenn Soldaten der Taliban in der Nähe waren, hätte sie sich am liebsten unsichtbar gemacht. Nun bat der Kunde den Vater, den Brief noch einmal vorzulesen. "Lies langsam", sagte er, "damit ich es mir merken und meiner Familie berichten kann." Parvana hätte auch gerne einen Brief bekommen. Seit kurzem funktionierte in Afghanistan wieder die Post, nachdem sie durch den Krieg jahrelang gestört gewesen war. Viele von Parvanas Freundinnen waren mit ihren Familien aus Afghanistan geflohen. Vermutlich nach Pakistan, aber Parvana wusste nichts Genaueres, deshalb konnte sie ihnen auch nicht schreiben. Sie selbst war mit ihrer Familie wegen der Bomben so oft umgezogen, dass ihre Freundinnen nicht mehr wussten, wo sie nun wohnte. "Afghanen sind über die ganze Erde verstreut, wie Sterne über den Himmel", sagte ihr Vater oft. Der Vater hatte den Brief ein zweites Mal vorgelesen. Der Kunde dankte ihm und bezahlte. "Ich werde wieder kommen, wenn es Zeit ist, eine Antwort zu schreiben", sagte er. Die meisten Menschen in Afghanistan konnten nicht lesen und schreiben. Parvana war eine der wenigen Glücklichen, die es gelernt hatten. Ihre Eltern waren beide auf der Universität gewesen und glaubten an die Wichtigkeit der Bildung für alle, auch für Mädchen. Der Nachmittag ging weiter. Kunden kamen und gingen. Die meisten sprachen Dari, die Sprach Leseprobe

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