Beschreibung
Als bester Kriminalroman des Jahres mit dem Edgar-Allan-Poe-Preis ausgezeichnet Olive Martin sitzt wegen einer grausamen Tat im Gefängnis: Sie hat zugegeben, ihre Mutter und ihre Schwester ermordet und dann zerstückelt zu haben. Unter ihren Mitgefangenen ist Olive wegen ihrer Ausbrüche gefürchtet, und ihre Beschäftigung mit Knetpuppen, in die sie Nadeln sticht, hat ihr die Bezeichnung Die Bildhauerin eingetragen. Die Journalistin Rosalind Leigh ist gewarnt, als sie das Gefängnis betritt, um Olive zu treffen. Doch schnell stößt sie auf eine Reihe von Ungereimtheiten, und die beiden Frauen begeben sich auf eine gefährliche Reise in die Vergangenheit ...
Autorenportrait
Minette Walters arbeitete lange als Redakteurin in London, bevor sie Schriftstellerin wurde. Seit ihrem Debüt "Im Eishaus", das 1994 auf Deutsch veröffentlicht wurde, zählt sie zu den Lieblingsautoren von Millionen Leserinnen und Lesern in aller Welt. Alle ihre bisher erschienenen Romane wurden mit wichtigen Preisen ausgezeichnet und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Minette Walters lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen in Dorset, England.
Leseprobe
Dawlington Evening Herald, Januar 1988 25 Jahre für brutale Morde Vor dem Strafgericht in Winchester wurde gestern Olive Martin, 23, wohnhaft in der 22 Leven Road in Dawlington, für die brutalen Morde an Mutter und Schwester zu einer lebenslänglichen Zuchthausstrafe verurteilt, wobei die Empfehlung erging, sie solle mindestens 25 Jahre davon abbüßen. Der Richter, der die Martin als 'ein Monstrum ohne einen Funken Menschlichkeit' bezeichnete, erklärte, nichts könne die barbarische Grausamkeit entschuldigen, die sie zwei wehrlosen Frauen gegenüber an den Tag gelegt habe. Der Mord an einer Mutter durch ihre Tochter sei das unnatürlichste aller Verbrechen und verlange die strengste Strafe, die das Gesetz auferlegen könne. Der Mord an einer Schwester durch die Schwester sei nicht minder schändlich. 'Die Zerstückelung der Leichen', fuhr er fort, 'war eine unverzeihliche und barbarische Schändung, die als ein Akt tiefster Verwerflichkeit in die Annalen des Verbrechens eingehen wird.' Olive Martin zeigte keine Gefühlsregung, als das Urteil verlesen wurde. " Es war unmöglich, sie ohne einen Schauer des Abscheus näher kommen zu sehen. Sie war die groteske Parodie einer Frau, so unförmig, dass Kopf, Hände und Füße auf absurde Weise wie viel zu klein geratene nachträgliche Anhängsel von der gewaltigen Masse ihres Körpers abstanden. Schmutziges blondes Haar klebte feucht und dünn an ihrer Kopfhaut, und unter ihren Achselhöhlen hatten sich dunkle Schweißflecken ausgebreitet. Das Gehen bereitete ihr offensichtlich Mühe. Immer in Gefahr, das Gleichgewicht zu verlieren, schlurfte sie auf den Innenkanten ihrer Füße vorwärts, die Beine auseinandergetrieben von der Stoßkraft eines gigantischen Oberschenkels gegen den anderen. Und selbst bei der kleinsten Bewegung spannte sich mit der Verlagerung der Fleischmassen der Stoff ihres Kleides gefährlich. Sie besaß, so schien es, nicht ein einziges Charakteristikum, das mit ihrer Erscheinung versöhnt hätte. Selbst ihre Augen, von einem tiefen Blau, gingen förmlich unter in den hässlichen Falten gewellten weißen Fetts. Seltsam, dass sie nach so langer Zeit noch immer ein Objekt der Neugier war. Leute, die sie jeden Tag sahen, starrten ihr nach, wenn sie durch den Korridor ging, als sähen sie sie zum ersten Mal. Was war es, das sie so faszinierte? Einfach die Dimensionen einer Frau, die einen Meter achtzig groß war und fast hundertvierzig Kilo wog? Oder ihr Ruf? Der Abscheu vor ihr? Nie lächelte jemand. Die meisten beobachteten sie unbewegt, wenn sie vorüberging, vielleicht aus Furcht, ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Sie hatte ihre Mutter und ihre Schwester in kleine Stücke zerhackt und die einzelnen Teile in blutiger Abstraktion auf ihrem Küchenboden geordnet. Wenige, die sie sahen, konnten das vergessen. Wegen ihres grausigen Verbrechens und der Furcht, die sie, finster und gewaltig, allen im Gerichtssaal eingeflößt hatte, war sie zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurteilt worden, mit der Empfehlung, dass sie mindestens fünfundzwanzig Jahre der Strafe verbüßen solle. Was sie, abgesehen von dem Verbrechen selbst, zu einer ungewöhnlichen Person machte, war die Tatsache, dass sie sich schuldig bekannt und jede Verteidigung abgelehnt hatte. Innerhalb der Zuchthausmauern war sie als die Bildhauerin bekannt. Ihr richtiger Name war Olive Martin. Rosalind Leigh, die an der Tür des Besprechungsraums wartete, fuhr sich mit der Zunge durch den Mund. Ihr Abscheu war so unmittelbar, als hätte das Böse an Olive Martin die Hand nach ihr ausgestreckt und sie berührt. Mein Gott, dachte sie, und der Gedanke erschreckte sie, ich halte das nicht durch! Aber sie hatte keine Wahl. Hinter ihr, der Besucherin, waren die Zuchthaustore so fest geschlossen wie hinter den Insassen der Anstalt. Sie drückte ihre zitternde Hand auf ihren Oberschenkel, dessen Muskeln unkontrollierbar zuckten. Ihre praktisch leere Aktentasche hinter ihr war hohnlachendes Zeugnis ihrer mangelnden Vorbereitung auf dieses Zusammentreffen