Beschreibung
Zwei junge Frauen in der Blütezeit ihres Lebens, doch mit völlig unterschiedlichen Schicksalen: Während die selbstbewusste Verena endlich ihre große Liebe trifft, fällt ihre Freundin Ina auf einen Heiratsschwindler herein und droht daran zu zerbrechen.
Autorenportrait
Marie Louise Fischer wurde am 28. Oktober 1922 in Düsseldorf geboren. Während des Zweiten Weltkriegs studierte sie Germanistik, Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte, danach arbeitete sie als Dramaturgin in Prag. 1946 wurde sie in einem Lager interniert. Nach ihrer Entlassung begann sie Kurzgeschichten zu schreiben und arbeitete in der Werbung. Mit 29 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Roman: "Zerfetzte Segel". Marie Louise Fischer, zunächst bekannt für ihre erfolgreichen Illustriertenromane, zählt zu den meist gelesenen deutschen Autoren der Unterhaltungs- und Jugendliteratur. Ihre Bücher, zumeist Liebesromane, wurden in 23 Sprachen übersetzt und erzielten Millionenauflagen. Marie Louise Fischer starb am 2. April 2005 in Prien am Chiemsee.
Leseprobe
Die Dämmerung des Vorfrühlingstages sank rasch herab. Als Verena van den Berg aus der Straßenbahn stieg, hatten die Schatten auch den letzten Sonnenkringel schon verschlungen. Grau und rauchgeschwärzt drängten sich die schmalen Häuser der Vorstadtstraße aneinander, dazwischen klammerten sich groteske Ruinen, schoben sich aufdringlich die hellen kahlen Fassaden von Neubauten, deren billiger Verputz bereits die ersten dunklen Flecken aufwies. Verena war dieser trostlose Anblick so vertraut, daß er ihr gar nicht mehr bewußt wurde. Die Schultern leicht vornübergebeugt, die Mappe mit den Manuskripten unter den Arm geklemmt, bahnte sie sich mit weit ausholenden Schritten ihren Weg durch die hastenden Menschen, die, gleich ihr von der Arbeit kommend, ihrem Zuhause zustrebten. Im Vorbeigehen musterte sie die Auslagen der Geschäfte und überlegte, was sie ihrer Freundin mitbringen sollte. Sie hatte heute ihr Gehalt bekommen, und das war in den drei Jahren, seit sie mit Ina Bongard zusammen lebte, immer Anlaß zu einer kleinen häuslichen Feier gewesen. Aber die Wahl war gar nicht so leicht, denn Inas Geschmack war grundverschieden von dem ihren. Endlich entschloß sie sich zu einer Flasche Ettaler Klosterlikör und erstand im Laden nebenan noch einen Strauß goldgelber Narzissen. Bevor sie die Haustür aufschloß, warf sie noch einen Blick durch das Schaufenster in Inas Leihbuchhandlung. Der Laden war voller Kunden, das Geschäft ging gut; kein Wunder in einem Viertel, in dem die Menschen eng beisammen wohnten, in düsteren Altbauwohnungen oder in den ewig feuchten Zimmern von Neubauten, deren Wände keines der vielfältigen Geräusche des Hauses abfingen. Zu den wenigen Vergnügungen, die man sich gerade noch leisten konnte, gehörten der Kinobesuch und das Buch aus der Leihbücherei. Ina hatte alle Hände voll zu tun; sie bediente ohne hochzusehen. Verenas Blick glitt über die Auslage. Ina hatte neu dekoriert, stellte sie fest. Der Boden des Schaukastens war mit leuchtend grünem Kreppapier ausgelegt, von dem sich die bunten Umschläge der Bücher prächtig abhoben. In der Mitte der Auslage lockten drei Bestseller, dicke Wälzer, die, wie Verena wußte, von vielen Kunden verlangt wurden und meist schon auf Wochen hinaus vorbestellt waren. Links davon lagen einige der üblichen Frauenromane, wie zufällig aus der Hand gelegt, in Wahrheit aber mit großer Raffinesse gerade so und nicht anders verteilt. Rechts gab es eine Gruppe von Kriminalromanen und Western. Sehr hübsch hat sie das gemacht, dachte Verena anerkennend und trat einen Schritt zurück, um das Bild noch besser überschauen zu können. Als sie aufsah, begegnete ihr Blick Inas lächelnden Augen. Verena wies auf die Auslage und spendete der Freundin stummen Applaus. Ina dankte mit einer Kußhand. Dann schob sich ein dicker Herr zwischen die beiden, und Verena wandte sich ab. Ich freu' mich auf heute abend, dachte sie, als sie die Treppe zum ersten Stock hinaufstieg und die Wohnungstür aufschloß. Sie knipste das Licht in der fensterlosen kleinen Diele an, schloß die Tür hinter sich und blieb aufatmend stehen. Sie war zu Hause. Dann legte sie ihre Einkäufe und die Mappe auf die Rosenholztruhe, hing ihren Mantel über einen Bügel und sah in den Spiegel. In dem schmeichelnden Licht des rosa beschirmten Lämpchens wirkte ihr Gesicht jung, weich und gelöst. Die scharfen Fältchen um die Mundwinkel schienen geglättet, die steile senkrechte Falte über der Nasenwurzel ausgelöscht. Blau strahlten ihre dunklen Augen unter dem tiefbraunen Haar. Verena lächelte sich mit schimmernden Zähnen zu, dann schnitt sie sich, halb beschämt, eine rasche Grimasse und wandte sich ab. Sie ging ins Schlafzimmer, wechselte die Schuhe, ließ die Jalousien vor allen Fenstern herunter, zog die Vorhänge zu und knipste die Stehlampe im Wohnzimmer an. Den Lampenschirm hatten die beiden Freundinnen selbst bemalt und gebastelt, ganz akkurat war er nicht geworden, aber jedesmal wieder freute sich Verena, wenn er das Licht warm u Leseprobe