Beschreibung
In den Staaten Ostmitteleuropas und in der DDR vollzog sich 1989/90 eine friedliche Revolution, die das kommunistische Herrschaftssystem stürzte. Ausgangspunkt des gewaltfreien Prozesses vor allem im SED-Staat waren vornehmlich Gruppen und Personen, die aus den evangelischen Kirchen stammten oder in den geschützten Räumen der Kirche Aufnahme fanden. Die christliche Signatur des Geschehens ist damit eine fundamentale Tatsache, aus der sich Fragen an die bisherige Deutungsgeschichte der Friedlichen Revolution ergeben. Der dezidiert aus christlichem Ethos erwachsene Charakter dieser Revolution, der bahnbrechende Vorgänge in Polen um die katholische Gewerkschaftsbewegung "Solidarnosc" vorangegangen waren, hat dem Epochenereignis einen Charakter verliehen, der sich von den klassischen europäischen Gewaltrevolutionen radikal unterscheidet. Daher erscheint es geradezu zwingend, nach dem ideellen Grund der 1989er Revolution zu fragen - nicht zuletzt im Sinne theologischer Perspektiven, die an den scheinbar obsolet gewordenen Begriff der "Heilsökonomie" Gottes (Pannenberg) anknüpfen. Zu fragen ist also nach der Letztbegründung einer handlungsethisch qualifizierten Revolution wie der von 1989 in Differenz zu ihren blutigen Vorläufern. Ist die Friedliche Revolution von 1989 gar eine Antwort Gottes auf die konstitutive Gottes- und Menschenfeindschaft der in blutigen Herrschaftssystemen untergegangenen Revolutionen von 1789 und 1917?