Beschreibung
Wer etwa meint, daß die zeitgenössische Poesie keine direkt zu Ohren gehenden Wahrsprüche mehr in die Welt entließe, kann sich hörbar eines anderen belehren lassen. Peter Rühmkorfs neuer Lyrikband führt sich nicht gerade als unfrohe Botschaft ein. Die bühnen- bis büchmannreifen Schmetterbälle hallen nach wie vor, und seinem geselligen Witz wie seiner sinnlichen Frische ist nichts anzuhaben. Der kühn auf Entscheidung drängende Schmiß hat Programm, wobei jedes Gedicht die Probe aufs Exempel von neuem versucht. 'Könnt ihr, ohne nachzuäffen, / auf den Punkt den Lichtblick treffen', heißt es mit einem satirischen Seitenhieb auf die Anythinggoes-Moderne, 'der wo alles fließt und treibt, / als Verheißung haften bleibt?!' Am erstaunlichsten scheint dabei, daß ein erklärter Wortvirtuose es offenbar gar nicht so sehr auf die weitere Verfeinerung seiner Ausdrucksmittel angelegt hat - Verwandlung und Vereinfachung heißen die Zauberwörter. Dazu hat der Dichter sich nicht unbedingt umkrempeln müssen. Im sicheren Besitz aller technischen Fertigkeiten, hat er sich eine Lust aus dem Risiko gemacht, die vertrauten Strophenformen unvermutet aufzulockern und sich mit ungeniert hingeschlenkerten Capriccios oder scheinbar kinderleichten Bagatellen einen neuen Spielraum zu erobern.
Autorenportrait
wurde am 25.10.1929 in Dortmund geboren. Er studierte von 1951-58 Germanistik und Psychologie in Hamburg und schrieb ab 1953 schrieb unter Pseudonym für den 'studentenkurier' (später 'konkret') die Kolumne 'Lyrikschlachthof'. 1958-63 Verlagslektor, 1964/65 Stipendiat der Villa Massimo in Rom. 1969/70 Gastvorlesungen in den USA, 1985/86 Gastdozent an der Universität Paderborn. Freier Schriftsteller. 1979 Erich-Kästner-Preis, 1980 Bremer Literaturpreis, 1986 Arno Schmidt-Preis, 1987 documenta-Schreiber Kassel. Rühmkorf war korrespondierendes Mitglied der Akademie der Künste der DDR und erhielt 1988 den Heinrich-Heine-Preis (DDR). Ehrendoktor der Universität Gießen 1989. Georg-Büchner-Preis 1993. Sein erster Gedichtband "Irdisches Vergnügen in g" lässt bereits die Virtuosität seiner Wortkunst erkennen: er parodiert, persifliert vorgegebene Gedichtformen, kombiniert sogenannte Hochsprache mit Slang und saloppem Umgangsdeutsch, reißt Wörter aus dem gewöhnlichen Kontext und stellt sie in neue Zusammenhänge. Das Raffinement von Rühmkorfs Verssprache ist von keinem seiner Zeitgenossen bisher erreicht. Was die Publikationsform seiner Werke angeht, bevorzugt Rühmkorf eine Mischform: Seinen Gedichtbänden gibt er Essays bei, die fast immer das Handwerk des Dichters reflektieren. "Walther von der Vogelweide","Klopstock und ich" sowie sowie "Strömungslehre I" enthalten wechselseitig sich spiegelnde Gespräche, Briefe, Aufsätze über Dichtkunst, zumal über die Modalitäten der zeitgenössischen Schriftstellerexistenz, dazu eigene Gedichte und im ersten Band auch Gedichte Walthers von der Vogelweide in der Übertragung von Rühmkorf. - "Die Jahre die Ihr kennt" kombiniert autobiographische Reminiszenzen des Autors mit eigenen Rezensionen, politischen Pamphleten und eigenen Gedichten. Seit 1999 erscheint eine Ausgabe seiner Werke. Peter Rühmkorf verstarb am 8. Juni 2008.