Der große Klassiker über Liebe, Macht und Intrigen. Dieser Liebesroman - jetzt in neuer Übersetzung - ist auch heute noch ein unvergessliches Leseerlebnis: ein Sittenbild der korrupten höfischen Gesellschaft im Frankreich vor der Revolution. Gesellschaftskritik, Fallstudie und psychologische Analyse in einem.
Pierre-Ambroise-Francois Choderlos de Laclos, geboren 1741, war erst Offizier im königlichen Militärdienst und kämpfte später auf Seiten der Jakobiner, u.a. als Redenschreiber Robespierres. Er starb am 5. September 1803 in Tarent.
Erst heute, Madame, habe ich Monsieur de Valmont den Brief zurückgegeben, den zu schreiben Ihr mir die Ehre erwiesen habt. Ich habe ihn vier Tage behalten, trotz der Furcht, die mich oft überkam, daß man ihn fände, aber ich versteckte ihn sehr sorgfältig, und wenn mich der Kummer wieder überkam, schloß ich mich ein, um ihn erneut zu lesen. Ich sehe jetzt, daß das, was ich für ein so großes Unglück hielt, fast gar keines ist; und man muß zugeben, daß es großen Spaß macht: so daß ich mich fast nicht mehr gräme. Nur der Gedanke an Danceny quält mich noch manchmal. Aber es gibt schon Augenblicke die Menge, wo ich überhaupt nicht mehr an ihn denke! Auch ist Monsieur de Valmont ganz liebenswürdig! Ich habe mich wieder mit ihm ausgesöhnt seit zwei Tagen: das war ganz einfach, weil ich ihm kaum zwei Worte gesagt hatte, als er mir gesagt hat, daß, wenn ich ihm etwas zu sagen hätte, er nachts in mein Zimmer käme, und ich brauchte nur zu antworten, daß es mir schon recht sei. Und dann, sobald er da war, schien er so wenig böse zu sein, als hätte ich ihm nie etwas getan. Er hat mich erst danach gescholten, und dann noch ganz sanft und das war auf eine Art... Ganz wie bei Euch; was mir gezeigt hat, daß er auch richtig Freundschaft für mich übrig hat. Ich könnte gar nicht sagen, wieviele drollige Sachen er mir erzählt hat, die ich nie geglaubt hätte; besonders über Mama. Ihr würdet mir eine große Freude machen, mir mitzuteilen, ob das alles wahr ist. Soviel jedenfalls ist sicher, daß ich mich nicht beherrschen konnte zu lachen, so sehr, daß ich einmal laut herausgeplatzt bin, was uns ganz schön Angst eingejagt hat: weil Mama es hätte hören können, und wenn sie nachschauen gekommen wäre, was wäre da aus mir geworden? Sie hätte mich sicher wieder ins Kloster gesteckt! Da es heißt vorsichtig sein, und da, wie Monsieur de Valmont mir selbst gesagt hat, er um nichts in der Welt Gefahr laufen möchte, mich bloßzustellen, sind wir übereingekommen, daß er von jetzt an nur kommt, die Tür zu öffnen, und wir dann in sein Zimmer gehen. Da ist dann nichts zu befürchten, ich war gestern schon dort und gerade jetzt, da ich Euch schreibe, warte ich darauf, daß er kommt. Jetzt hoffe ich, Madame, daß Ihr mich nicht mehr ausschelten werdet. Trotzdem gib es eine Sache, die mich in Eurem Brief ganz schön überrascht hat, das ist das, was Ihr mir mitteiltet, für wenn ich verheiratet sein werde, in Bezug auf Danceny und Monsieur de Valmont. Mir scheint, in der Oper sagtet Ihr mir einmal im Gegenteil, daß ich, wäre ich erst einmal verheiratet, nur noch meinen Mann lieben dürfte, und ich müßte sogar Danceny vergessen: im übrigen habe ich vielleicht falsch verstanden, und mir ist auch viel lieber, daß es anders ist, weil ich jetzt den Zeitpunkt meiner Verheiratung nicht mehr so sehr fürchte. Ich wünsche ihn mir sogar herbei, weil ich dann mehr Freiheit haben werde. Und ich hoffe, daß ich es dann so einrichten kann, daß ich nur noch an Danceny denke. Ich spüre richtig, daß ich wirklich nur mit ihm glücklich sein werde: weil mich jetzt der Gedanke an ihn immerfort quält und ich nur glücklich bin, wenn ich es schaffe, nicht an ihn zu denken, was ganz schön schwer ist; und sowie ich an ihn denke, werde ich sofort wieder betrübt. Ein wenig tröstet mich, daß Ihr mir versichert, daß Danceny mich deshalb um so mehr lieben wird: aber seid Ihr dessen auch wirklich sicher?... O! Ja, Ihr würdet mich nicht täuschen wollen. Es ist indessen lustig, daß ich Danceny liebe und daß Monsieur de Valmont... Aber wie Ihr sagt, das ist vielleicht ein Glück! Wir werden schon noch sehen. Ich habe nicht so recht verstanden, was Ihr mir wegen meiner Art zu schreiben bemerkt. Mir scheint, daß Danceny meine Briefe gut findet, so wie sie sind. Ich spüre indessen schon ganz genau, daß ich ihm überhaupt nichts sagen darf von dem, was mit ... Leseprobe