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Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana

Illustrierter Roman

Erschienen am 04.10.2004
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783446205277
Sprache: Deutsch
Umfang: 512 S.
Format (T/L/B): 4 x 22 x 15 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Giambattista Bodoni, Antiquar, erwacht aus dem Koma und hat einen Teil seines Gedächtnisses verloren. Auf der Suche nach seinen persönlichen Erinnerungen fährt er ins Haus seiner Kindheit und findet dort alles wieder: Bücher und Bilder, Comics und Kino, Pastadosen und Zigarettenschachteln. Was für Bodoni eine Reise der Wiederentdeckungen durch sein Leben und seine Lieben wird, gerät Eco zur Zeitreise durch das 20. Jahrhundert: witzig, nostalgisch und überraschend.

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Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG
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DE 81679 München

Autorenportrait

Umberto Eco wurde am 5. Januar 1932 in Alessandria (Piemont) geboren und starb am 19. Februar 2016 in Mailand. Er zählte zu den bedeutendsten Schriftstellern und Wissenschaftlern der Gegenwart. Sein Werk erscheint bei Hanser, zuletzt u.a. der Roman Nullnummer (2015), Pape Satàn (Chroniken einer flüssigen Gesellschaft oder Die Kunst, die Welt zu verstehen, 2017), Auf den Schultern von Riesen. Das Schöne, die Lüge und das Geheimnis (2019), Der ewige Faschismus (2020) und Der Name der Rose (Jubiläumsausgabe, 2022).

Leseprobe

1. Der grausamste Monat »Und wie heißen Sie?« »Warten Sie, ich hab's auf der Zunge.« So hatte das Ganze angefangen. Ich war wie aus einem langen Schlaf erwacht, aber um mich herum lag alles noch in einem milchigen Grau. Oder ich war gar nicht wach, ich träumte. Es war ein seltsamer Traum: ohne Bilder, nur Töne. Als ob ich nichts sah, nur Stimmen hörte, die mir erzählten, was ich se-hen sollte. Und sie erzählten mir, daß ich noch nichts richtig sah, nur ein nebliges Wabern längs der Kanäle, wo die Landschaft verschwamm. Brügge, sagte ich mir, ich war in Brügge. War ich jemals in der toten Stadt Brügge gewesen? Wo der Nebel zwischen den Türmen wabert wie der träumende Weihrauch? Eine graue Stadt, traurig wie ein chrysanthemenbekränztes Grab, wo der Nebel zerschlissen wie ein alter Wandteppich an den Fassaden hängt. Meine Seele putzte die Scheiben der Trambahnfenster blank, um in den mobilen Nebel der Ampeln zu tauchen. Nebel, mein kontaminierter Bruder. Ein dichter, undurchdringlicher Nebel, der die Geräusche dämpfte und formlose Gespenster auftauchen ließ. Schließlich gelangte ich an einen tiefen Abgrund und sah eine riesenhafte Gestalt, eingehüllt in ein Grabtuch, und die Hautfarbe dieser Gestalt glich dem makellosen Weiß des Schnees. Mein Name ist Arthur Gordon Pym. Ich kaute den Schnee. Die Gespenster zogen vorüber, streiften mich und lösten sich auf. Die fernen Lampen flackerten wie Irrlichter auf einem Friedhof. Jemand geht neben mir, lautlos, als wäre er barfuß, er geht ohne Absätze, ohne Schuhe, ohne Sandalen, ein Nebelschwaden streift mich an der Wange, eine Handvoll Betrunkener grölt unten, am Ende der Fähre. Fähre? Das sage nicht ich, es sind die Stimmen. Der Nebel kommt auf kleinen Katzenpfoten. Es war ein Nebel, der aussah, als hätte man die Welt weggenommen. Und doch war mir ab und zu, als öffnete ich die Augen und sähe Lichter. Ich hörte Stimmen: »Das ist nicht mehr richtiges Koma. Nein, Signora, denken Sie nicht an das flache EEG, ich bitte Sie. Da ist Reaktionsbereitschaft.« Jemand leuchtete mir in die Augen, aber nach dem Licht war es wieder dunkel. Ich spürte den Stich einer Nadel, irgendwo. »Sehen Sie, da ist Bewegungsvermögen.« Maigret taucht in einen so dichten Nebel, daß er nicht einmal sieht, wohin er die Füße setzt. Der Nebel wimmelt von menschlichen Gestalten, er brodelt von einem prallen und geheimnisvollen Leben. Maigret? Elementar, lieber Watson, es sind zehn kleine Negerlein, es ist der Nebel, in dem der Hund von Baskerville verschwindet. Der Vorhang aus grauem Rauch verlor allmählich seine graue Färbung, die Temperatur des Wassers war sehr gestiegen und seine milchige Tönung deutlicher denn je. Dann stürzten wir in die Umarmungen des Katarakts, wo sich ein Abgrund öffnete, um uns zu verschlingen. Ich hörte Leute um mich her reden, ich wollte rufen und ihnen zu verstehen geben, daß ich da war. Ein Sirren war zu hören, als würde ich von einer Foltermaschine mit nadelscharfen Zähnen zerrissen. Ich war in der Strafkolonie. Ich spürte ein Gewicht am Kopf, als hätte man mir die eiserne Maske angelegt. Mir war, als sähe ich hellblaue Lichter. »Da ist Asymmetrie im Durchmesser der Pupillen.« Bruchstücke von Gedanken schwirrten mir durch den Kopf, sicher wachte ich gerade auf, aber ich konnte mich nicht bewegen. Wenn ich doch nur wach bleiben könnte. Habe ich wieder geschlafen? Stunden, Tage, Jahrhunderte? Der Nebel kam wieder, die Stimmen im Nebel, die Stimmen, die über den Nebel redeten. Seltsam, im Nebel zu wandern! Mir schien, ich schwamm in einem Meer, ich war nahe am Strand, aber ich konnte ihn nicht erreichen. Niemand sah mich, und die Flut trug mich wieder hinaus. Bitte sagt etwas zu mir, bitte berührt mich. Ich spürte eine Hand auf der Stirn. Welche Erleichterung! Eine andere Stimme: »Signora, es gibt Beispiele von Patienten, die plötzlich aufwachen und aus eigener Kraft davonspazieren.« Jemand störte mich mit einem blinkenden Licht, mit einer vibrieren Leseprobe