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Das Geheimnis schauen

Grundkurs christliche Mystik

Erschienen am 21.03.2007
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783466367443
Sprache: Deutsch
Umfang: 224 S.
Format (T/L/B): 1.7 x 22 x 17.4 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

In der reichen Tradition christlicher Mystik liegen wertvolle Impulse für unser eigenes spirituelles Leben verborgen. Über Informationen und Vorschläge zur alltäglichen Praxis führt dieses Übungsbuch in die Erfahrungen der Mystik ein. Mit dem anschaulichen, gut nachvollziehbaren Kurskonzept kann die Begegnung mit der Mystik zur Orientierung für unser Leben werden. Wesentliche Themen der Mystik und ihre wichtigsten Vertreterinnen und Vertreter werden über einen konsequenten Übungsweg erschlossen. Einzelne und Gruppen entdecken die Tiefe und die Schönheit eines über Jahrhunderte bewährten geist- lichen Weges.

Autorenportrait

geb. 1969, ist Referentin für theologische Erwachsenenbildung mit dem Schwerpunkt Spiritualität im Bildungszentrum Kardinal-Döpfner-Haus in Freising. Rege Vortrags- und Seminartätigkeit.

Leseprobe

Hinführung: Mystik - Was ist das eigentlich? »Mystik« Ein junges und belastetes Wort Die Wörter »Mystik« und »mystisch«, »Mystiker« und »Mystikerin« haben heute Hochkonjunktur. Um zu verstehen, was sie eigentlich meinen, ist ein Blick auf ihre Geschichte hilfreich. Wenn wir uns ins Mittelalter zurückversetzen könnten, um einem Meister Eckhart oder einer Mechthild von Magdeburg zu sagen, dass sie heute bei uns als Mystiker oder Mystikerin gelten, wüssten beide mit Sicherheit nicht, was wir überhaupt meinen. Die Wörter »Mystik«, »Mystiker« und »Mystikerin« sind nämlich relativ jung! Sie stammen aus dem 17. bis 18. Jahrhundert und dienen - wie viele andere Wörter mit der Endsilbe -ik (z.B. Logik, Grammatik, Belletristik.) - der Kennzeichnung eines Sachgebietes, eines Fachs. Die Einteilung der Wirklichkeit in »Fächer« ist hilfreich, wenn man die Bücher einer Bibliothek sortieren muss, wenn man ein Lexikon herausgibt oder wenn man einen Fächerkanon für den Unterricht entwickeln soll. Der Nachteil von »Fächern« besteht darin, dass sie schnell zu Schubladen werden: Jemand wird in die Schublade »Mystik« gesteckt und damit scheint völlig klar, was ihn oder sie ausmacht. Vor allem geht der Blick dafür verloren, dass es zwischen den Schubladen bzw. zwischen den Sachgebieten keine klaren Grenzen gibt. Dafür haben diese Sachgebiete sehr viele Beziehungen untereinander. Häufig gibt es Schnittmengen zwischen verschiedenen Sachgebieten. Was ist nun typisch für das Fach »Mystik«, von dem man in Europa seit kaum mehr als dreihundert Jahren spricht? Alte Bibliotheken führen bis heute die beiden Sachgebiete »Aszetik« und »Mystik«. Mit Aszetik bezeichnete man die Reflexion des Weges zu Gott, während die Mystik das Ziel dieses Weges, die Gotteserfahrung, in den Blick nimmt. Die Aszetik handelt davon, was der Mensch selbst tun kann, wenn er Gott finden will; die Mystik davon, was Gott an ihm tut. Diese Einteilung ist nicht unproblematisch. Kann man Weg und Ziel immer so genau trennen? Geht es nicht z.B. in der Seelenburg Teresas von Avila sowohl um das Ziel der Vereinigung mit Gott als auch um den Weg dorthin? Im 17. und 18. Jahrhundert spricht man nicht nur innerchristlich von »Mystik«. Es ist die große Zeit der Aufklärung: Was rational begründbar und nachvollziehbar ist, gilt selbstverständlich als gut. Kopf, Herz und Bauch, Denken und Erfahren driften auseinander. Auf die vergangenen Jahrhunderte, in denen sich die Vernunft noch nicht vom Glauben emanzipieren konnte, schaut man mit Verachtung; die Rede vom »finsteren Mittelalter« hat hier ihren Ursprung. Vor diesem Hintergrund gehören »finsteres Mittelalter« und »Mystik« zusammen. »Mystik« bezeichnet hier das vom Licht der Vernunft noch nicht Erhellte, das Irrationale, Unverständliche, nicht Nachvollziehbare. Ein Mystiker ist dann jemand, der irrationale Erfahrungen macht. Visionen und Verzückungen gelten als Kennzeichen von Mystikerinnen und Mystikern. In einer Zeit, in der die oberste Wertschätzung der Vernunft gilt, ist das Wort »Mystiker« oder »Mystikerin« geradezu ein Schimpfwort; »mystisch« ist das, was nicht genügend denkerisch durchdrungen ist. In der Romantik schlägt das Pendel dann in die andere Richtung aus: Nach der isolierten Wertschätzung der Vernunft wird im 19. Jahrhundert folgerichtig die ausgeklammerte Dimension des Gefühls neu entdeckt und betont. Das Wort »Mystik« dient auch in diesem Zusammenhang als Sammelbegriff für Religiöses und Irrationales, für Visionen und Verzückungen, für gefühlvolle Innerlichkeit, die im starken Gegensatz zum vernünftigen Durchdringen steht. Auch im Sinne der Romantik sind Mystiker und Mystikerinnen Menschen mit außergewöhnlichen, dem Denken nicht zugänglichen Sondererfahrungen. Aber die Wertschätzung hat sich grundlegend geändert: Was vorher abgewertet, ja abgelehnt wurde, steht nun im Zentrum der Sehnsucht. War es vorher eine Schande, nicht genug zu denken, ist es nun erstrebenswert, mehr zu fühlen als zu denken. Vie Leseprobe