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In fremden Räumen

Drei Reisen

Erschienen am 18.10.2010
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442546756
Sprache: Deutsch
Umfang: 256 S.
Format (T/L/B): 2.5 x 19.2 x 13 cm
Einband: gebundenes Buch

Autorenportrait

Damon Galgut wurde 1963 in Pretoria geboren. Bereits mit siebzehn Jahren verfasste er seinen ersten Roman, 'A Sinless Season'. Mittlerweile zählt er zu den renommiertesten Autoren Südafrikas. Für seinen Roman 'Der gute Doktor' wurde er für den Booker Prize nominiert, einen der bedeutendsten internationalen Literaturpreise. Der Roman wurde als 'bestes Buch des Jahres' mit dem Commonwealth Writers Prize ausgezeichnet. Auch der nachfolgende Roman "Der Betrüger" wurde für zahlreiche Literaturpreise nominiert. Damon Galgut lebt in Kapstadt, wenn er nicht gerade auf Reisen ist.

Leseprobe

DER GEFÄHRTE Es begibt sich folgendermaßen. Nachmittags macht er sich auf den Weg, den man ihm gezeigt hat, und bald schon liegt die kleine Ortschaft hinter ihm. Nach etwa einer Stunde ist er umgeben von flachen Hügeln mit Olivenbäumen und grauen Steinen, von wo aus man auf eine Ebene blickt, die zum Meer hin langsam abfällt. Er ist überglücklich, und das ist er nur, wenn er wandert, und zwar allein. Da es immer auf und ab geht, kann er mal in die Ferne sehen, und dann wieder sieht er nichts. Er hält Ausschau nach anderen Leuten, aber die weite Landschaft scheint verlassen. Die einzigen Spuren menschlicher Existenz sind das eine oder andere Haus am Horizont und der Weg. Als er zu einer Hügelkuppe kommt, bemerkt er eine Gestalt in der Ferne. Sie könnte männlich oder weiblich sein, alt oder jung, sie könnte sich entweder auf ihn zu oder von ihm fort bewegen. Er beobachtet sie, bis der Weg in einer Senke verschwindet, und als er die nächste Anhöhe erklommen hat, ist die Gestalt deutlicher zu erkennen, sie kommt auf ihn zu. Verstohlen beäugen sie einander. Als sie gleichauf sind, bleiben sie stehen. Die Gestalt entpuppt sich als ein Mann seines Alters, der ganz in Schwarz gekleidet ist. Schwarze Hose, schwarzes Hemd, schwarze Stiefel. Selbst sein Rucksack ist schwarz. Was der erste Mann anhat, weiß ich nicht, habe ich vergessen. Sie nicken sich lächelnd zu. Wo kommst du her. Mykene. Er deutet über seine Schulter. Und du. Auch der Mann in Schwarz zeigt hinter sich. Und wo willst du hin. Er hat einen Akzent, den der erste Mann nur schwer einordnen kann, skandinavisch, vielleicht, oder deutsch. Zu den Ruinen. Ich dachte, zu den Ruinen geht es da lang. Ja. Nein. Nicht die Ruinen, da bin ich schon gewesen. Es gibt noch andere Ruinen. Ja. Wie weit ist es bis dahin. Zehn Kilometer, glaube ich. Hat es geheißen. Er nickt. Er ist von spröder Schönheit, mit langem, seidigem Haar, das ihm bis auf die Schultern fällt. Er lächelt, obwohl es dafür eigentlich keinen Grund gibt. Und wo kommst du her. Südafrika. Und du. Ich komme aus Deutschland. Wo wohnst du in Mykene. In der Jugendherberge. Da ist es bestimmt brechend voll. Ich bin der einzige Gast. Wieso. Suchst du ein Zimmer. Er schüttelt seine langen, wallenden Locken. Ich nehme den Nachtzug. Nach Athen. Da der Weg sie trennt, hat das Gespräch etwas Förmliches, trotzdem gehen sie zwar nicht direkt vertraut, wohl aber ungezwungen miteinander um. Als ob sie sich schon einmal irgendwo begegnet wären, vor langer Zeit. Was jedoch nicht der Fall ist. Viel Spaß in den Ruinen, sagt der Deutsche lächelnd. Danke, sagt der Südafrikaner. Dann nicken sie sich zum Abschied zu und entfernen sich langsam voneinander, auf dem schmalen weißen Weg, werfen dann und wann einen Blick über die Schulter, bis sie wieder zwei winzige, separate Punkte sind, die sich im Einklang mit den wogenden Hügeln auf und ab bewegen. Am frühen Nachmittag kommt er bei den Ruinen an. Ich weiß nicht einmal mehr, worum es sich handelte, die Überreste eines großen, aber unbedeutenden Gebäudes. Er steigt über den Zaun, nach Hunden Ausschau haltend, keine Hunde weit und breit, stolpert zwischen Steinen, Säulen und Simsen umher, versucht, sich vorzustellen, wie es hier einmal ausgesehen hat, doch die Geschichte widersetzt sich seiner Fantasie. Er hockt sich auf die Kante eines steinernen Sockels, starrt blind in die umliegenden Hügel und denkt über die Vergangenheit nach. Wenn ich heute auf ihn zurückblicke, erinnere ich mich, dass er sich erinnerte, und bin in der Erinnerung präsenter, als er es damals war. Denn das Gedächtnis schafft sich seine eigene Distanz, teils ist er ganz und gar ich, teils ein Fremder, den ich beobachte. Als er wieder zu sich kommt, steht die Sonne tief, und die Schatten der Berge spannen sich über die Ebene. Langsam macht er sich auf den Rückweg durch das kühle Blau. Am Himmel sammeln sich die Sterne zu schillernden Pfützen, die Erde ist groß und alt und schwarz. Lange nach der Sperrstund

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