Beschreibung
Stockholm, im November: Ein amerikanischer Journalist ist aus dem 15. Stock eines Studentenwohnheims gesprungen - und hat einen äußerst poetischen Abschiedsbrief hinterlassen. War es ein Unfall oder Mord? Für die herbeigerufene Polizei ist die Sache schnell klar: Der Mann ist freiwillig aus dem Leben geschieden. Nur einer zweifelt daran und beschließt, der Sache nachzugehen - Kriminaldirektor Lars M. Johansson.
Autorenportrait
Leif GW Persson gilt als Großmeister der skandinavischen Kriminalliteratur. Persson, der lange Zeit als Profiler im Polizeidienst tätig war, ist Professor der Kriminologie, Medienexperte und seit mittlerweile 30 Jahren einer der erfolgreichsten Krimiautoren Schwedens. Er wurde mehrfach mit dem Schwedischen Krimipreis ausgezeichnet, daneben erhielt er den Dänischen und den Finnischen Krimipreis. Seine Romane stehen regelmäßig auf Platz 1 der Bestsellerliste und verzeichnen Millionenauflagen.
Leseprobe
Stockholm im November Es war Kalle, 13, der Vindeln, 55, das Leben rettete. Zumindest stellte Vindeln die Sache bei seiner ersten Vernehmung durch die Polizei so dar. 'Wenn Kalle nicht hochgeschaut und mich zur Seite gerissen hätte, hätte ich den Blödsinn auf die Birne gekriegt, und dann säße ich jetzt nicht hier.' Das Ganze war eine durch und durch seltsame Geschichte, und zwar aus drei Gründen. Zum einen galt Kalle als stocktaub auf beiden Ohren. Nicht zuletzt glaubte das Vindeln selbst, er war davon überzeugt, dass Kalle jetzt nur noch Blicke, Zeichensprache und körperliche Berührungen verstand. Natürlich redete er mehr mit ihm denn je, aber das gehörte sich doch so, wenn jemand alt und vertrottelt wurde, und Vindeln hatte Kalle immer gut behandelt. Alles andere wäre ja wohl noch schöner gewesen. Zum anderen galt in der empirisch orientierten abendländischen Physik seit langem die Regel, dass ein Körper im freien Fall schneller ist als das Geräusch, das er durch Reibung mit der ihn umgebenden Atmosphäre erzeugt. Dieser Lehre zufolge also hätte es gar kein wahrnehmbares Geräusch geben dürfen. Drittens jedoch, und das war das Allerseltsamste: Wenn nun Kalle tatsächlich etwas gehört, auf die Gefahr reagiert, Vindeln fortgerissen und ihm dadurch das Leben gerettet hatte. Wie war es dann möglich, dass er das Geräusch des linken Schuhs des Opfers nicht gehört hatte, der ihn nur wenige Sekunden später im Nacken traf und auf der Stelle tot umfallen ließ? Freitag, 22. November Zwischen 19.56 und 20.01 am Freitag, dem 22. November, gingen bei der Notrufnummer der Stockholmer Polizeizentrale drei Anrufe ein. Der erste stammte von einem pensionierten Juristen, der auf seinem Balkon im Valhallavägen 38 den gesamten Ereignisverlauf detailliert beobachtet hatte. Der Jurist stellte sich mit Namen und Titel vor und wirkte nicht im Geringsten erschüttert. Seine Darstellung war wortreich, systematisch strukturiert und ansonsten vollkommen absurd. Im Großen und Ganzen lief sein Bericht darauf hinaus, dass ein Verrückter in einem langen schwarzen Mantel und einer Skimütze mit Ohrenklappen einen bedauernswerten Hundebesitzer und dessen Hund erschossen habe. Jetzt laufe der Verrückte im Kreis und schreie wirres Zeug, und der Jurist habe sich trotz der mehreren Grad unter Null auf seinem Balkon aufgehalten, weil seine Frau an Asthma litt und Zigarrenrauch die unangenehme Neigung besaß, sich in den Vorhängen festzusetzen. 'Falls der Herr Inspektor das wissen wollte?' Der zweite Anruf kam aus einer Taxizentrale. Ein Fahrer hatte im Valhallavägen 46 eine ältere Dame abgeholt, und als er die Tür aufgehalten hatte, um dem Fahrgast auf den Rücksitz zu helfen, hatte er aus dem Augenwinkel 'einen armen Teufel gesehen, der vom Dach dieses Hochhauses stürzte, wo die vielen Studenten wohnen'. Der Fahrer war fünfundvierzig Jahre alt und zwanzig Jahre zuvor aus der Türkei nach Schweden gekommen. Er hatte als Kind schon Schlimmeres erlebt und früh gelernt, dass ein jeglich Ding seine Zeit und seinen Ort hat. Deshalb verständigte er per Funk die Zentrale, teilte mit, was er gesehen hatte, und bat die Kollegen, die Polizei zu informieren, damit er die alte Dame zu ihrer Tochter auf ihren in der Nähe von Marsta gelegenen Hof fahren könnte. Es war eine gute Tour, und das Leben ging weiter. Anruf Nummer drei stammte von einem Mann, der der Stimme nach am Beginn seiner mittleren Jahre stehen musste. Er wollte nicht verraten, wie er hieß und von wo aus er anrief, aber seine Munterkeit ließ auf die Einnahme von stimulierenden Mitteln schließen. Außerdem hatte er einen guten Rat. 'Jetzt ist schon wieder so ein verrückter Student vom Dach gehüpft. Bringt ein paar Eimer mit, wenn ihr ihn aufsammeln kommt.' Auf der Polizeizentrale ging alles seinen altbekannten Gang. Als die zuständige Beamtin per Funk Alarm gab, hatte sie bereits beschlossen, sich eher auf den Taxifahrer und den Scherzkeks mit dem guten Rat zu verlassen als auf den wortreichen Juristen. Leseprobe